22 Berufspolitik Zahnmedizinische Versorgungszentren Lösung nicht in Sicht Zahnarzt-Zentren, Finanzinvestoren, Rendite – dagegen schließen kleinere Praxen auf dem Land, Nachfolger sind oft nicht in Sicht: Dieses brisante Thema bewegt seit Wochen Politik, Medien und Öffentlichkeit. Der gerade im Kabinett beschlossene Entwurf eines Terminserviceund Versorgungsgesetzes (TSVG) enthält zwar Neuregelungen zu den Medizinischen Versorgungszentren, aber: „Der Gesetzesentwurf bietet keinerlei Lösungen, um den Einfluss von Großinvestoren im Bereich der Zahnmedizin zurückzudrängen“, betont Dipl.-Volkswirt Christoph Besters, stellv. Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KZV BW). Die Anregungen der Zahnärzteschaft hierzu wurden nicht berücksichtigt. Kabinettsentwurf. Erst sandte der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn konstruktive Signale aus und wollte die Bedenken bezüglich der Z-MVZ ernst nehmen – doch der Kabinettsentwurf bietet hierzu keine Lösung, stellte die KZV BW mit großer Enttäuschung fest. „Kaufrausch im Gesundheitswesen“ – die Headline der „tageszeitung“ knallt so richtig. Und weiter: „Immer mehr profitorientierte Konzerne kaufen sich in die ambulante Gesundheitsversorgung ein.“ Die Vorgehensweise ist bekannt: Investoren haben Krankenhäuser in ihrem Besitz, oder kaufen sie verstärkt zu, und dürfen damit Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen und betreiben. Denn nicht nur Ärzte und Zahnärzte haben die Befugnis, ein Zentrum zu eröffnen, sondern auch Krankenhäuser und Dialysezentren. Redakteurin Katja Korf erklärt in ihrem Beitrag für die Schwäbische Zeitung: „Solche Private-Equity-Gesellschaften arbeiten stets mit demselben Geschäftsmodell: Sie kaufen Unternehmen.“ Diese würden „gezielt aufgebaut, um sie gewinnbringend weiterzuverkaufen“. Hochvirulent. Das Thema der arztgleichen MVZ beschäftigt die Fachleute im Gesundheitswesen schon länger. In diesem Jahr ist es hochvirulent geworden, nachdem die zahnärztlichen Berufsvertretungen massiv, lautstark, auf der Grundlage nachprüfbarer Fakten an die Öffentlichkeit gegangen sind. Nach der Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereini- Foto: photocosmos1/Shutterstock.com gung Baden-Württemberg (KZV BW) Mitte des Jahres ist der KZV- Vorstand an Sozialminister Manne Lucha herangetreten. Die Fakten für Baden-Württemberg: Z-MVZ nehmen rasant zu (2015: 7 – 2018: 80), sie konzentrieren sich regional auf die Ballungsräume, Verbundstrukturen bzw. Ketten werden etabliert, und ausgebaut, Z-MVZ drängen die Bereitschaft zur Niederlassung in eigener Praxis zurück und ziehen in- und ausländische Groß- und Finanzinvestoren magisch an. „Es wäre für die Versorgung der Bevölkerung in Baden-Württemberg abträglich, wenn Investoren durch das Land ziehen und eine ,Zahnarzt-Fabrik‘ nach der anderen in den wirtschaftsstarken Ballungsräumen eröffnen und die Versorgungssituation in eher strukturschwachen Gebieten verschärfen“, betont der Vorstand in seinem Brandbrief an den Minister. Und weiter: „Diese ungebremste Entwicklung bringt ein gut austariertes System, das seit Jahrzehnten eine exzellente Versorgung sicherstellt, ins Wanken.“ Parallel zu Baden- Württemberg hatte die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) das Thema auf Bundesebene forciert – im Schulterschluss mit der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) – und öffentliches Problembewusstsein geschaffen. Baden-Württemberg. In einer ersten Reaktion auf das Schreiben der KZV BW betonte Sozialminister Lucha, dass der Zulassungsausschuss prüfen müsse, „inwieweit die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Gründung eines Zahnärzte-MVZ erfüllt sind“. Lucha weiter: „Sofern Bedenken auf dem Gebiet der Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen bestehen, gibt es weitere Regelungen in der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (ZÄ- ZV), die der Zulassungsausschuss ZBW 11/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 23 heranziehen kann.“ Ein wesentliches Kriterium der zahnärztlichen Tätigkeit sei „die Ausübung des Berufs in freier Tätigkeit“. Im August gewann das MVZ- Problem im Landtag von Baden- Württemberg zunehmend an Gewicht: Die SPD-Fraktion fasste nach – bezugnehmend auf den Beitrag von Willi Reiners, Stuttgarter Zeitung vom 26. Juli 2018 – mit einem umfangreichen Antrag mit 14 detaillierten Fragen. „Der Antrag soll die Versorgungslage durch Zahnärztinnen und -ärzte in Baden- Württemberg in Erfahrung bringen sowie notwendige Maßnahmen der Landesregierung erfragen“, so die Begründung des gesundheitspolitischen Sprechers Rainer Hinderer MdL mit Kolleginnen und Kollegen (s. Infokasten mit QR-Code). Die KZV BW, die daraufhin von der Landesregierung um Information und Antwort gebeten worden ist, lieferte zahlreiche Keyfacts zu aktuellen Entwicklungen. „Diese Initiative der SPD-Fraktion war sehr wichtig, sie hat mit hoher Klarheit die Dimension dieses Problems in der Versorgung benannt“, so Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW. Deutliche Antwort. In ihrer Antwort wurde die Landesregierung deutlich: Mit der Kritik am Einfluss fachfremder Investoren, mit der Option, durch gesetzliche Änderungen den Einfluss von Fremdinvestoren auf die zahnärztliche Versorgung zu begrenzen, mit der räumlichen, regionalen und medizinisch-fachlichen Einschränkung der MVZ-Gründungsberechtigung von zugelassenen Krankenhäusern. Die Wiedereinführung der Maßgabe „fachübergreifend“ wurde allerdings abgelehnt, da sie auch Hausärzte ohne vergleichbare Investorenproblematik sowie von Zahnärzten gegründete Z-MVZ betreffen würde. Enttäuschung. Im Vorfeld gab es auch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn konstruktive Si- Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines „Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (TSVG) vereint zahlreiche gute Ansatzpunkte, um die Versorgung zu verbessern, beispielsweise im ländlichen Raum. In dieser Bewertung stimmen die zahnärztlichen Bundesinstitutionen überein. Viele der Änderungen im zahnärztlichen Bereich werden „dem Grunde nach“ begrüßt: • „Um die Versicherten, die auf eine Versorgung mit Zahnersatz angewiesen sind, finanziell zu entlasten, werden die befundbezogenen Festzuschüsse, die bisher rund 50 Prozent der Kosten der Regelversorgung abdecken, ab dem 1. Januar 2021 auf 60 Prozent erhöht“, heißt es im Kabinettsentwurf. Diese Regelung „ist vor allem auch aus Sicht der Patienten zu begrüßen“, so KZBV und BZÄK. • „Durch die Abschaffung der Punktwertdegression für vertragszahnärztliche Leistungen werden Fehlanreize auf die Bereitschaft von Zahnärztinnen und Zahnärzten beseitigt, sich in ländlichen und strukturschwachen Gebieten niederzulassen“, heißt es im Kabinettsentwurf. Hierzu die KZBV und die BZÄK: „Es wird ausdrücklich begrüßt, dass durch die nunmehr intendierte Streichung des § 85 Abs. 4b bis 4f SGB V insb. diejenigen Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte entlastet werden, die sich in nicht optimal versorgten Gebieten durch einen entsprechenden Mehreinsatz für eine lückenlose vertragszahnärztliche Versorgung der Versicherten einsetzen und für den damit einhergehenden, in der Regel überobligatorischen Einsatz aufgrund der Degressionsregelung durch verminderte Honoraransprüche bisher regelrecht „bestraft“ wurden.“ Kabinettsentwurf Licht und Schatten • „Es wird eine Mehrkostenregelung bei kieferorthopädischen Leistungen analog der Mehrkostenregelung bei zahnerhaltenden Maßnahmen geschaffen“, heißt es im Kabinettsentwurf. Diese „Stärkung der Patientenautonomie“ begrüßen KZBV und BZÄK ausdrücklich. Und weiter: „Gleichfalls befürwortet werden die getroffenen Regelungen zur Kostentransparenz, die eine Überprüfung des kieferorthopädischen Leistungsgeschehens erheblich vereinfachen.“ • „Das vertragszahnärztliche Gutachterverfahren ist seit Jahrzehnten im Bereich der Versorgung mit Zahnersatz und Kieferorthopädie etabliert. [...] Eine ausdrückliche Ermächtigung zur Durchführung des vertragszahnärztlichen Gutachterverfahrens fehlte jedoch bislang“, heißt es im Kabinettsentwurf. KZBV und BZÄK begrüßen die Legitimation des bundesmantelvertraglich vereinbarten Gutachterverfahrens im zahnärztlichen Bereich durch die Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage für die Bundesmantelvertragspartner. Zugleich werde „nunmehr ausdrücklich“ die Gleichrangigkeit neben der Begutachtung durch den MDK statuiert. Zu den beabsichtigten Neuregelungen hinsichtlich der MVZ halten KZBV und BZÄK fest, dass einerseits die Einschränkung zur Gründungsberechtigung durch Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen ein sinnvoller Lösungsansatz sei. Andererseits ist dies „bei weitem nicht ausreichend [...], weil sie im vertragszahnärztlichen Bereich insoweit vollständig ins Leere laufen, als es kein einziges Zahnarzt-MVZ gibt, das von einem Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen gegründet worden wäre“. Stattdessen drängten internationale Großinvestoren bis dato ausschließlich über den Erwerb von (häufig maroden) Krankenhäusern auf den deutschen Dentalmarkt. » guido.reiter@kzvbw.de www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2018
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