20 Titelthema Eigene Praxis und Familie Zahnärztin Vivian Kellermann im Interview Vivian Kellermann (47), niedergelassene Zahnärztin aus Leinfelden- Echterdingen und Mutter zweier Kinder (18 und 19 Jahre), erzählt im Interview von Solidarität unter Frauen und den Herausforderungen, Praxisalltag und Familie unter einen Hut zu bringen. dann wäre in der Wahrnehmung der anderen immer er der Chef. Insofern war das schon eine ganz bewusste Entscheidung. ZBW: Frau Kellermann, Sie sind niedergelassene Zahnärztin und führen eine eigene Praxis mit einer weiteren angestellten Kollegin, die in Teilzeit in Ihrer Praxis arbeitet. Was waren Ihre Beweggründe für die Niederlassung in einer Einzelpraxis? Vivian Kellermann: Als ich Examen gemacht habe, gab es keine Möglichkeit für eine Anstellung. Damals hieß es: Entweder du machst dich selbständig oder du bleibst an der Uni. Und eine Tätigkeit in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG/ ÜBAG)? Das hätte ich auch gemacht. Die Möglichkeit zu einer Altersübernahme hat sich dann zufällig ergeben. Der Kontakt zu Dr. Ulrich Noll kam während meiner Assistenzzeit über das Dentaldepot zustande: Dr. Noll war auch Mitglied des Landtags und hat in seiner Praxis nur noch an zwei halben Foto: V. Kellermann Tagen pro Woche eine Sprechstunde angeboten. Er wollte die Praxis noch fünf Jahre weiterführen und dann aufhören. Im Zuge dessen habe ich die Praxis übernommen. Sie sind eine reine Frauenpraxis: War das eher Zufall oder haben Sie sich bewusst eine Kollegin mit ins Boot geholt? Ich gebe zu, dass ich das ganz bewusst getan habe. Was war Ihre Motivation? (Lacht) Zum einen habe ich nicht promoviert. Wenn mein Solidarität. In der Praxis von Vivian Kellermann wird Solidarität unter Frauen aktiv gelebt. Mann mich abends zu meinem Notdienst begleitet hat, lief das oft so ab: Die Patient*innen haben mich angerufen und über Schmerzen geklagt. Als sie in der Praxis ankamen, fragten Sie meinen Mann: „Sind Sie der Chef?“ Das hat mich gestört. Mein Gedanke war: Wenn ich frisch anfange, ohne Titel, und mir dann einen Kollegen mit in die Praxis hole – Die Frauenpraxis – wird das so auch von den Patient*innen wahrgenommen? Es wird zum Teil so wahrgenommen, ja. Zahnärztinnen werden immer als die sanfteren unter den Kolleg*innen wahrgenommen. Es gibt Patient*innen, die würden nicht zu einem Mann gehen, weil sie meinen, wir Frauen seien zarter. Ob das so ist, weiß ich nicht – wenn ein Zahn raus muss, muss er raus. Umgekehrt gibt es sicher auch Patient*innen, die nicht zu einer Zahnärztin gehen würden. Ich glaube, die Patient*innen entscheiden sich bewusst für einen Zahnarzt oder eine Zahnärztin. Zum Beispiel beobachten wir in der Praxis, dass manche Frauen auch aus religiösen Gründen eine Zahnärztin und eben nicht einen Zahnarzt aufsuchen. Als Mutter und Zahnärztin: Wie bekommen Sie Familie und Beruf unter einen Hut? Es war nie einfach, vor allem, als die Kinder noch klein waren. Ich habe meine Kinder dann mit in die Praxis genommen. Meine Mitarbeiterinnen, zum Teil selber auch Mütter, haben meine Kinder gewickelt und betreut. Wenn die Kinder meiner Mitarbeiterinnen krank sind, dann bleiben andere Kolleginnen auch mal länger oder springen ein. Wir haben hier im Büro auch ein Schlafsofa, da gibt es Spielsachen und Buntstifte. Wir sind da ganz flexibel. Untereinander gibt es eine große Solidarität. ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 21 Sind Sie mit anderen Zahnärztinnen vernetzt, findet hier ein Austausch statt? Es gibt Freundinnen, die in ähnlichen Situationen sind. Aber heute ist das alles anders: Viele Frauen mit Kinderwunsch lassen sich erst mal anstellen. Früher musste man sich nach der Assistenzzeit halt was einfallen lassen. Heute geht das mit der Service Newsletter „Zahn & Zukunft“ für angestellte Zahnärzt*innen Für die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg ist es wichtig, auch die Belange der angestellten Zahnärzt*innen zu vertreten. Mit unserem Newsletter „Zahn & Zukunft“ richten wir uns direkt an Zahnärzt*innen, die als Angestellte in einer Praxis tätig sind. Angestellte Zahnärzt*innen beschäftigen oft andere Themen als ihre niedergelassenen Kolleg*innen, beispielsweise das Arbeiten in Teilzeit, Fragen zur Gewinnbeteiligung oder zur Niederlassung. In einer Abfrage unter angestellten Zahnärzt*innen hat sich gezeigt, dass es ein hohes Bedürfnis an Informationen und Transparenz gibt. Diesem Bedürfnis kommen wir gerne nach. Angestellte Zahnärzt*innen erhalten den Newsletter in der Regel automatisch. Sie erhalten den Newsletter noch nicht, würden ihn aber gerne lesen? Dann schreiben Sie uns einfach eine kurze Nachricht an presse@ kzvbw.de oder melden Sie sich direkt unter www.kzvbw. typeform.com/to/udQLIU an. Der QR-Code bringt Sie direkt zu den Ausgaben von „Zahn & Zukunft“ auf die Seite der KZV BW. Alternativ finden Sie die aktuelle Ausgabe auch unter https://www. kzvbw.de/aktuelles/zahnzukunft/. Anstellung. Ich erinnere mich an eine strukturierte Fortbildung, an der Schwangere teilgenommen haben. Das war früher undenkbar. Was würden Sie jungen Zahnärztinnen raten, die mit dem Gedanken spielen, sich niederzulassen? Lass dich zuerst anstellen, kümmere dich um eine gute Fort- und Weiterbildung, sammle viel Erfahrung. Und das mit der Erfahrung ist für uns Frauen ja so eine Sache: Erst Examen, dann Assistenzzeit und irgendwann kommt dann der Kinderwunsch – so war das bei mir. Ich hätte vorher gern mehr Erfahrungen gesammelt. Kinder sind ja irgendwo immer ein Risiko: Was mache ich, wenn sie krank werden? Wo kriege ich die Betreuung her? Sich erst auf die Niederlassung konzentrieren, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Das Schöne an der Niederlassung ist die Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit. Wir haben damals mit zwei Zimmern angefangen, Professionelle Zahnreinigung war für viele ein Fremdwort. Heute besteht das Team aus zehn Mitarbeiterinnen, wir haben vier Zimmer und ich würde mich gern noch weiter vergrößern. Die Rahmenbedingungen werden allerdings immer enger. Wo Sie die Rahmenbedingungen ansprechen: Was müsste sich ändern, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch besser gelingen kann? (Sehr schnell) Weniger Bürokratie. Ganz dringend. Diese ständigen Überprüfungen, Kontrollen und Checks. Das ist einfach zu viel. Wir arbeiten sehr gut und ordentlich. Ich finde es super, dass Fortbildungen jetzt auch digital angeboten werden. Das ist genial, gerade auch für Praxisinhaber*innen mit Kin- dern. Diese Flexibilisierung ist gerade für junge Mütter ein großer Fortschritt. Info Das Gespräch führte Alexander Messmer Newsletter „Alles unter einen Hut“ Familie und Beruf zu vereinbaren, ist nicht immer leicht. Innerhalb der Zahnärzteschaft ist dies eine große Herausforderung. In unseren Ausgaben von „Alles unter einen Hut“ teilen wir Best-Practice-Ideen, informieren über Leistungen etwa beim Thema Mutterschutz oder geben Tipps zum familienfreundlichen Praxismanagement. Damit wollen wir Sie unterstützen, die Gegensätze von beruflichen und privaten Zielen zu überwinden. So können Sie sich für den Newsletter anmelden: Schritt 1: Scannen Sie den QR- Code. Dieser führt Sie auf unsere Internetseite. Schritt 2: Klicken Sie auf den Butten „Newsletter abonnieren“ im oberen blauen Feld. Schritt 3: Tragen Sie Ihre E-Mail- Adresse in das Kontaktformular ein. Der QR-Code bringt Sie direkt zu den Ausgaben von „Alles unter einen Hut“ auf der Seite der KZV BW. Alternativ finden Sie die aktuelle Ausgabe auch unter https:// www.kzvbw. de/aktuelles/ praxisalltagfamilie/. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021
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