34 Fortbildung 45. Jahrestagung der südbadischen Zahnärzteschaft Notfälle in der zahnärztlichen Praxis Unter dem Motto „Wenn ein Malheur passiert – Notfälle und Komplikationen in der Zahnarztpraxis“ fand am 23. und 24. April die 45. Jahrestagung der südbadischen Zahnärztinnen und Zahnärzte im Online-Format statt. Expert*innen aus den verschiedensten Bereichen beleuchteten aus der Perspektive ihrer jeweiligen Fachrichtung den Umgang mit zahnärztlichen Notfällen. Die Teilnehmer*innen nutzten die Gelegenheit, sich über verschiede Ansätze und Therapiemöglichkeiten zu informieren und ihr Repertoire an praktischen Tipps zu ergänzen. Der Vorsitzende der BZK Freiburg, Dr. Peter Riedel, präsentierte die 45. Jahrestagung der südbadischen Zahnärztinnen und Zahnärzte als einen Kongress der besonderen Art, da im Rahmen der Vorbereitungen bereits frühzeitig entschieden wurde, neue Wege zu gehen und die Fortbildung im Live-Stream zu präsentieren. Und so fanden sich dann auch nur die Referent*innen in Rust ein. Der große Zuspruch unter der Kollegenschaft sei eine Bestätigung für dieses Konzept, so Dr. Riedel, auch wenn auf so manches lieb gewonnene Rust-Detail verzichtet werden müsse. Das praxisnahe Fortbildungsprogramm, das vom wissenschaftlichen Leiter Prof. Dr. Elmar Hellwig zusammengestellt wurde, sorgte auch in diesem Jahr für spannende Diskussionen und neue Impulse. Risikopatient*innen. „Eine gute profunde Anamnese ist im Umgang mit zahnärztlichen Risikopatient*innen der Schlüssel zum Erfolg“, brachte Prof. Dr. Michael M. Bornstein, Basel, zu Beginn seines Vortrags deutlich zum Ausdruck. Ein Dilemma liege heutzutage in der Polypharmazie, da es mittlerweile sehr häufig vorkomme, dass Patient*innen fünf oder mehr Medikamente am Tag einnehmen. Mit zunehmendem Alter erhöhe sich das Risiko der Polypharmazie und der Multimorbidität. Da dies ein dynamischer Prozess sei, müsse auch die Anamnese ein konstantes Update erfahren. Er wies darauf hin, dass viele verschiedene Medikamente, wenn sie gleichzeitig genommen werden, Wechselwirkungen haben. Die Grundlage der Komplikationsprophylaxe sei deshalb eine fundierte Anamnese, um Risikopatienten zu erkennen. „Idealerweise sollten potenzielle Risiken frühzeitig erkannt werden, um mit Komplikationen und Misserfolgen richtig umgehen zu können, wenn sie auftreten“, unterstrich Prof. Bornstein. Als wichtigste Take-Home-Message gab er seinen Zuhörer*innen mit, bei den Patient*innen immer nachzufragen, welche und wie viele Medikamente sie einnehmen. Bei Unklarheiten oder Unsicherheiten empfahl er lieber einmal mehr nachzufragen, oder an einen Spezialisten zu überweisen. Mundschleimhautveränderungen. Prof. Dr. Andrea Maria Schmidt- Westhausen, Berlin, gab unter dem Titel „Wenn es im Mund brennt – Was tun bei schmerzhaften Mundschleimhautveränderungen?“ einen Überblick über Epidemiologie, Erscheinungsformen, Ursachen und Therapiemöglichkeiten von schmerzhaften Mundschleimhautveränderungen. Sie fasste die wichtigsten Praxistipps knapp und einprägsam zusammen. Zur Behandlung von Aphten empfahl sie Triamcinolonsalbe (drei Mal tägl.) oder die Anwendung 5-prozentiger Tetracyclin-Mundspülung fünf Mal täglich für fünf Minuten. Bei Candida-Infektionen sei die Länge der Therapie ausschlaggebend: Man könne entweder Nystatin (z. B. als Mundgel) oder Amphotericin B (Lutschtabletten) über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen verabreichen. Oraler Lichen planus könne ebenfalls mit Triamcinolonsalbe oder Clobetasol behandelt werden, wobei es sich bei letzterem um einen Off-Label-Use handle, weshalb hier Vorsicht geboten sei. Bei Herpes-Zoster-Infektionen sei eine frühzeitige Erkennung wichtig Eröffnung. Die 45. Jahrestagung der südbadischen Zahnärztinnen und Zahnärzte fand in diesem Jahr coronabedingt im Online- Format statt. Der Vorsitzende der Bezirkszahnärztekammer Freiburg Dr. Peter Riedel (Foto li., r.) und der wissenschaftliche Leiter der Tagung, Prof. Dr. Elmar Hellwig, freuten sich über die zahlreichen Anmeldungen und das große Interesse an der Online-Tagung. ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 35 und dementsprechend eine schnelle Überweisung ins Krankenhaus. Sei dies nicht am gleichen Tag möglich, könne man mit Aciclovir oral 800 mg überbrücken. In jedem Fall bestehe jedoch sofortiger Handlungsbedarf. Abschließend betonte sie, dass bei Läsionen, die nicht innerhalb von 14 Tagen abgeheilt seien, auf jeden Fall eine Biopsie erfolgen müsse. Festvortrag. Für den Festvortrag konnte Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm, gewonnen werden. Unter dem Titel „Menschliche und maschinelle Intelligenz – Wie es funktioniert und was das für uns bedeutet“ spannte er den Bogen von der Neurowissenschaft über die unterschiedliche Funktionsweise von menschlichen Gehirnen und Computern bis zur künstlichen Intelligenz und wie sie heutzutage von großen Unternehmen gewinnbringend eingesetzt wird. Seine Kernaussage: „Wir leben in einer Zeit, die noch nie so spannend und verrückt war, weil noch nie in der Menschheitsgeschichte Maschinen gebaut wurden, die so funktionieren wie wir denken. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie besser sind als wir. Wir können mittlerweile Menschen im großen Stil manipulieren.“ Und er fügte hinzu: „Unsere wichtige Aufgabe dabei wird sein, dass wir dieses Wissen zum Vorteil aller nutzen und nicht nur zum Nutzen der fünf reichsten Firmen der Welt.“ Endodontie. Am Nachmittag widmete sich Dr. Christoph Zirkel, Festvortrag. In seinem spannenden und kurzweiligen Vortrag nahm Prof. Dr. Dr. Spitzer immer wieder Bezug auf aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen und berichtete über Risiken und Gefahren der Künstlichen Intelligenz. Köln, dem endodontischen Notfall. In seinem praxisnahen Vortrag gab er viele Tipps für den zahnärztlichen Alltag, wie zum Beispiel in der Praxisstruktur bestimmte Schmerzzonen einzurichten. Beispielsweise könne montags um 10 Uhr und freitags um 12 Uhr jeweils ein Korridor von 20 bis 30 Minuten für Schmerzpatienten freigehalten werden, damit diese besser in den Praxisablauf integriert werden können. Dr. Zirkel klärte darüber auf, dass Schmerztherapie nicht mit Endodontie gleichzusetzen sei, da die Wurzelkanalbehandlung im Zweifelsfall einer der aufwändigsten Therapieschritte in der Zahnarztpraxis sei. Deshalb empfahl er in einem ersten Schritt, die Schmerzen auszuschalten, damit die weitere Vorgehensweise geplant werden könne. Dr. Zirkel riet den Zuhörer*innen eine allgemeine und spezielle Anamnese zu erheben, und die Beschwerden der Patient*innen ernst zu nehmen und ihnen zuzuhören. Neben der Standarddiagnostik wie Inspektion und Palpation sowie Perkussion, Sensibilitätstest und PA-Sondierung solle ein aktuelles Röntgenbild und bei Bedarf ein DVT angefertigt werden. Vor der Behandlung müsse im Vorfeld zwischen odontogenen und nicht odontogenen Schmerzen differenziert werden, die beispielsweise durch Sinusitis, Neoplasie, Migräne, Aphten oder eine Trigeminusneuralgie verursacht werden. Bei Zweifeln und erträglichen Schmerzen sollte auf jeden Fall abgewartet werden. Bei unklarer Diagnose solle auf keinen Fall eine invasive Therapie durchgeführt werden, auch nicht auf Wunsch der Patientin oder des Patienten. Abschließend riet Dr. Zirkel, die Differentialdiagnosen in Betracht zu ziehen, und auch fachübergreifende Überlegungen anzustellen. Risikopatient*innen. Prof. Dr. Bornstein referierte zum Thema zahnärztliche Notfälle bei Risikopatient*innen. Mundschleimhaut. Prof. Dr. Schmidt- Westhausen gab einen Überblick über die Erkrankungen der Mundschleimhaut. Endodontie. Dr. Zirkel widmete sich in seinem praxisnahen Vortrag dem endodontischen Notfall. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021
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