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Zahnmedizinischer Nachwuchs

Ausgabe 7/2021

8 Titelthema Blick in

8 Titelthema Blick in die Universitäten zum zahnmedizinischen Nachwuchs Wunsch versus Realität Bundesweit studieren rund 15.000 Frauen und Männer an 30 Universitäten Zahnmedizin. In Baden- Württemberg sind es etwa 2000 an vier Universitäten. Das ZBW hat sich an den Universitäten umgehört und das Gespräch mit dem zahnärztlichen Nachwuchs, der unterschiedlich weit in seinem Studium fortgeschritten ist, geführt. Dabei ging es weniger um einen Blick auf die vergangenen Monate, als vielmehr um Erwartungshaltungen und jene Bereiche, in denen grundlegende Veränderungen stattfinden sollten. Foto: goldlichtstudios.de Celina Stutz, 10. Semester, Universität Tübingen Von der Hauptschule ins Zahnmedizinstudium Ursprünglich habe ich eine Hauptschule besucht. Das dabei notwendige Schulpraktikum absolvierte ich beim Zahnarzt. Damals stand für mich schon fest, dass ich nach meinem Schulabschluss die Ausbildung zur ZFA machen wolle. Mein damaliger Klassenlehrer war jedoch davon überzeugt, ich würde einmal Abitur machen – und er sollte Recht behalten. Nach dem Hauptschulabschluss folgte mein Realschulabschluss, dazwischen ein weiteres Praktikum bei einem Zahnarzt in den Sommerferien und schließlich das Abitur. Damit rückte die Möglichkeit, Zahnmedizin zu studieren, in greifbare Nähe. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit stand jedoch noch der NC, den ich zunächst mit einem FSJ und danach mit einer Ausbildung zur ZFA überbrücken wollte. Aufgrund meines Abiturs konnte ich die Ausbildungsdauer auf zwei Jahre verkürzen und mit dem unbefristeten Arbeitsvertrag erhielt ich schließlich auch die Zusage zum Studium in Tübingen. Freitags habe ich noch gearbeitet, montags war ich beim Einführungstag. „Wer familiär nicht den finanziellen Background hat, kann sich das Studium nicht leisten. Das ist schon sehr elitär.“ Das erste Semester war vor allem von der Zahntechnik geprägt. In dieser Intensität hatte ich das nicht erwartet. Mitunter war das sehr zermürbend, da wir immer wieder den gleichen Zahn aufgewachst haben. Für mich positiv hingegen waren die Erfahrungswerte der Ausbildung. Während sich meine Kommiliton*innen mit vielen Begrifflichkeiten schwer taten, waren die Fachbegriffe für mich bereits gelebter Arbeitsalltag. Meines Erachtens wird bereits im ersten Semester sehr viel Wissen vorausgesetzt. Auch im zweiten Semester wurde ich überrascht, als mit Physik, Chemie und Biologie plötzlich Fächer auf meinem Stundenplan standen, die für mich im ersten Moment nichts mit der Zahnmedizin zu tun haben. Grundlegend wäre es schön, im Vorfeld eine intensivere Einführung in das Studienfach zu bekommen und Voraussetzungen deutlicher zu machen, sodass man sich besser auf das Studium vorbereiten kann und der Einstieg leichter fällt. Im Juni dieses Jahres habe ich zum Beispiel meine erste Vorlesung zur Berufskunde. Hier fühlt man sich doch etwas alleine gelassen. Die Vorklinik war happig, denn neben alledem muss man sich damit auseinandersetzen, nicht mehr der/die Beste zu sein und auch damit fertig zu werden, einmal durchzufallen. Vieles erschloss sich mir erst in der Klinik. Außerdem war ich sehr überrascht, wie teuer dieses Studium doch ist: Lehrbücher, Materialien, sämtliche Bohrer muss man selber bezahlen, hinzu kommt die Instrumentenmiete. Wer familiär nicht den finanziellen Background hat, kann sich das Studium nicht leisten. Das ist schon sehr elitär. In zehn Jahren sehe ich mich entweder als angestellte Zahnärztin oder in einer partnerschaftlichen Praxis arbeiten. Das ist familienvereinbar und entspricht meinen aktuellen Lebensentwürfen. Bereut habe ich meinen Werdegang nie – die Ausbildung wird mir helfen, die Helfer*innen in meiner Praxis auch zukünftig besser zu verstehen und zu unterstützen. Das Studium ist nach wie vor der Weg zu meinem Traumberuf: anspruchsvoll, handwerklich und kreativ. Das ist meins. In der Humanmedizin würde mir das Kreative fehlen. Das betrachte ich als ideal in der Zahnmedizin. ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 9 Moritz Martin, 9. Semester, Universität Ulm Die Zahnmedizin steht manchmal leider nicht ganz in dem glanzvollen Licht, in dem sie dargestellt wird wachsenden Zahnärzt*innen der Fall. Hier wäre es sicher von Vorteil, wenn man teilweise noch tiefer ins Detail einsteigen würde, um manche Zusammenhänge besser verstehen und nachvollziehen zu können. Nach dem Abitur stand für mich fest, dass ich ein medizinisches Studium absolvieren möchte. Die Entscheidung zwischen Humanmedizin und Zahnmedizin war jedoch keine leichte. So entschloss ich mich, zunächst meinen Studienplatz für Zahnmedizin anzutreten und auszutesten, ob mir das praxisnahe und zeitaufwendige Studium überhaupt liegt. Die Kombination aus Feinmotorik, der Möglichkeit, mit meiner Arbeit Menschen zu helfen und sie von Sorgen und Schmerzen zu befreien, hat mir jedoch von Anfang an sehr zugesagt. Im Zuge dessen gab es für mich nur noch die Möglichkeit, beim Studium der Zahnmedizin zu bleiben. Meine Erwartungen zu Beginn des Studiums waren, vereinfacht gesagt, in einem praxisnahen Studium ausgebildet zu werden und Wissen zu gewinnen, mit welchem ich später Patient*innen optimal würde versorgen können. Die Bürger*innen dieses Landes werden aufgrund des demografischen Wandels immer älter, die Krankheiten immer komplizierter und vielfältiger, daher lag es für mich nahe, dass auch in der Zahnmedizin umfassende allgemeinmedizinische Aspekte vermittelt werden, um auch in Zukunft Patient*innen mit einer schwierigen allgemeinanamnestischen Situation angemessen behandeln und versorgen zu können. Gerade als Student ist es natürlich nicht sonderlich einfach und üblich, Kritik am eigenen Studiengang zu äußern. Das Studium der Zahnmedizin ist, ebenso wie später auch der Beruf, ein sehr praxisnahes und das ist auch gut so. Verbesserungspotenzial gibt es jedoch immer. Meiner Meinung nach ist dies vor allem in der humanmedizinischen Ausbildung von uns heran- Foto: Markus Sommer „Manche Umstände (sind) als Studierender schwer nachzuvollziehen. Beispielsweise […] das Zahlenverhältnis zwischen Professor*innen und Studierenden [...] in der Zahnmedizin.“ Bei genauerem Betrachten der Gesamtsituation universitärer Zahnkliniken in Deutschland sind zudem manche Umstände als Studierender schwer nachzuvollziehen. Beispielsweise wurde im Positionspapier „Perspektive Zahnmedizin 2030“ von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) aus dem Jahre 2020 festgestellt, dass an manchen finanzschwächeren universitären Einrichtungen Deutschlands ca. 20 Prozent der Gelder, welche für den zahnmedizinischen Bereich bereitgestellt sind, dort nicht angekommen wären. Oder ein anderes Beispiel: Das Zahlenverhältnis zwischen Professor*innen und Studierenden liegt in der Zahnmedizin um ein Vielfaches mehr auf Seite der Studierenden als im Studienfach Humanmedizin. Ebenso wird in diesem Dokument erwähnt, dass die Unterfinanzierung der universitären Zahnmedizin schon 2005 durch den Wissenschaftsrat kritisiert wurde. Seither scheint sich jedoch nicht viel geändert zu haben. Aufgrund solcher und weiterer Tatsachen, auf welche hier im Detail natürlich nicht eingegangen werden kann, steht die Zahnmedizin manchmal leider nicht ganz in dem glanzvollen Licht, in dem sie dargestellt wird. Auf der anderen Seite bleibt jedoch auch zu sagen, dass durch das Inkrafttreten der neuen zahnärztlichen Approbationsordnung, vor allem aus der Perspektive der Studierenden, viele sinnvolle Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der humanmedizinischen Grundausbildung oder die Angleichung der Lehrinhalte auf den demografischen Wandel, umgesetzt werden. Wie es mit meiner beruflichen Zukunft aussieht, steht für mich im Moment noch nicht fest. Zuerst einmal muss ich natürlich mein Staatsexamen erfolgreich absolvieren. Aktuell interessiert mich die Forschung sehr. Gerade Projekte hinsichtlich oralbiologischer und werkstoffkundlicher Aspekte ziehen mich durchaus in eine Universitätsklinik. Jedoch reizt mich natürlich auch der Gedanke, einmal als niedergelassener Zahnarzt zu arbeiten. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021

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