50 Sonderthema Zahnärzt*innen im Einsatz in den Impfzentren in Baden-Württemberg An persönliche Grenzen gelangt Aktuell impfen mehrere hundert Ärzt*innen allein in Baden-Württemberg in verschiedenen Impfzentren und als mobile Teams. Dass es dabei nicht nur damit getan ist, eine Spritze zu setzen, davon berichten Dr. Dr. Sandra Ketabi, Dr. Dr. Alexander Raff sowie die Zahnmedizinstudentin Celina Stutz. Es fließen Tränen, mitunter werden Beschimpfungen laut, es herrscht Unverständnis, Zweifel, Angst und auch große Dankbarkeit. Von diesem emotionalen Potpourri berichten alle drei Gesprächspartner*innen, die in den verschiedenen Impfzentren in Baden-Württemberg im Einsatz waren und es teilweise auch noch sind. Daten zur COVID-19-Impfung in Baden-Württemberg Stand: 15. Juni 2021 Erstimpfungen: 5.306.330 Zweitimpfungen: 2.922.750 Die Suche nach geeignetem Personal war schon vor Öffnung der ersten Impfzentren Grund für Diskussionen und auch Verständnislosigkeit. Nachdem das Sozialministerium Mitte Dezember 2020 nach Helfer*innen aufgerufen hatte, meldeten sich zahlreiche Freiwillige. Doch obwohl medizinisches Fachpersonal gefragt war, schieden Zahnärzt*innen aus der Gruppe der infrage kommenden Impfärzt*innen aus. Das sorgte natürlich für viel Unverständnis, denn immerhin hatten sich allein in Baden-Württemberg 600 Zahnärzt*innen für diesen Einsatz gemeldet. Humanmedizinstudium. Dr. Dr. Sandra Ketabi, Fachärztin für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie und Oralchirurgie, war vor ihrer Tätigkeit in der gemeinschaftlichen Zahnarztpraxis mit ihrem Mann, Oberärztin am Klinikum Stuttgart. Auch Dr. Dr. Alexander Raff, seit 1997 als niedergelassener Zahnarzt in einer Gemeinschaftspraxis in Stuttgart tätig und vielen als Herausgeber eines Abrechnungskommentares bekannt, hat Medizin studiert. Für beide war die Hauptmotivation, zusätzlich zu ihrer Praxistätigkeit im Impfzentrum zu arbeiten, der Wunsch zu helfen. „In der Praxis fühlte ich mich der Pandemie nur ausgeliefert“, so Dr. Dr. Ketabi. Ihren Schritt ins Impfzentrum, um dort aktiv etwas gegen die Krise zu tun, empfindet sie als „Minibeitrag zur Bewältigung, den ich persönlich leisten kann“. „Den Einsatz macht man, weil man als Arzt mitbekommt, dass Hilfe benötigt wird“, ergänzt Dr. Dr. Raff. An persönliche Grenzen. Von Januar bis Mai arbeitete Dr. Dr. Raff jedes zweite Wochenende im Impfzentrum, das heißt 12 Tage Einsatz in Praxis und Impfzentrum am Stück, dann ein Wochenende Pause. Die Arbeit für die Verwaltung seiner Praxis und seine standespolitischen Ämter erledigt er an den freien Wochenenden. „Das zehrt mit den Wochen“, gesteht er. Dr. Dr. Ketabi ist zudem noch Mutter zweier Grundschulkinder und muss gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Ali-Reza Ketabi neben dem Praxisalltag das Homeschooling der Kinder bewältigen. Seit Dezember arbeitet sie vier Tage die Woche von 13 Uhr bis 22 Uhr im Impfzentrum und hat mittlerweile dort auch die Schichtleitung übernommen. „Ich bin gefühlt jeden Tag am Anschlag“, so die Medizinerin. Corona-Alltag. Bei ihren Einsätzen werden beide Mediziner*innen mit der geballten Lebenswirklichkeit während Corona konfrontiert. „Am Anfang die perfekte Organisation von fast Nichts“, wie Dr. Dr. Raff es in Worte fasste. Zu Beginn des Jahres war die gleiche Anzahl an Impfärzt*innen im Einsatz, aber natürlich versorgten sie weit weniger Menschen als heute. Die Zeit und Energie für die Aufklärung und offene Fragen war damals extrem hoch. Dies lag natürlich auch daran, dass der Wissensstand der Bevölkerung zu den Impfstoffen und seinen Nebenwirkungen Anfang Januar noch ein anderer war. Zum Ende seines Einsatzes benötigte Dr. Dr. Raff nur noch knapp fünf Minuten pro Impfling, zu Beginn waren es oft 20 Minuten. Erfahrungen, die auch Dr. Dr. Ketabi machte. Konfliktsituationen waren vor allem in den Wochen, in denen der Impfstoff AstraZeneca – heute Vaxzevria – in die Kritik geraten ist, an der Tagesordnung. Ihnen galt es entsprechend umsichtig und sachlich, mit Wissen und passenden Argumenten zu begegnen. Jeden Tag gab es Updates und neue Vorgaben, als Schichtleiterin musste die Ärztin diese entsprechend an das Team weiterleiten. Rund 2000 Patient*innen am Tag versorgen die jeweiligen Impfzentren. Darüber hinaus müssen Atteste gecheckt und Computerprobleme behoben werden. Mehrere Male pro Einsatz erklären die Verantwortlichen, warum Patient*innen keine Wahl bei den Impfstoffen haben und Personen, die bereits Corona hatten, nur eine Boost-Impfung benötigen. Dabei ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Sonderthema 51 Impfzentren in Baden-Württemberg. Im ganzen Land gibt es derzeit zehn zentrale Impfzentren und zusätzlich rund 50 Kreisimpfzentren. Seit 7. Juni wurde zudem die Priorisierung in den Impfzentren aufgehoben. Damit kann sich jeder um einen Termin bemühen – auch wenn weiterhin Geduld gefragt ist. Denn der Impfstoff bleibt leider weiterhin sehr knapp. Foto: Adobe Stock_Robert Kneschke spielt es keine Rolle, das wievielte Mal die Erklärung erfolgt, die Geduld muss am Ende die gleiche sein wie am Anfang des Einsatzes. Darüber hinaus gilt es schnell und professionell auf medizinische Notfälle zu reagieren. Hypertensive Krisen sind ebenso an der Tagesordnung wie Unterzuckerungen, Angina pectoris oder allergische Reaktionen. Kritik am Honorar. In Baden- Württemberg sollen Ärzt*innen, die in Corona-Impfzentren mithelfen, pro Stunde ein Honorar von 120 Euro erhalten. Alle anderen Mitarbeiter erhalten weit weniger, was immer wieder zu Kritik führte. Auch Dr. Dr. Raff sieht dies kritisch, zumal ihm zu Beginn seines Einsatzes nicht klar war, dass es überhaupt eine Vergütung gibt und wie hoch diese ausfällt. „Dies ist mit der Belastung auch ein Grund, warum ich meinen Einsatz beendet habe“, so der Zahnarzt. Er will einem eventuell arbeitslosen Kollegen den Vorrang für diese Einsatz geben. Engagierte Teams. Mit Effizienz und ineinandergreifenden Zahnrädern arbeiten alle beteiligten Teams in den Impfzentren. Da man sich gegenseitig kaum kannte, mussten alle in kürzester Zeit zueinander finden. Ohne gegenseitige Unterstützung, die Bereitschaft voneinander zu lernen und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten wäre dies ein Vorhaben ohne Erfolg gewesen. Dies bestätigen auch die beiden Ärzte und beschreiben die Zusammenarbeit mit den Teams vor Ort als eine der Hauptmotivationen für ihr Durchhalten. Die Dankbarkeit der Impflinge, die vor allem bei den über 80-Jährigen in der Prio-Gruppe 1 extrem hoch war, entschädigte ebenfalls für die Stunden, die beide fernab von Familie und freien Stunden verbrachten. Denn gerade für die ältere Bevölkerung war der Kontakt in den Impfzentren der erste seit Monaten und somit machte sie nicht nur die Spritze glücklich, sondern auch der soziale Aspekt. Zwischen Uni und Ehrenamt. Celina Stutz ist 30 Jahre alt, Zahnmedizinstudentin in Tübingen und zudem Ausbildungsleiterin bei der DRK-Bereitschaft Wendlingen- Unterensingen. Auch sie ist in einem Abstrich- und Impfzentrum aktiv. Ehrenamtlich und während der Oster- und Pfingstfeiertage, während ihrer Semesterferien und lediglich unterbrochen von Erste- Hilfe-Kursen, die sie selbst leitete. Für sie ist dieses Engagement „ein wichtiges Thema, denn wenn wir alle gemeinsam das machen, was möglich ist, wird uns ein normales Leben bald wieder möglich sein“. Als Studentin darf Frau Stutz natürlich nicht impfen, doch sie Impfquote vollständig geimpft/Stand: 15. Juni 2021 Baden-Württemberg: 26,3 Prozent bundesweit: 26,8 Prozent übernahm andere Tätigkeiten, wie die Aufnahme, den Transport und mitunter auch das Beruhigen der Impflinge. Zudem wurden mobil eingeschränkte Impflinge auch durch Helfer*innen des DRKs von Zuhause abgeholt und in das Pop- Up-Impfzentrum in der Sporthalle am Speck in Wendlingen gebracht. „Dieser Dienst am Menschen ist mir sehr wichtig“, bekräftigt Stutz und freut sich über das positive Feedback, „denn am Ende bekommt man alles auf die ein oder andere Weise zurück“. Cornelia Schwarz www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021
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