Fortbildung 35 Insgesamt ist anzunehmen, dass ein besseres Verständnis der Rolle des Mikrobioms sowie spezifischer bakterieller Profile nicht nur auf diagnostischer Ebene von Relevanz sein könnte, sondern auch therapeutische Implikationen hätte im Zusammenhang mit oraler und gastrointestinaler Mukositis [28, 32]. Ausblick. Bisher sind spezifische präventive Konzepte zum Erhalt der Mundgesundheit bei Risikogruppen in der Zahnmedizin unterrepräsentiert. In der Zahnmedizin ist die Identifikation neuartiger prognostischer Marker notwendig und gerade für Hochrisikopatienten von hoher klinischer Relevanz. Ausgehend vom oben geschilderten aktuellen Stand der Forschung ist es für die Zahnheilkunde von hoher Relevanz, prospektive longitudinale Studien durchzuführen. Hierbei ist von besonderem Interesse, welchen Einfluss eine allogene Stammzelltransplantation auf die Zusammensetzung des oralen und intestinalen Mikrobioms hat und welche oralen Keime auch im intestinalen Mikrobiom nachweisbar sind. Für die klinische Praxis wären etwaige Assoziationen zwischen spezifischen oralen und intestinalen Mikrobiomprofilen und dem Schweregrad einer Mukositis von besonderer Bedeutung, um mögliche Cluster pathogener Keime zu identifizieren, die sich möglicherweise auf die Krankheitsausprägung auswirken. Diese Erkenntnisse könnten bestenfalls als Ansatzpunkte zur Entwicklung zielgerichteter Therapien beitragen. Zusätzlich kann durch die Identifikation neuer potenzieller Risikoindikatoren eine Grundlage für weitere translationale Untersuchungen in Medizin und Zahnmedizin geschaffen werden, die schließlich zur Entwicklung zielgerichteter individueller Präventionsstrategien für Hochrisikopatienten beitragen kann. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E- Mail: info@zahnaerzteblatt.de. Dr. Dr. Kyrill Schoilew 1 , Dr. Dorothée Schüßler 1 , Dr. Anna Felten 1 , Shila Fazeli 1 , Prof. (apl.) Dr. Dr. Thomas Luft 2 , Prof. (apl.) Dr. Cornelia Frese 1 1 Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten, Universitätsklinikum Heidelberg 2 Innere Medizin V: Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie, Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg Dr. Dr. Kyrill Schoilew Dr. Dr. Kyrill Schoilew Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten, Universitätsklinikum Heidelberg Anzeige Für das Recht zu gehen, für das Recht zu bleiben. Hier wie dort. Foto: Manu Brabo Nothilfe, medizinischer, psychologischer und rechtlicher Beistand für Flüchtlinge. Unterwegs, in Herkunfts- wie Transitländern und bei uns. Spendenstichwort: Flüchtlingshilfe | Spendenkonto 1800 | Frankfurter Sparkasse | BLZ 500 502 01 | www.medico.de/Spenden www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2020
36 Fortbildung Winterakademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart Bruxismus ist keine Krankheit Traditionell eröffnet das Zahnmedizinische Fortbildungszentrum Stuttgart (ZFZ) mit der Winterakademie im Januar das Fortbildungsjahr. Dieses Mal konnte sich Prof. Dr. Johannes Einwag, Leiter des ZFZ Stuttgart, gleich doppelt freuen: Zum einen war die Winterakademie vollständig ausgebucht, und zum anderen war es die erste Veranstaltung im neu eröffneten Mövenpick Hotel Stuttgart Messe & Congress. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Thema Bruxismus, das die Referentinnen und Referenten aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten. PD Dr. M. Oliver Ahlers, Hamburg, zeigte den Wandel im Verständnis von Dysfunktionen des craniomandibulären Systems und den Paradigmenwechsel auf, der in den letzten Jahren im Bereich des Bruxismus stattgefunden hat. Sei man im Bereich der Funktionsstörungen bislang von einzelnen Faktoren ausgegangen, habe sich das Verständnis nun dahingehend gewandelt, die Dysfunktion als komplexes Geschehen zu betrachten. Ergebnis dieser neuen Sichtweise sei die S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung des Bruxismus“, die seit Juni 2019 vorliege. Sie wurde unter maßgeblicher Beteiligung von Prof. Dr. Ingrid Peroz von der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) herausgegeben. lichkeiten des Bruxismus. Aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge sei Bruxismus nicht auf fehlerhafte Okklusion zurückzuführen, erläuterte Prof. Peroz. Vielmehr gehe man heute von Zusammenhängen im zentralen Nervensystem aus und sehe Störungen im Bereich der Neurotransmitter sowie inhibitorische Störungen im Hirnstamm als zentrale Ursachen an. Auch emotionaler Stress, Angst- und Schlafstörungen, biologische und genetische Faktoren, Reflux oder exogene Faktoren wie Medikamente, Nikotin-, Alkohol- und Drogenkonsum haben einen maßgeblichen Einfluss, betonte Prof. Peroz. Gemäß der Leitlinie solle nicht alleine die Anamnese zur Diagnostik dienen, sondern auch klinische Befunde eingeschlossen werden. Kriterien seien nichtkariöser Zahnhartsubstanzverlust, der Verlust von Restaurationsmaterialien, hypertrophe Kaumuskeln, Zungen und Wangenimpressionen, weißliche Verhornungsleisten, Gingivarezessionen, häufiges technisches Ver- Leitlinie. Prof. Dr. Ingrid Peroz, Berlin, stellte die Leitlinie vor und gab einen kurzen Überblick über Definition und Unterscheidungsmögsagen von Rekonstruktionen oder Füllungen sowie die eingeschränkte Kieferöffnung. Eine Empfehlung der Leitlinie seien harte Schienen, die alle Zähne umfassen, um durch Unterbrechung der Zahn-zu-Zahn- Kontakte vor übermäßiger Attrition zu schützen. Hierbei könne es sich um Oberkiefer- oder Unterkieferschienen handeln, für die intermittierendes Tragen empfohlen werde. Diese reduzieren die Muskelaktivität, bringen dadurch eine signifikante Verringerung der Muskelschmerzen mit sich und schränken damit auch die Bruxismusaktivität ein. Diagnostik. PD Dr. M. Oliver Ahlers gab in seinem Vortrag einen Überblick über die Diagnostik von Zahnverschleiß sowie Behandlungsindikationen und -formen. Mögliche Ursachen für den Verlust von Zahnhartsubstanz seien zum einen mechanische Abnutzung (Attrition und Abrasion) sowie chemische Abnutzung (Erosion). Ein Zahnverschleiß von 1 mm im Oberkiefer und 1,5 mm im Unterkiefer über eine Gebrauchsperiode der Zähne von 60 Jahren werde als normal erachtet. Liege der okklusale Sub stanzabtrag bei Werten von über 500 μm/a handele es sich um pathologischen Verschleiß, der für den Organismus nicht mehr tragbar sei. Prof. Ahlers stellte das Tooth Wear Evaluation System (TWES) vor, das als klinischer Leitfaden für Diagnose und Management von Kompetenz. Die Referentinnen und Referenten der ZFZ Winterakademie deckten ein breites Spektrum an Themen rund um den Bruxismus ab. (v. l.) Prof. Dr. Johannes Einwag, PD Dr. M. Oliver Ahlers, Prof. Dr. Ingrid Peroz und Dr. Philippe Rieder ... ZBW 3/2020 www.zahnaerzteblatt.de
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