Berufspolitik 23 Fest gefügt. Unser Gesundheitssystem in Form der GKV ist ein Stabilitätsfaktor allererster Kategorie – Manfred Lucha. Kostspielig. Das Gesundheitssystem in Deutschland ist im europäischen Durchschnitt zu teuer - Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach. Vorbehalte. Die hohe Regulierungdichte bindet zu viele Ressourcen und erzeugt eine Misstrauenskultur - Prof. Dr. rer. pol. Boris Augurzky. Mehr Studierende. Deutschland braucht mehr Studienplätze an den medizinischen Fakultäten - Prof. Dr. Karl Lauterbach. Fotos: Schwarz Diskussion hinein anhalten solle, entsprach Prof. Dr. med. Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, in Gänze. Seinen Vortrag stellte er unter den Titel „Bedarfsgerechte Steuerung versus organisierte Verantwortungslosigkeit“ und widersprach gleich zu Beginn den Ausführungen Luchas, der Deutschlands Gesundheitssystem als führend bezeichnete. Zwar biete es umfassende Leistungen auf hohem Niveau, sei jedoch teurer und zudem entsprächen die Gesundheitsergebnisse nur dem europäischen Durchschnitt, zitierte er eine Analyse der EU-Kommission, die auch von anderen Rankings, so beispielsweise dem der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) unterstrichen würde, dass Deutschland zwar eine enorm gute Zugänglichkeit zum Gesundheitswesen bescheinigte, die Qualität hingegen als durchschnittlich bezeichnete. Eine Lösung hierfür sieht Gerlach in der Zentrenbildung, in der Patient*innen, gegebenenfalls etwas weiter entfernt, aber doch gezielt und professionell behandelt werden können. Auch die digitale Dokumentation und Kommunikation betrachtete der Sachverständigenrat als „eine nationale Aufgabe mit hoher Priorität“. Mit 4,1 Ärzten pro 1.000 Einwohner weise Deutschland im Vergleich zu vergleichbaren Industriestaaten eine hohe Arztdichte auf. Sorgten sich nach der Wiedervereinigung 1990 237.000 Ärzte um das Wohl der Bevölkerung, waren es 2018 385.000. „Deutschland ist auf dem Weg zum Spitzenreiter bei der Arzt- Einwohner-Relation“. Bürokratieabbau. SPD-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Karl Lauterbach, MdB widersprach dem Ansatz Gerlachs, Deutschland brauche weniger Ärzte und plädierte für mehr Studienplätze an den medizinischen Fakultäten. Seiner Ansicht nach fordere die wachsende Komplexität der Medizin diese Nachfrage. In der Frage nach der Vielzahl an Kliniken in der Republik waren sich die beiden Gesundheitsexper- ten jedoch einig: Das Angebot sei nicht bedarfsgerecht. „Zu viel Bürokratie und zu wenig Steuerung könnten auf Dauer unser System lahmlegen“, befürchtete Prof. Dr. rer. pol. Boris Augurzky, Leiter Kompetenzbereich „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Die hohe Regulierungsdichte binde zu viele Ressourcen und erzeuge eine Misstrauenskultur und die Handlungsspielräume der einzelnen Akteure nehme dagegen immer weiter ab. Die Krankenhauslandschaft im Land zeige dies eindrücklich. In regionalen Versorgungsbudgets sieht der Experte einen möglichen Weg. Die anschließende Podiumsdiskussion rundete den Vormittag ab. Nach der Mittagspause eröffneten die World-Café-Foren die detaillierten Fachdiskussionen. In Forum 6 und in Forum 7 trafen sich Experten und Gastgeber aus der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Landeszahnärztekammer – bitte lesen Sie hierzu die Berichte auf den nachstehenden Seiten. » cornelia.schwarz@izz-online.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2020
24 Berufspolitik Landeskongress Gesundheit 2020 Intersektorale Medizin stärken Foto: Benedikt Schweizer Auch in diesem Jahr war die Landeszahnärztekammer Baden- Württemberg aktiv beim Landeskongress Gesundheit Baden- Württemberg vertreten, der am 7. Februar auf der Messe Stuttgart wieder gute Gelegenheiten bot, sich mit allen relevanten Stakeholdern und Partnern der baden-württembergischen Gesundheitslandschaft auszutauschen und über aktuelle gesundheitspolitische Themen und Probleme zu diskutieren. Die Kammer agiert nicht nur als Unterstützer des Landeskongresses, sondern wirkte auch in den am Nachmittag stattfindenden World-Café-Foren aktiv mit. Im Forum 7 ging es um die Bedeutung intersektoraler Zusammenarbeit als einem Gebot der Stunde. Vorschlag. LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert schlug vor: „Lassen Sie uns von Kammerseite her einen interdisziplinären Arbeitskreis zur Koordinierung und Förderung neuer Strukturen einer intersektoralen Medizin gründen.“ Als Tischgastgeber übernahm Prof. Johannes Einwag, Direktor des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart, die Moderation zur Thematik „Zahngesundheit und Allgemeingesundheit – neue Erkenntnisse intersektoraler Medizin“, argumentativ unterstützt von Prof. Stefan Listl von der Universität Heidelberg. Kausale Zusammenhänge. Immer mehr klinische Studien belegen kausale Zusammenhänge zwischen zahnmedizinischen und chronischen Allgemeinerkrankungen, so zum Beispiel zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus. Wissenschaftlich evident ist, dass zwischen schlecht eingestelltem Blutzuckerspiegel und Parodontitis eine kausale Wechselwirkung besteht. So erhöht sich bei Diabetikern mit schlecht eingestelltem Blutzucker das Risiko an einer Parodontitis zu erkranken um das Dreifache gegenüber Gesunden. Eine Konsequenz dieser Erkenntnisse ist die Forderung nach einer stärker interdisziplinär ausgerichteten Behandlung, insbesondere auch deshalb, weil aufgrund der demografischen Entwicklung mit einer zunehmenden Lebenserwartung der Bevölkerung auch die Prävalenz chronischer Erkrankungen ansteigen wird. Die Diskutanten waren sich einig, dass zukünftige Behandlungen einerseits zunehmend hochspezialisierte Fachmediziner erfordern, andererseits aber bedingt durch verschiedene Krankheitsfaktoren die Grenzen medizinischer Fachdisziplinen überschritten werden. Dies erfordere einen interdisziplinären Handlungsansatz, der die Versorgung von Patienten nur verbessern kann, wenn die Ärzte für Krankheitszusammenhänge sensibilisiert werden und dann auch eine frühere Diagnose und eine gezieltere Koordination der Behandler möglich wird. Intersektoraler Arbeitskreis. Allgemeiner Konsens bestand bei den Teilnehmern darin, dass in den unterschiedlichen ärztlichen Fachbereichen leider noch sehr oft die „Awareness“ fehlt, über den Deckelrand des eigenen Fachgebietes zu schauen, was mit unzureichender gegenseitiger Akzeptanz und fehlender Kommunikation untereinander begründet wird. Um das Bewusstsein für eine intersektorale medizinische Zusammenarbeit zu fördern und die Kommunikation in den Fachbereichen zu stärken, sollten zuerst kleinere regionale Kooperationen und Strukturen etabliert werden. Ein guter Anfang wäre zum Beispiel die Gründung interdisziplinärer Qualitätszirkel unter Mitwirkung verschiedener Fachärzte, Zahnärzte und auch Patientenvertreter, um Interessenkonflikte und Kommunikationshemmnisse zu beseitigen und gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Um diese Vernetzung zu koordinieren und Konzepte für neue Strukturen zu erarbeiten, schlug LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert vor, einen intersektoralen Arbeitskreis zwischen Landesärztekammer und der Landeszahnärztekammer zu gründen, der sich dieser Herausforderung stellt. Weitere Tische beschäftigten sich mit Fragen der notwendigen Etablierung regionaler Versorgungsverbünde und lokaler Gesundheitszentren und der Problematik, wie das bisher ungenügende Mitspracherecht von Patienten im Versorgungsalltag gestärkt werden kann. » nemitz@lzk-bw.de ZBW 3/2020 www.zahnaerzteblatt.de
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