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Zahnmedizinische Versorgung Pflegebedürftiger

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Ausgabe 11/2018

40 Einer von uns Dr.

40 Einer von uns Dr. Ingo Sika ist neben seinem Beruf Schauspieler und Regisseur Zwischen Praxis und Bühne In unserer Reihe „Einer von uns“ stellen wir Kolleginnen und Kollegen vor, die außerhalb ihres Berufs etwas Besonderes schaffen. Dr. Ingo Sika führt eine Praxis in Weil der Stadt. Doch neben dem Beruf ist er als Regisseur, Schauspieler und Kulturschaffender erfolgreich. Wir schreiben das Jahr 236. Eine muskelbepackte Gestalt mit bronzenem Helm, Schild und Schwert ist als überdimensionale Projektion auf der Sindelfinger Stadtgalerie zu sehen. „Das soll von nun an mein Land sein!“, ruft er in die Nacht, während er sein Schwert verheißungsvoll zu Boden rammt. „Ihr müsst wissen, dass ich Sindolf bin, Führer der Alemannen, ich habe dieses Dorf hier auf dem Boden eines ehemaligen römischen Vicus gegründet und habe die Weltmacht Rom in die Knie gezwungen.“ Es ist ein großes Spektakel, das die Sindelfinger Bevölkerung an diesem Juliabend im Jahr 2013 zum 750. Jubiläum ihrer Stadt bestaunt. Und der Alemannenführer Sindolf, der mit kräftiger Stimme und großem Schauspieltalent auftritt, zieht sie in ihren Bann. Was viele nicht wissen: Der Schauspieler Dr. Ingo Sika, 46, ist im Hauptberuf Zahnarzt. „2013 gab es das große Stadtjubiläum und der Regisseur Frank Martin Widmaier hatte mich gefragt. Er kannte mich schon von anderen Produktionen und meinte, ich würde einen guten Alemannenhäuptling abgeben“, sagt Dr. Sika und lächelt. „Im Grunde war es immer mein Traum, dass in meiner Heimatstadt ein Kulturfestival aufgesetzt wird.“ Gemeinsam mit Widmaier sollte er diesen Traum mit dem Stadtjubiläum als Startpunkt in die Tat umsetzen. Doch wie kommt ein Zahnarzt dazu, als Schauspieler tausende Menschen zu begeistern? Kunst im Kindergarten. „Die Leidenschaft zur Kunst hat mit sechs Jahren angefangen, als ich im Kinderchor war“, erinnert sich der Zahnarzt. Die damalige Chorleiterin stellte schnell fest, dass er ein gewisses schauspielerisches Charakterstark. Dr. Ingo Sika geht auf der Bühne beim Stück „Sindelfinger Jedermann“ in der Rolle eines Chorherren auf. Talent hatte. Mit neun stand er zum ersten Mal auf der Bühne in der Sindelfinger Stadthalle. Später spielte er in freien Theatergruppen und an der Schule in der Theater- AG, die selbst überregional einen hervorragenden Ruf hatte. Sein damaliger Lehrer förderte ihn und die anderen Schüler. „Ich kam so ins klassische deutsche Regietheater rein“, sagt Dr. Sika. „Wir haben beeindruckende Sachen gemacht, mein damaliger Lehrer Uli von der Mülbe ist für mich eines der größten Vorbilder.“ 30 Jahre lang machten die beiden gemeinsam Theater, auch nach der Schulzeit. Heute ist der ehemalige Lehrer ein guter Freund, zu Schulzeiten brachte er den jungen Ingo Sika auf die Idee, etwas mit Kunst zu machen. Der heutige Zahnarzt gründete noch als Schüler eine Unterstufen-Theater- AG, in der die Schüler die Projekte allein ausführten und die Lehrer nur die Aufsicht hatten. „Es entwickelte sich immer weiter und eines kam zum anderen“, sagt der Kulturliebhaber. Im Lauf der Jahre begleitete er viele Projekte. Während seines Studiums arbeitete er als Ton- und Lichttechniker und betreute für eine Akademie in Berlin Großveranstaltungen, die er auch moderierte. Wirklich gelernt hat der Sindelfinger die Schauspielerei oder Regie nie, doch das sei nicht nötig gewesen, wie er sagt. „Da kann man mit Learning by Doing wahnsinnig viel lernen.“ Überlegt hatte er aber, eine Schauspielausbildung zu absolvieren. Er hatte sogar schon die Zusage an der Schauspielschule in Foto: Roland Fuhr Essen, an die er nach dem Abitur wollte. Doch er dachte noch einmal darüber nach: „Ich wollte ins Schauspiel, aber dadurch, dass ich eher ein sicheres Umfeld für mich haben wollte, entschied ich mich schließlich dagegen.“ Es folgte eine kurze Phase der Orientierungslosigkeit, doch Dr. Sika hatte Glück. Seine Mutter, gelernte Zahnarzthelferin, legte ihm die Zahnmedizin ans Herz. Leidenschaft Zahnmedizin. Und der Sohn war sofort Feuer und Flamme. Er bewarb sich in Tübingen, bekam den Platz und merkte im Vorstudium, dass „mir die Kom- ZBW 11/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Einer von uns 41 bination Spaß macht, akademisch, medizinisch und handwerklich zu arbeiten“, sagt er. Auch die Arbeit mit Menschen bereitete ihm schon früh große Freude, ebenso wie die Tatsache, „dass man in der Zahnmedizin unmittelbar sieht, was man erreicht hat, anders als in anderen medizinischen Disziplinen“. Sein künstlerisches Talent – das war schnell klar – half ihm bei der Arbeit als Zahnarzt. „Klar gibt es Fähigkeiten der Schauspielerei, von denen ich im Beruf profitiere. Man ist etwa gewohnt zu reden und hat ein gewisses Selbstbewusstsein“, sagt Dr. Sika. Der Umgang mit Patienten sei ihm deshalb seit jeher leicht gefallen. „Es hilft, wenn man mal genervt ist, darüber hinwegzusehen.“ Dr. Sika versteht sich zudem als Dienstleister, der das erfüllen muss, was der Patient möchte. „Das ist eine unterschätzte Fähigkeit. Ich habe oft mit Angstpatienten zu tun, da muss man in seiner Rolle bleiben und hier hilft mir das Theaterspielen sehr.“ Im Jahr 2000 machte Dr. Sika das Staatsexamen. Drei Jahre verbrachte er an der Uniklinik in Tübingen in der prothetischen Abteilung als Assistenzarzt. Dann ging er nach Stuttgart, wo er relativ schnell gemeinsam mit einem Kollegen eine Praxis am Neckartor eröffnete. Doch die Aufgabe erfüllte ihn nicht. „Das war viel zu viel, viel zu arg, der Lebensfokus lag nur auf der Zahnmedizin“, erzählt er. „Und ich wusste, wenn ich so weitermachen würde, würde ich den Spaß am Beruf verlieren.“ Die Lösung kam im Jahr 2007, als eine Praxis in Weil der Stadt frei wurde, die er übernehmen konnte. Nahe seiner Heimat Sindelfingen im Kreis Böblingen zog er seine neue Praxis auf, übernahm die Infrastruktur von seinem Vorgänger und versprach sich selbst, fortan nicht mehr als 35 Stunden pro Woche in der Praxis zu verbringen. Elf Jahre später hat er es geschafft, dieses Pensum beizubehalten – viel zu tun hat er dennoch, seit er sich wieder verstärkt im kulturellen Bereich seiner Heimatstadt engagiert. Ein zweiter Job. Neben meinem Job habe ich zumindest in der Endphase von Kulturprojekten einen zweiten Job“, sagt er und schmunzelt. 25 bis 40 Stunden pro Woche können in Hochzeiten schnell zusammenkommen. Zuletzt gründete Dr. Sika die „Junge Bühne Sindelfingen“, eine Theatergruppe für junge Menschen. Das Ziel: Den Darstellern eine Heimat geben, aber vor allem auch Projekte selbst zu realisieren, Licht und Bühnenbild auf die Beine zu stellen. „Dabei geht es um diejenigen, die nach der Schule keine künstlerische Heimat mehr haben, weil die Theater-AG wegfällt.“ Zudem ist er von der ersten Voller Einsatz. Während der Sindelfinger Biennale muss Dr. Sika zuweilen mit viel Kunstblut auskommen. Stunde der Sindelfinger Biennale dabei. Ein Kulturfestival, das aus dem Antrieb des Jubiläumsjahrs 2013 entstand, als die Stadt merkte, dass die Bevölkerung großes Interesse an Kulturwochen hat. „Es gab aufgrund von Finanznot oder Schwierigkeiten bei der Verwaltung durchzudringen, nie die Möglichkeit dazu“, sagt Dr. Sika, „aber wir haben das nun durchgesetzt und können alle zwei Jahre ein Festival auf die Beine stellen.“ Eines, das von Ehrenamtlern wie Dr. Sika lebt, denn professionell auf die Beine gestellt, würde solch eine Veranstaltung mehr als eine Million Euro kosten. Inzwischen gibt es eine Kommunikationsgruppe von jun- gen Leuten, die Videos und Trailer produzieren, Pressearbeit und Marketing übernehmen und alle medialen Kanäle betreuen. Heute ist Dr. Sika so verwurzelt in der Sindelfinger Kulturszene, dass er bis ins Jahr 2021 ausgebucht ist. Dabei ist er vor allem als Regisseur tätig, selten noch als Schauspieler. „Es ist unheimlich befriedigend, dass ich die Möglichkeit habe, die Leidenschaft, die ich schon viele Jahrzehnte habe, weitergeben zu können“, sagt er. „Applaus ist unheimlich schön, aber das hier ist nachhaltiger.“ Gelernt hat er auch das Regieführen nicht, aber „ich führe so Regie, wie ich als Schauspieler geführt werden will“, sagt er. Überhaupt sei seine eigene Rolle nicht unbedingt entscheidend: „Bis auf Kostümschneidern habe ich im Theater alles gemacht. Hinter und vor der Technik, Marketingkonzepte, selbst die Maske“, erklärt er. Foto: Marc Hugger Weltbühne. Durch all die Tätigkeiten sind über die Jahre viele gute Freundschaften entstanden, doch auch Schweiß und Tränen sind geflossen. „Diese Projektarbeit schweißt einen stark zusammen“, sagt Dr. Sika. „Und mein kulturelles Engagement kostet mich Geld. Viele sehen das nicht, denn ich muss schließlich dafür die Praxis schließen.“ Während andere eine Weltreise machen, steht er auf den Bühnen, die die Welt bedeuten. „Die Kultur ist meine Weltreise.“ Dass er sie nicht zu seinem Beruf gemacht hat, bereute er keine Minute: „Wenn man sieht, was das für ein hartes, elendiges Brot ist, von der Kunst zu leben, bin ich sowas von glücklich, dass ich es nicht mache. Ich mache meinen Beruf als Zahnarzt sehr gern. Ich liebe ihn und bin sehr froh, dass mich mein Weg dorthin gespült hat.“ Doch seine zweite große Liebe ist die Kultur. „Eine bessere Work-Life-Balance gibt es nicht. Ich glaube, das habe ich ganz gut hingekriegt.“ » christian.ignatzi@izz-online.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2018

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