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Zahnmedizinischer Nachwuchs

Ausgabe 7/2021

36 Fortbildung CMD. Dr.

36 Fortbildung CMD. Dr. Dr. Lukic gab Tipps zur Behandlung bei akut schmerzhafter Craniomandibulärer Dysfunktion. Entfernung von Weisheitszähnen. Prof. Dr. Dr. Schmelzeisen empfahl im Vorfeld Risikofaktoren zu evaluieren. Zahnerhaltung. Notfälle in der konservierenden Zahnheilkunde liegen laut Dr. Lenhard eher im ästhetischen Bereich. CMD. Auch im Bereich der Craniomandibulären Dysfunktion sind Schmerzen die Herausforderung, die es zu meistern gilt, wie Dr. Dr. Nenad Lukic, Zürich, in seinem Vortrag anschaulich schilderte. Wesentlich sei es, so Dr. Lukic, eine akut schmerzhafte CMD zu erkennen, da diese Diagnose nicht immer offensichtlich sei. Im Rahmen der Diagnostik sei es deshalb wichtig, vorab dentogene Ursachen auszuschließen. Danach sollte das Kiefergelenk sowie die Kaumuskulatur untersucht werden. Hierfür sei es entscheidend, betonte Dr. Lukic, die Differentialdiagnose der CMD zu kennen. Die Diagnosen seien in einer Liste aufgeführt, die auch muskuläre, artikuläre und neurogene Beschwerden enthalte. Diese International Classification of Orofacial Pain (1st edition) solle in jedem Fall berücksichtigt werden. In Bezug auf die Therapiemaßnahmen legte Dr. Lukic besonderen Wert auf die Aufklärung der Patient*innen über ihre Erkrankung und die Instruktion zur Selbstbeobachtung. Weitere Schritte seien Kieferentspannung, Thermobehandlung, Massage und Dehnung (Stretching). Auch die Schienentherapie sei ein Mittel der Wahl, wobei die Michigan-Schiene Goldstandard sei. Für eine weitere Therapie im Rahmen der Schmerzpsychologie könne für Bewusstseinsschulung, Biofeedback, Verhaltenstherapie, Stressmanagement und Entspannungstechniken an einen Therapeuten überwiesen werden. Weisheitszahnentferung. Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen, Freiburg, wählte mit seinem Vortrag „Der schwierige Weisheitszahn“ ein Thema, das sowohl für Zahnärzt*innen als auch für andere Fachabteilungen wie z. B. Narkoseärzt*innen spannend ist. Prof. Schmelzeisen empfahl den Zahnärzt*innen im Vorfeld zu überlegen, welche Fälle in der eigenen Praxis operiert werden können und welche an Spezialist*innen der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie überwiesen werden sollten, die mit retinierten und impaktierten Weisheitszähnen größere Erfahrung haben. Hierfür sollten Risikofaktoren evaluiert werden, wie akute oder chronische Infektionen im Operationsgebiet, Zahnankylose, Wurzelanomalien, erfolgte Bestrahlung, Therapie mit Antiresorptiva, Lagebeziehung zum Mandibularkanal, Nähe zur Kieferhöhle, ausgeprägte Verlagerung und ein fortgeschrittenes Lebensalter. Häufige Fehler seien eine fehlende weiterführende Diagnostik, eine falsche Einschätzung des Falls, falsche Schnittführung, eine fehlende oder zu späte Trennung der Wurzel und zu geringe Osteotomie. Prof. Schmelzeisen hob hervor, dass es in diesen Fällen zu spät zum Abbruch und zur Überweisung an einen Spezialisten sei und zeigte Fallbeispiele mit Komplikationen wie z. B. einem massiven retromolaren Abszess, einer Osteomyelitis im Kieferwinkel, einem Tuberabriss bei Extraktion 28 sowie Nervverletzungen. Zahnerhaltung. Im ersten Vortrag am Samstag sprach Dr. Markus Lenhard, Zürich, über den Notfall in der konservierenden Zahnheilkunde und stellte fest, dass die Fraktur der Kavitätenwand bei Amalgamfüllungen die häufigste Notfallsituation in der Füllungstherapie ist. Da die Patient*innen in diesen Fällen kaum Schmerzen haben, entstehe der dringende Handlungsbedarf für die Patient*innen im ästhetischen Bereich durch soziale Beeinträchtigung. Dr. Lenhard zeigte wie bei Frakturen mit Klasse IV-Füllungen in kurzer Zeit mittels eines Schichtaufbaus mit Komposit ein ästhetisch akzeptables Ergebnis erreicht werden kann. In einer ersten Stufe werde die palatinale bzw. linguale Wand aufgebaut. Hierbei diene der Finger als Matrizensystem, um durch die konvexe Form des Fingers die konkave Form der Palatinalfläche des Zahnes wiederzugeben. Dieser werde drucklos hinter den aufzubauenden Zahn gelegt und das aufgetragene Komposit (Schmelzmasse) werde mit dem Spatel in Form gebracht. Bevor in einem zweiten Schritt die Dentinmasse eingebracht werde, sollte der Zahn auf die richtige Länge gekürzt werden. Im dritten Schritt folge das Überschichten mit Schmelzmasse und zuletzt die Ausarbeitung und Politur. Da die Politur zeitaufwändig sei, könne diese in der nächsten Sitzung nachgearbeitet werden. Im Falle einer Kontamination z. B. durch Speichel oder Blut, erläuterte Dr. Lenhard, sollte dekontaminiert werden, indem man alle Schritte der Adhäsivtechnik wiederholt. Bereits appliziertes Komposit könne hierbei wie Schmelz behandelt werden. Als wichtigen Hinweis gab Dr. Lenhard den Zuhörer*innen noch mit, nach dieser Technik auf jeden ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 37 Dentale Trickkiste. Dr. Bücking präsentierte für den Notfall seine Lösungen aus der dentalen Trickkiste. Pflegebedürftige Patient*innen. Prof. Dr. habil. Nitschke beleuchtete die Besonderheiten im Umgang mit Senior*innen. Parodontologie. Prof. Dr. Ratka-Krüger bot einen Einblick in ihr bewährtes Behandlungskonzept im Berich PAR. Fall den Handschuh zu wechseln, da die Monomere in Kompositen innerhalb von drei bis fünf Minuten den Latexhandschuh durchdringen und zu Kontaktallergien führen können. Dentale Trickkiste. Nahtlos schloss sich an diese Thematik der Vortrag von Dr. Wolfram Bücking, Wangen im Allgäu, an, der für den prothetischen Notfall seine Lösungen aus der dentalen Trickkiste präsentierte. Der erfahrene Praktiker stellte zahlreiche Fälle aus seiner langjährigen Praxis vor, erläuterte Lösungsmöglichkeiten und gab viele hilfreiche Tipps und Tricks. Im Rahmen seiner Vorgehensweise definiert Dr. Bücking zuerst das Problem, ermittelt dann die Ursache und wählt in einem dritten Schritt das entsprechende Werkzeug und Material, um zu der in seinen Händen erprobten Lösung zu kommen. Er zeigte in seinem anschaulichen Vortrag Lösungsvorschläge für einen abgebrochenen Stiftzahn, eine verschluckte Teleskopkrone, die endodontische Behandlung und eine provisorische Brücke. Pflegebedürftige Patient*innen. Prof. Dr. habil. Ina Nitschke, Leipzig, berichtete unter dem Titel „Notfallbehandlung bei pflegebedürftigen Patienten“ von den Herausforderungen im Umgang mit Senior*innen. Häufige Krankheitsbilder bei geriatrischen Patient*innen seien Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparates, Tumorerkrankungen, chronische degenerative Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Demenz, Delir sowie Depression. Die Notfälle seien bei geriatrischen Patient*innen die gleichen wie auch sonst im zahnärztlichen Alltag, nur mit anderen Begleitumständen, betonte Prof. Nitschke. Faktoren wie hohes Alter, geriatrietypische Multimorbidität, Polymedikation und großer Hilfe- und Pflegebedarf stellten hier die besondere Herausforderung dar. Deshalb sei es wichtig, im Vorfeld möglichst umfassende Informationen zu sammeln, ob beispielsweise eine Einstufung in einen Pflegegrad vorliege. Häufig sei im Umfeld der Patient*innen eine Vielzahl an Personen involviert, wie Familienangehörige, die/der Hausärzt*in, Fachärzt*innen und Therapeut*innen sowie professionelle Pflege, ehrenamtliche oder gesetzliche Betreuer*innen. Im Blick auf die Nachsorge sollten diese Informationen im Anamnesebogen erfragt werden, denn „je besser die Notfallsituation organisiert ist, desto einfacher ist es hier zu wirken“. Für die Behandlung von Senior*innen in der Praxis empfahl Prof. Nitschke, eine konzentrationsfördernde Umgebung zu schaffen und die Behandlungsschritte für die Patient*innen transparent zu gestalten. Eine patientengerechte Gesprächsführung sowie funktionsgerechte Kommunikationsmittel seien unerlässlich. Prof. Nitschke riet darüber hinaus zu einer überschaubaren Kostenvereinbarung, sensibler Terminvergabe unter Berücksichtigung von Faktoren wie Inkontinenz und auch das Verhältnis von Aufwand und Nutzen in Betracht zu ziehen. Parodontaler Notfall. Über parodontale Notfälle referierte Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Freiburg, im letzten Vortrag des Tages. Immer wieder treten, so Prof. Ratka- Krüger, in der Praxis Notfälle auf, die zunächst harmlos aussehen, die Zahnärztin oder den Zahnarzt jedoch differentialdiagnostisch vor Entscheidungen stellen. Die nekrotisierende Gingivitis und Parodontitis erforderten ein sofortiges Handeln, ebenso wie Abszesse des Parodonts. Die Dia gnose einer nekrotisierenden ulzerierenden Gingivitis oder Parodontitis könne klinisch gestellt werden. Durch vorsichtige Belagsentfernung und eine zweimalige häusliche Spülung mit 0,1 bis 0,2-prozentiger Chlorhexidingluconatlösung erreiche man rasche Schmerzlinderung. Antibiotika sollten nur bei Fieber und Lymphknotenschwellung verordnet werden. Eine internistische Untersuchung sei anzuraten und nach Abschluss der Akutphase eine parodontale Untersuchung und ggf. systematische Behandlung. Ein parodontaler Abszess müsse diagnostisch von einer apikalen Parodontitis bzw. Endo-Paro-Läsion abgegrenzt werden. Hier biete sich die Drainage des Abszesses über die Tasche oder eine Inzision an, so Prof. Ratka-Krüger, da dies eine schnelle Linderung der Beschwerden verschaffe. Sie empfahl, einen Jodoformstreifen in die Tasche einzulegen, und nur bei reduziertem Allgemeinzustand und Ausbreitungstendenz Antibiotika zu verordnen. Auch hier sollte nach Abschluss der Akutphase eine parodontale Behandlung erfolgen. Gabriele Billischek www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021

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