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Zahnmedizinische Versorgungszentren

Ausgabe 3/2020

Titelthema 9 Somit

Titelthema 9 Somit können medizinische Abläufe optimiert, spezialisiert und auch unternehmensinterne Fort- und Weiterbildungen effizienter gestaltet werden. In einem vierten Schritt wird versucht, für die eigenen Patienten regelmäßig zu verbrauchende Materialien wie beispielsweise Zahnersatz und Implantate mittels eigener Zahnlabore selbst herzustellen und anzupassen, wodurch sich eine spezifische, vollumfängliche Wertschöpfungskette ergeben kann, die dann europaweit genutzt und in einem fünften Schritt zu einer länderübergreifenden Zusammenarbeit führen kann. Ein international tätiger Gesundheitskonzern mit höheren Marktanteilen und dadurch mit mehr Marktmacht ist entstanden. Politisch gewollte Öffnung. Als Gründe für die gegenwärtig zunehmenden Übernahmeaktivitäten sieht Dr. Scheuplein die genannten gesetzlichen Änderungen seit 2004, die zu einer politisch gewollten Öffnung des Gesundheitsmarktes geführt haben. Hauptsächlich aber beruht die starke Zunahme der Kaufaktivitäten seit 2018 laut Studie auf einer erhöhten Nachfrage der PE-Gesellschaften für Gesundheitseinrichtungen, da die Zahl alternativ erwerbbarer Großunternehmen insgesamt zurückgegangen ist und der deutsche Gesundheitsmarkt mit seiner kleinteiligen Marktstruktur zu Transaktionen einlädt. Dazu stellt die wachsende Zahl verkaufsbereiter Praxisinhaber/innen für Großinvestoren ein ebenso willkommenes Angebot dar. » nemitz@lzk-bw.de Startjahr* Unternehmen Private-Equity- Gesellschaft Europäische Plattform 2015 Zahnstation Nordic Capital [Schweden] ** Dental Clinics, ca. 100 Standorte in NL, Schweiz 2015 Dr. Eichenseer/ Zanhnärztliche Tagesklinik Quadriga [Deutschland] Nein 2015 Implaneo EQT [Schweden] *** DentConnect/Curaeos, ca. 220 Standorte in NL und Skandinavien 2016 Zahneins PAI [Frankreich] + Nein 2018 Acura Investcorp [Bahrain] Angekündigt 2018 KonfiDents Altor Equity [Schweden] Nein 2018 Colosseum Dental Jacobs Holding [Schweiz] Southern Dental, Odonto Salute etc.; 260 Standorte u. a. in GB und Schweiz 2019 Alldent Castik Capital [Luxemburg/ Deutschland] * Einstieg einer Private-Equity-Gesellschaft ** bis 2/2018 Auctus *** bis 10/2017 Bencis + bis 11/2019 Summit Partners Investment. Zahnmedizin-Ketten in Deutschland im Eigentum von Private-Equity-Gesellschaften. Nein Quelle: Eigene Recherchen von Dr. Christoph Scheuplein, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen Anzeige © Rene Fietzek Schule machen! Weltweit gehen mehr als 200 Millionen Kinder nicht zur Schule. terre des hommes fördert Schulprojekte und sorgt für die Ausbildung von Jungen und Mädchen. Ihre Hilfe kann Schule machen. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrer Spende. www.tdh.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2020

10 Titelthema ZBW-Gespräch mit Dr. Christoph Scheuplein, Institut für Arbeit und Technik (IAT) Die Folgen werden erst in einigen Jahren sichtbar „Aktuell werden nicht nur die ambulante Patientenversorgung, sondern weite Teile des Gesundheitswesens durch den neuen Akteurstyp des finanzorientierten Investors herausgefordert“, betont Dr. Christoph Scheuplein vom Institut für Arbeit und Technik und spricht sich offen für ein Verbot aus. In Baden-Württemberg gibt es aktuell zwar nur vier Übernahmen in der Zahnmedizin, „aber dies muss nicht die Gesamtzahl an Praxisstandorten bzw. an MVZ beinhalten, die inzwischen in Baden- Württemberg übernommen worden sind.“ Das ZBW hat Dr. Scheuplein zu den Konsequenzen dieser fatalen Entwicklung für Patienten wie für die Einzelpraxen befragt. ZBW: Ist zu befürchten, dass durch die PEG/MVZ eine Zunahme der Gesundheitsleistungen (nicht medizinisch indiziert) und damit Mehrkosten für Patienten und Krankenkassen entstehen? Dr. Scheuplein: Einerseits wird erwartet, dass Zahnarztketten kostengünstiger arbeiten können, andererseits wird vermutet, dass sie mehr Leistungen verursachen. Bislang gibt es nur von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung eine Untersuchung zur Kostenentwicklung. Sie deutet darauf hin, dass pro Patient deutlich höhere Kosten bei investorengesteuerten Zahnarztketten als bei herkömmlichen Zahnarztpraxen anfallen. Welche Folgen haben die primären Rendite-Interessen für Patienten, z. B. hinsichtlich Qualität und Therapiefreiheit? Der Erwerb von medizinischen Versorgungszentren in Deutschland ist erst im Jahr 2017 so richtig in Schwung gekommen. Daher sind die neuen Investoren vor allem mit dem Kauf von Praxen beschäftigt, nicht mit der Reorganisation betrieblicher Abläufe. Die aktuellen Diskussionen in den USA, wo Private Equity bereits vermehrt Gesundheitseinrichtungen übernommen haben, lassen jedoch auch auf schwerwiegende Folgen für die Patienten schließen, wobei diese wohl eher auf der Kostenseite als auf der Qualitätsseite entstehen. Experte. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeit und Technik (IAT) an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen hat Dr. Christoph Scheuplein eine explorative Studie mit dem Titel „Übernahmen durch Private Equity im deutschen Gesundheitssektor“ veröffentlicht. Welche Konsequenzen wird die Kommerzialisierung bzw. Entstehung zahnmedizinischer Konzerne für die herkömmlichen kleinen zahnärztlichen Einzelpraxenstrukturen haben? Eine Zahnmedizin-Kette wird möglicherweise wirtschaftlich effizienter sein. Für die Patienten könnten sich daraus Vorteile ergeben, z. B. Öffnungszeiten bis in den späten Abend und an Wochenenden. Dies würde die verbliebenen Einzelpraxen langfristig einem starken Wettbewerbsdruck aussetzen. Würden Sie ein generelles Verbot des Eingriffes von Fremdinvestoren in das deutsche Gesundheitswesen für sinnvoll halten? Ja, wenn wir mit „Fremdinvestor“ primär finanzorientierte Investoren meinen. Aktuell werden nicht nur die ambulante Patientenversorgung, sondern weite Teile des Gesundheitswesens durch diesen neuen Akteurstyp herausgefordert. Hier werden neue Unternehmensstrukturen geschaffen, deren Folgen vermutlich erst in einigen Jahren sichtbar werden. Foto: IAT Ist mit dem Terminserviceund Versorgungsgesetz (TSVG), das seit Mai 2019 in Kraft getreten ist, ein ausreichender Schutz zum maßvollen Stopp solcher Großfinanztransaktionen gegeben oder benötigt es zusätzliche gesetzliche Restriktionen? Die Regulierung im TSVG dürfte durchaus Wirkungen zeigen und es kann die Übernahmen einer einzelnen Zahnarztkette in einem Planungsbereich beschränken. Allerdings agieren mindestens acht Ketten in Deutschland – deren summierter Marktanteil in einem Planungsbereich kann somit beachtlich ausfallen. Die Fragen stellte Rocco Nemitz ZBW 3/2020 www.zahnaerzteblatt.de

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