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Zahnmedizinischer Nachwuchs

Ausgabe 7/2021

22 Berufspolitik

22 Berufspolitik Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer „Sie haben Geschichte geschrieben“ Foto: BZÄK/axentis.de Auf der außerordentlichen Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer am 4. und 5. Juni 2021 in Berlin wurden die Wahlen des Geschäftsführenden Vorstandes nachgeholt, die coronabedingt im Herbst 2020 nicht stattfinden konnten. Die Delegierten wählten Prof. Dr. Christoph Benz zum neuen Präsidenten sowie Konstantin von Laffert zum neuen Vizepräsidenten und Dr. Romy Ermler zur neuen Vizepräsidentin. Neu. Der neue Geschäftsführende Vorstand der BZÄK mit Dr. Romy Ermler, Konstantin von Laffert und Prof. Dr. Christoph Benz (v. l.). „Wir bedanken uns für das Vertrauen der Delegierten und werden unsere neue Aufgabe als Geschäftsführender Vorstand mit großem Eifer und hoher Motivation zukunftsgerichtet angehen. Unser Ziel ist es, die hervorragende tagtägliche Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den Praxen bestmöglich zu unterstützen und zu erleichtern – in der anhaltenden Coronapandemie und darüber hinaus.“, so der neue Geschäftsführende Vorstand der BZÄK nach der Wahl. Neben der Wahl des Geschäftsführenden Vorstandes standen Wahlen für den Vorsitz der Bundesversammlung, den Finanzausschuss sowie den Rechnungsprüfungsausschuss an. Aus Baden-Württemberg wurden Dr. Eva Hemberger und Dr. Wolfgang Grüner in ihren Ämtern bestätigt: Dr. Eva Hemberger wurde mit den meisten Stimmen in den Finanzausschuss gewählt. Dr. Wolfgang Grüner wurde zum stv. Vorsitzenden der Bundesversammlung gewählt. Infektionsfreie Zone. Die außerordentliche Bundesversammlung begann am 4. Juni mit dem Grußwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Gesundheit, Dr. Thomas Gebhart. Dr. Gebhart bedankte sich bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten für ihren Beitrag zur Bewältigung der Pandemie und die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung unter erheblichen Belastungen. Lobend hob er den hohen Hygienestandard in den Zahnarztpraxen hervor, der während der Pandemie nochmals verbessert worden sei und die Zahnarztpraxis zur „infektionsfreien Zone“ gemacht habe, was die Zahlen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrspflege (BGW) eindrucksvoll belegten. Unser Markenkern. Seinen letzten Bericht als Präsident der BZÄK bedachten die Delegierten mit stehendem minutenlangem Applaus. Dr. Peter Engel bedankte sich für „Respekt und Wertschätzung“ während seiner 13-jährigen Amtszeit. Mit eindringlichen Worten schwor er den Berufsstand auf die Richtungswahl im September ein und skizzierte nochmals die drängenden Handlungsfelder: Stärkung des dualen Krankenversicherungssystems, Entlastung der Praxen von überbordender Bürokratie, Stärkung der freien Arzt- und Therapiewahl und Förderung einer praxistauglichen Digitalisierung. „Freiheit, Vertrauen, Verantwortung – das ist das Wesen der Freiberuflichkeit, das sind unsere Werte und unser Markenkern!“ Drei Anträge aus BW. Unter Top 7 ‚Ziele und Aufgaben der BZÄK‘ ließ Versammlungsleiter Dr. Kai Voss über die politischen Anträge abstimmen. Gleich drei Anträge – Ablehnung der Bürgerversicherung, Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin und Hände weg von der Altersversorgung der Zahnärzteschaft – kamen aus Baden-Württemberg und fanden ein einstimmiges Votum unter den Delegierten. Eine große Mehrheit fand auch die Resolution des BZÄK-Vorstandes zur Zukunft des Gesundheitswesens sowie die Anträge zum GOZ-Punktwert, der PKV Hygienepauschale, zur Approbationsordnung, drei europapolitischen Anträgen zu Amalgam, der Kommerzialisierung der nationalen Gesundheitssysteme und der Forderung nach einer bürokratiearmen Umsetzung des Verhältnismäßigkeitstests sowie zur TI 2.0, zur Stärkung des humanitären Engagements der Zahnärzteschaft und der Partizipation von Zahnärztinnen in den Gremien der zahnärztlichen Selbstverwaltung. Dem neuen BZÄK-Präsidenten Prof. Benz gehörte das Schlusswort und er bescheinigte den Delegierten, Geschichte geschrieben zu haben: Erstens bei der Pandemiebewältigung und zweitens durch die erstmalige Wahl einer Frau in den geschäftsführenden Vorstand. Die nächste BZÄK-Bundesversammlung findet von 28. bis 30. Oktober 2021 in Karlsruhe statt. „Ich freue mich auf die Gastfreundschaft der Baden- Württemberger“. Andrea Mader ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 23 Kammer Konversation Welche Lehren ziehen wir aus der Pandemie? Seit über einem Jahr beschäftigt uns die COVID-19-Pandemie. In der Anfangsphase wurde unter hohem Zeitdruck und großer Unsicherheit über Maßnahmen entschieden. Im weiteren Verlauf der Krise rückten neben medizinischen und biologischen auch sozialwissenschaftliche, ethische und rechtliche Fragen in den Vordergrund. Aktuell wird es immer wichtiger, die gewählten Strategien mit Blick auf ihre Wirksamkeit, Angemessenheit und Berechtigung eingehender zu prüfen – um über die Bewältigung der aktuellen Problemlage hinaus Orientierung für den Umgang mit zukünftigen Pandemien zu gewinnen. Die Gesellschaft braucht jetzt und in Zukunft einen normativen Kompass in der Pandemie. Dieser Kompass ist der Deutsche Ethikrat. Er beschäftigt sich mit den normativen Fragen des Umgangs mit der Pandemie. Im Rahmen der Reihe „Kammer Konversation“ hat LZK-Vizepräsident Dr. Bert Bauder mit Prof. Dr. Franz-Josef Bormann gesprochen. Prof. Bormann ist Lehrstuhlinhaber für Moraltheologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen und eines der 24 Mitglieder des Deutschen Ethikrates. Die Mitglieder des Ethikrates werden je zur Hälfte von der Bundesregierung und den Parteien vorgeschlagen und vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ernannt. Prof. Bormann ist seit 2016 Mitglied des Ethikrates. Die Berufung ist zeitlich befristet. Die maximale Verweildauer beträgt acht Jahre. Prof. Bormann befindet sich in seiner zweiten Amtsperiode, sie endet 2024. Die Arbeit des Ethikrates ist sehr vielfältig. Einmal im Monat finden Plenarsitzungen statt. Die Hauptarbeit wird in den Arbeitsgemeinschaften geleistet. Nach außen sichtbar wird diese Arbeit in Form von Stellungnahmen, die alle auf der Homepage des Deutschen Ethikrates frei im Volltext heruntergeladen werden können. Sie bearbeiten Themen nach eigener Wahl sowie im Auftrag von Ministerien oder dem Bundestagspräsidenten. Im Verlauf der Pandemie beauftragte die Politik den Deutschen Ethikrat sehr häufig. Dr. Bauder: Man hat den Eindruck, dass der Ethikrat erst seit Weihnachten stärker präsent ist. Täuscht der Eindruck oder waren Sie von Anfang an involviert? Prof. Bormann: Ich denke, man muss hier zwischen öffentlicher Wahrnehmung und der tatsächlichen Chronologie der Ereignisse unterscheiden. Der Rat wurde in einer relativ frühen Phase, als noch viele naturwissenschaftliche Fragen rund um das Virus zu klären waren, das erste Mal vom Bundesgesundheitsminister angefragt, eine Stellungnahme zu Immunitätsnachweisen zu erarbeiten. Zu Beginn der Pandemie erfolgte die Beratung der Politik fast ausschließlich durch Virologen. Man hätte sich gewünscht, dass auch andere Fachgebiete stärker eingebunden worden wären. Ich gebe Ihnen Recht, der Fokus war anfangs sehr stark auf die Virologen gerichtet. Aktuell arbeiten wir an einer Stellungnahme zur Pandemiebewältigung, eine Art Lessons-Learned-Empfehlung. Es geht unter anderem um die strukturellen Defizite, die es beim Umgang mit der Pandemie ganz offensichtlich gegeben hat. Eine der Fragen ist auch, wer wird politisch gehört? Welche Expertise baut eine politische Entscheidungsarchitektur auf? Ist das einseitig oder ausgewogen? Man darf eine so komplexe Herausforderung wie die Coronapandemie nicht aus einer monodisziplinären Perspektive betrachten, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Man muss verschiedene Sichtweisen einnehmen, nur so kommt man zu einer tragfähigen Gesamtstrategie. Man kann sich durchaus die Frage stellen, ob es in Deutschland überhaupt jemals eine solche Strategie gegeben hat. Gerade zu Beginn der Pandemie ist moniert worden, dass viel zu wenig Daten gesammelt wurden über das tatsächliche Infektionsgeschehen, sodass de facto politische Entscheidungen ohne ausreichende Sachkenntnis getroffen wurden. Eine Lehre ist daher, dass man sich künftig früh darum bemühen muss, eine breite empirische Wissensgrundlage aufzubauen. Das könnte man durch eine großflächige Testungsstrategie erreichen, um zu erkennen, wo tatsächlich Hotspots für Infektiosität bestehen. Ist es das Reisen, die Schule oder der Besuch von Fitnesscentern oder Konzerten und Restaurants? Das ist wichtig, um dann viel zielgenauer entsprechende politische Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie kalibrieren zu können. Manche Ethikerinnen und Ethiker haben meiner Ansicht nach zu Recht kritisiert, dass teilweise politische Entscheidungen im Blindflug erfolgten, ohne ausreichende empirische Datenbasis. Einen letzten Satz dazu: Natürlich ist es wichtig, die Mortalität im Blick zu haben, aber es gibt vielfältige andere Güter, die eine www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021

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