Titelthema 15 festlegen? Möchte ich die Chance auf ein größeres Einkommen aber auch mit wirtschaftlichem Risiko oder ein sicheres, jedoch geringeres Einkommen haben? Möchte ich die Verantwortung für ein Unternehmen Zahnarztpraxis tragen? In welcher Form kann ich mir Kooperationen mit Kolleginnen und Kollegen vorstellen, ob in Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder anderen Kooperationsformen? Bei den aktuell möglichen Anstellungsmöglichkeiten sollte man jedoch auch das Patientenwohl im Auge behalten. Der Professionsgedanke und die gute Patientenversorgung dürfen bei der eigenen Entscheidung nicht hinten runterfallen. Damit meine ich kommerzielle, finanzinvestorengetragene MVZ und die damit verbundene Industrialisierung der Zahnmedizin. Bei Finanzinvestoren liegt der Fokus auf Gewinnmaximierung sprich der Rendite. Die gute Patientenversorgung kann dabei durchaus auf der Strecke bleiben. Wenn sich die Praxismodelle regional erheblich unterscheiden, kann das Versorgungsangebot auch für die Patientinnen und Patienten unübersichtlicher werden. Wie findet man sich in einer vielfältigeren Versorgungslandschaft zurecht, sodass die entsprechenden Leistungen auch wahrgenommen werden? Dr. Engel: Für die freiberuflich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte wird wichtig sein, dass ihre Non-Profit-Standesorganisationen weiterhin und verstärkt ihre Patientinnen und Patienten in allen zahnmedizinischen Belangen informieren und beraten sowie als Dienstleister für Arzt und Patient gleichsam Orientierung im neuen medizinischen Zeitalter ermöglichen. Was wünschen sich angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte von ihrer KZV? Dr. Carow-Lippenberger: Ich habe das Gefühl, dass viele angestellte Zahnärztinnen und Zahnärzte überhaupt nicht genau wissen, was die KZV so macht und wofür sie gut ist. Es ist deshalb wichtig, die KZV als Interessensvertretung vorzustellen und deren Gestaltungsmöglichkeiten für den Berufsstand in und durch die Selbstverwaltung aktiv zu verdeutlichen. Ich könnte mir vorstellen, dass eine höhere Serviceleistung der KZV gewünscht ist, z. B. im Bereich der Abrechnung oder beim richtigen Umgang mit Regressforderungen der Krankenkassen oder der Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Gute Arbeitsbedingungen entsprechend der eigenen Wünsche und Bedürfnisse – ein klarer Fall für mehr Engagement in der Standespolitik? Dr. Engel: Auf jeden Fall! Die jüngeren Kollegen müssen sich fragen, ob sie bei den zwangsläufig eintretenden Veränderungen im Gesundheitsmarkt auch Mitgestalter oder nur Zuschauer sein wollen. Durch den Strukturwandel ergeben sich einerseits mannigfaltige Möglichkeiten, den Berufsstand weiterzuentwickeln und damit andererseits gute Gelegenheiten, die Interessen der Zahnärzteschaft gemeinsam zu vertreten. Dr. Carow-Lippenberger: Ja eindeutig, dem kann ich mich nur anschließen! Eine Mitgestaltung der vertraglichen Bedingungen und die Interessenvertretung von uns Zahnärztinnen und Zahnärzten ist Voraussetzung für den Erhalt der Freiberuflichkeit. Wir müssen uns lautstark dagegen wehren, dass unsinnige Auflagen und mehr Bürokratie das Leben in der Praxis erschweren, ohne dass dadurch die Patientenversorgung verbessert wird. Und wir müssen dafür sorgen, dass die Leistungen, die wir erbringen, auch angemessen honoriert werden und eine ordentliche Gewinnerzielung möglich ist. Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Dr. Holger Simon-Denoix Anzeige Macht Krach. Macht Hoffnung. Spenden Sie Saatgut. brot-fuer-die-welt.de/ ernaehrung www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2020
16 Titelthema Investorengeführte Versorgungszentren Sagen Sie uns Ihre Meinung! Immer mehr investorengeführte Versorgungszentren drängen im zahnärztlichen Bereich auf den Markt. Sind diese I-MVZ im Interesse der Patientinnen und Patienten aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs oder verhindern sie einen wirksamen Patientenschutz, weil junge Zahnärztinnen und Zahnärzte unter Druck geraten, Leistungen an Patienten zu erbringen, die nicht medizinisch angezeigt sind? Das ZBW hat Zahnärztinnen und Zahnärzte, Gesundheitspolitiker und Vertreter aus dem Gesundheitswesen nach ihrer Meinung und ihren Erfahrungen gefragt. Foto: Jürgen Altmann Foto: CDU-Fraktion Baden-Württemberg Als angestellte Zahnärztin in einem MVZ profitiere ich von der zeitlichen Flexibilität und der guten Möglichkeit, Familie und Beruf in Einklang zu bringen. Klar müssen die Zahlen stimmen, aber einen negativen Verkaufsdruck, Leistungen am Patienten zu erbringen, die nicht medizinisch angezeigt sind, empfinde ich in keiner Weise - zumal, was dies betrifft, jeder niedergelassene Kollege seine eigenen „Verkaufspraktiken“ genau prüfen sollte. Leider muss ich tagtäglich erleben, dass Patienten zu uns kommen in der Hoffnung, gut behandelt zu werden, da sie in (teils mehreren) anderen Praxen abgewiesen wurden. Oft aus wirtschaftlichen Gründen, da die Patienten finanziell keine Möglichkeit haben, hohe Zuzahlungen zu leisten und die Kollegen oft nicht bereit sind, sogenannte „Härtefälle“ zu versorgen. Eine Zahnärztin aus dem Regierungsbezirk Tübingen MVZ haben sich als eine Organisationsform in der ambulanten Versorgung etabliert. Das ist gut so, denn sie bieten auch Arbeitsmöglichkeiten, die heute von der nachfolgenden Medizinergeneration nachgefragt sind. Schlecht wird die Entwicklung, wenn sie dazu führt, dass die Versorgung durch fachfremde Investoren kommerzialisiert, also reinen Renditeinteressen unterworfen wird. Dr. med. Norbert Metke, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg Die Bedeutung Zahnmedizinischer Versorgungszentren (Z-MVZ) für die Versorgung im Land nimmt stetig zu. Das zeigt sich schon daran, dass die Zahl der freiberuflich tätigen Zahnärzte in Baden-Württemberg in den letzten zehn Jahren um fast acht Prozent gesunken ist, während die Zahl der Zahnärzte, die insgesamt im Land tätig sind, um 12,5 Prozent zugenommen hat. Hinsichtlich investorengeführter Z-MVZ ist allerdings augenfällig, dass diese vor allem auf die Einrichtung von Z-MVZ in einkommensstarken Ballungsräumen sowie Foto: Lena Lux Foto: FDP-Landtagsfraktion Baden-Württemberg auf die Kettenbildung setzen. Das kann letztlich zu Versorgungsengpässen in der Fläche führen. Vor diesem Hintergrund muss es nachdenklich machen, wenn mittlerweile fast jedes vierte Z-MVZ von Fremdinvestoren getragen wird. Deshalb ist es dringend angezeigt, die in 2018 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgenommenen Einschränkungen der Gründungsbefugnisse zu evaluieren und über weitergehende Maßnahmen nachzudenken. Christine Neumann-Martin MdL, Sprecherin der CDU- Landtagsfraktion für Gesundheitspolitik Die Gesundheit darf kein renditeorientiertes Anlageprodukt sein. Dies sollte auch für die investorengeführten Zahnmedizinischen Versorgungszentren gelten. Denn dort, wo Renditeerwartungen hoch sind, ist das Risiko von unnötigem Zeitdruck, das Risiko von unnötigen Behandlungen oder das Risiko von Behandlungsfehlern bedeutend höher als bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten, welche nur der Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten verpflichtet sind. Ich begrüße es, dass in Ansätzen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz versucht wird, die Gründung von investorengeführten Zahnmedizinischen Versorgungszentren in überversorgten Regionen zu regulieren. Ich stimme jedoch mit der Bundeszahnärztekammer überein, dass diese Problematik durch eine Änderung der Aufsichts- und Berufsrechtsregelungen umfassender angegangen werden kann. Petra Krebs MdL, Sprecherin für Gesundheits-, Senior_innen- und Pflegepolitik, Landtagsfraktion GRÜNE Die zahnärztliche Versorgung in Baden-Württemberg bewegt sich auf höchstem Niveau. Leitbild für mich ist die niedergelassene freiberufliche Tätigkeit. Formen der Anstellung werden aus Gründen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wichtiger. Auch zahnmedizinische MVZ können hier ihren Platz haben. Die Entwicklung investorengeführter Zahnme- ZBW 3/2020 www.zahnaerzteblatt.de
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