16 Titelthema Existenzgründer*innen im Gespräch mit dem Zahnärzteblatt Gründermut Aktuell gibt es laut Angaben der BZÄK in Deutschland insgesamt 97.372 Zahnärzt*innen, 72.592 davon sind zahnärztlich aktiv. 50.022 sind in eigener Praxis niedergelassen und 22.570 befinden sind in einem Angestelltenverhältnis. Jährlich gibt es schätzungsweise rund 500 Neugründungen. Es gibt viele gute Gründe, warum sich der Schritt in die Selbständigkeit lohnt, dennoch erfordert er auch einiges, Mut beispielsweise, aber auch Kapital, eine Vision der zukünftigen Praxis und der Behandlungsschwerpunkte. Praxisvermittlerin analysiert hatte, waren Dinge wie eine günstige Nahverkehrsanbindung mit einer Bushaltestelle direkt vor der Tür, ein barrierefreier Zugang, genügend Parkplätze für Patient*innen und mindestens fünf mögliche Behandlungszimmer für mich wichtig. Gründer*innen kurbeln Innovationen an, sie schaffen Arbeitsplätze und fördern Wachstum. Sie sind das Fundament einer zukunftsorientierten und zukunftsfähigen Gesellschaft. Doch was braucht es, um selbständige*r Zahnärzt*in in eigener Praxis zu werden, wo liegen die Hürden und was gilt es zu beachten? Drei Gründer*innen im Gespräch mit dem ZBW. Gründung ohne Dentaldepot unter Einbezug eines Medizin-Architekten Dr. Frank Ulbricht kommt aus einer Zahnarztfamilie und studierte zunächst einige Semester Betriebswirtschaft/Unternehmensführung, bevor er schließlich ganz zur Zahnmedizin wechselte. Seine Praxis hat er im Januar 2019 ohne Depot eröffnet – zu diesem Zeitpunkt hatte er fünf Jahre Berufserfahrung. Alle notwendigen Aufträge hat er selbst vergeben. Stand heute hat er drei angestellte Ärzt*innen, darunter einen Oralchirurgen, einen allgemeintätigen Kollegen und eine Assistenzzahnärztin und sieben ZFAs. Zudem besteht die Kooperation mit einem Anästhesisten. Wann stand für Sie fest, dass Sie in eigener Praxis arbeiten wollen? Dr. Frank Ulbricht: Ich habe mich von Anfang an für eine konsequente Digitalisierung der Praxis entschieden. Darauf bin ich sehr stolz und dies hat es mir auch ermöglicht bereits drei Monate vor Eröffnung über 60 Patienteneinbuchungen online in meinem Bestellbuch zu haben. In den verschiedenen Praxen sah ich neben der Patientenbehandlung diverse Konzepte hinsichtlich Organisation, Personalmanagement, Abrechnung etc., die sich nicht immer mit meinen Vorstellungen deckten und auch die Umsetzung eigener Ideen blieb mir im Angestelltenverhältnis meist verwehrt. Deshalb gab es für mich nur den Weg in die Selbstständigkeit. Wie haben Sie schlussendlich Ihre Praxisräumlichkeiten gefunden? Durch Zufall, da im Fenster ein großes Schild „Büroräume zu vermieten“ hing. Durch gewisse Vergleiche von verschiedenen Praxen aus den Exposés, die ich mit einer Was war rückblickend betrachtet, die wertvollste Entscheidung? Dass ich die gesamte Praxis ohne Depot aufgebaut habe. Der Ausbau wurde von einem renommierten Architekturbüro aus Karlsruhe begleitet. Dies war für ein Gelingen des Ausbaus immens wichtig. Es gibt heute so viele Vorschriften, ohne deren Expertise wäre dies nicht möglich gewesen. Natürlich hat ein Medizinarchitekt seinen Preis, aber im Nachhinein war es jeden Euro wert. Dafür habe ich aber bewusst auf die Zusammenarbeit mit einem Depot verzichtet. Ich habe alles in Zusammenarbeit Foto: privat ZBW 7/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 17 mit dem Architekten oder selbst gezeichnet bzw. geplant. Was bezeichnen Sie selbst als größte Errungenschaft? Ich habe mich von Anfang an für eine konsequente Digitalisierung der Praxis entschieden. Darauf bin ich sehr stolz und dies hat mir es auch ermöglicht, bereits drei Monate vor Eröffnung über 60 Patienteneinbuchungen online in mein Bestellbuch zu haben. Somit war die Praxis von Anfang an besucht und es ging ohne größere Löcher bis heute stetig voran. Die Gründung einer Zahnarztpraxis ist ein langfristiger und komplexer Prozess, der nicht immer einfach und reibungslos funktioniert. Gab es in Ihrem Fall große Überraschungen oder unerwartete Herausforderungen? Die größte Herausforderung für mich ist heute noch die Abrechnung. Hier kann man die größten Fehler machen, die sich fatal auf die Wirtschaftlichkeit auswirken können. Mein Glück war, dass ich das Praxisprogramm bereits drei Monate vor Eröffnung einrichten konnte und dadurch auch lange genug Zeit hatte darüber nachzudenken wie etwas abgerechnet werden soll und darf. Alles in allem ist Ihre Praxis inzwischen gelebte Realität geworden. Inwieweit konnten Sie Ihre Vorstellungen und individuellen Wünsche auf Ihr Praxiskonzept umsetzen? Gibt es Bereiche, in denen dies nicht gelungen ist? Würden Sie heute etwas anders angehen? Kleinere Praxen aufzukaufen und bei der Gründung auf diese Materialien und Gerätschaften zuzugreifen. Zangen, Hebel, Instrumente und portable gebrauchte Geräte können die Finanzierung deutlich erleichtern. Vor einer Gründung sollte zudem jede*r für sich entscheiden, was sie*er gerne behandeln möchte. Erst wenn diese Entscheidung gefallen ist, macht es Sinn, an die Umsetzung einer Selbstständigkeit zu denken. Damit meine ich Schwerpunktpraxen, egal ob für Chirurgie, Endodontie oder auch Kinderzahnheilkunde, im Kontrast zu einer Praxis für die*den Generalist*in, denn die Planung der Räume kann dann bedarfsorientiert und somit ganz unterschiedlich ausgearbeitet werden. Übernahme einer ländlichen Bestandspraxis mit Anbindung zur Stadt Das Ehepaar Dr. Susanne und Dr. Dzenan Barking – sie Kieferorthopädin, er Zahnarzt und zertifizierter Endodontologe – machten sich Mitte 2020 in eigener Praxis selbständig. In ihrem Team arbeitet eine weitere Zahnärztin, aktuell im Mutterschutz, eine ZMV (Abrechnung) in Teilzeit, zehn Mitarbeiterinnen in Teilund Vollzeit und zwei Auszubildende. Dadurch, dass die beiden an keinen bestimmten Standort gebunden waren, entschieden sie sich für einen ländlicheren Standpunkt mit einer guten Anbindung zur Stadt. Wann stand für Sie fest, dass Sie in eigener Praxis arbeiten wollen? Dies stand eigentlich von vornherein fest. Einzig die Tatsache, dass ab 2018 immer mehr Z-MVZ mit größeren Praxen und Strukturen entstanden sind, hat uns anfangs verunsichert. Natürlich stellten wir uns die Frage, ob eine klassische „Einzelpraxis“ überhaupt noch zukunftsfähig ist. Letztlich haben wir unser Konzept ein wenig angepasst und am Ziel der eigenen Praxis festgehalten. Neugründung oder Übernahme? Gemeinschafts- oder Einzelpraxis? Stadt oder Land? War ihnen das von Anfang an klar? Nein, wir waren zunächst offen für alle Möglichkeiten. Am Ende unserer Überlegungen hatten wir uns für eine Neugründung am Bodensee entschieden und kamen mit den Planungen auch Ich würde heute nur noch in gekaufte Räumlichkeiten gehen. Zudem hatte ich ursprünglich die Möglichkeit, weitere 200 Quadratmeter im Obergeschoss hinzuzunehmen. Es war ein Fehler, das nicht zu tun, denn bereits jetzt, nach zwei Jahren, ist die Praxis viel zu klein. Wie lautet Ihr Rat an Kolleg* innen? Dr. Susanne und Dr. Dzenan Barking: Der Niederlassungsberater hat uns von Anfang an in sämtlichen Fragen unterstützt und die verschiedensten Projekte aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Er bot uns auch das Netzwerk aus Steuerberater, Rechtsanwalt, Banken und Dentaldepots an. Foto: privat www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2021
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