18 Titelthema „Hier wird die Mundpflege etwas vernachlässigt.“, bemerkt Dr. Elsäßer als Christian Härle gerade aus dem Zimmer gegangen ist, um den nächsten Bewohner zur Untersuchung zu holen, „jetzt gibt es einen konstruktiven Anschiss“. Der „Anschiss“ hält sich dann in Grenzen – Christian Härle soll besser nachputzen bei den Bewohnern, am besten mit einer elektrischen Zahnbürste, da dies schneller und effektiver geht. „Es ist nicht zielführend, die Mitarbeiter ständig zu kritisieren, wenn die Mundhygiene der Bewohner nicht in Ordnung ist – man muss sensibel vorgehen und motivieren. Die Personalsituation auf den Wohngruppen ist häufig sehr angespannt“. Strahlend kommt Susanne Sommer ins Zimmer gefahren, die Arme weit ausgebreitet. Sofort fällt der Blick auf die fehlenden Frontzähne. Ein Unfall, vier zerstörte Zähne mussten entfernt werden. „Sieht furchtbar aus“, zeigt sich Dr. Elsäßer erschüttert, „das kann man so nicht lassen, vor allem wenn man so gerne und viel lacht wie Frau Sommer“. Einen Kostenvoranschlag für die Sanierung gibt es schon, „es hängt an der gesetzlichen Betreuerin“, vermutet Christian Härle. „Das ist kein Zahnstein mehr, das ist ein Zahnfels“, zeigt Dr. Elsäßer auf einen Turm in der Mundhöhle von Hans Neumann. Ein Zahn ist bei ihm kaum zu erkennen, so mächtig sind die Beläge. „Das muss weg, auch weil es stinkt, wenn da eine junge FSJlerin oder ein Ehrenamtlicher kommt und sich um Herrn Neumann kümmern soll, wirkt das abstoßend. Das geht gar nicht“. Hans Neumann ist Autist und hat panische Angst vor einer ärztlichen Behandlung. Dass er überhaupt den Mund öffnet, hat mit der ruhigen und vertrauensvollen Art von Dr. Elsäßer zu tun. Außer einem kurzen Blick in den Mund lässt Hans Neumann nichts zu. Die Entfernung des Zahnfelses wird in Narkose erfolgen müssen. Britta Kraft vermerkt es im Formblatt. Nun wird es dauern bis die gesetzlichen Betreuer von Hans Neumann alle erforderlichen Formulare unterschrieben und ihre Einwilligung gegeben haben. Unterwegs. Dr. Guido Elsäßer und ZFA Britta Kraft auf dem Weg in die Wohngruppen – die neuen präventionsorientierten Leistungen nach § 22a SGB V gelten unabhängig vom Ort der Leistungserbringung. „Der Zahnarzt kommt“. So werden Dr. Elsäßer und Britta Kraft im ersten Stock empfangen. Tagsüber sind die Bewohner normalerweise in den Werkstätten zum Arbeiten, in der heilpädagogischen Förderung oder im Senioren-Club. Heute sind alle da, für die Reihenuntersuchung. Als erstes ist Peter Berger an der Reihe, „er geht jetzt nämlich gleich in die Kirche“, erläutert Betreuerin Elvira Reusch während sie ihm bei der Untersuchung die Hand hält. „Thomas Stahl hat die besten Zähne im Haus“, lobt Dr. Elsäßer den nächsten Patienten, „hier wird eindeutig besser geputzt als in den anderen Gruppen, es ist ein enormer Unterschied“. Kein Wunder – Elvira Reusch hat ein echtes Faible für Zähne: „Könnte ich meinen Beruf nochmal wählen, ich würde etwas mit Zähnen machen“ und gesteht, „ich bereue es noch heute, meine Zahnspange nicht konsequenter getragen zu haben“. Für keinen Bewohner dieser Gruppe muss ein Termin in der Praxis gemacht werden. Ein wenig Zahnstein – „das machen wir gleich weg“. Bei Traudl Ludwig entwickelt sich eine Diskussion zwischen Dr. Elsäßer und Elvira Reusch: Die junge Frau erhält wegen Aspirationsrisiko Sondennahrung und hat einen Beißreflex. Aus Angst, dass die Zahnpasta zu scharf und zu ungewohnt ist und etwas in die Luftröhre gerät, putzt Elvira Reusch nur ohne Zahnpasta. „Die Bedenken sind unbegründet“, korrigiert Dr. Elsäßer und bestärkt die Betreuerin, bei Traudl Ludwig genauso gewissenhaft mit wenig geschmacksneutraler Juniorzahnpasta und elektrischer Zahnbürste oder manuell zu putzen wie bei den anderen Bewohnern. Und wenn der Mund nicht aufgeht, dann eben nur die Außenflächen. Im obersten Wohnbereich des Hauses trägt Christiane Bema die Verantwortung für die acht Bewohnerinnen und Bewohner. Sie hat vorhin schon einmal im Erdgeschoss vorbeigeschaut als Dr. Elsäßer die Wohngruppe von Christian Härle untersucht hat. „Das ist der erste Besuch hier in der Wohngruppe“, erzählt sie, „normalerweise komme ich mit mehreren Bewohnern zu Dr. Elsäßer in die Praxis. Dass die Untersuchung nun auch in den Wohnbereichen stattfinden kann, bedeutet für die Heilerziehungspflegerin „deutlich weniger Aufwand“. Forderungen. Nach knapp drei Stunden kehren Dr. Elsäßer und seine Mitarbeiterin in die Praxis zurück. Beim abschließenden Gespräch in seinem Büro unterstreicht er nochmals die Forderungen der AG Zahnmedizin für Menschen mit Behinderungen oder besonderem medizinischen Unterstützungsbedarf (AG ZMB) innerhalb der DGZMK, deren Vorstandsmitglied er ist. „Jetzt gibt es endlich eine echte Verbesserung im Bereich der präventiven Maßnahmen für diese Patientengruppe, die sich auch für die Praxen rechnet. Was noch fehlt sind Zuschläge für den zeitlichen Mehraufwand bei der Behandlung und eine Position für den enormen Beratungs- und Aufklärungsaufwand bis alle beteiligten Personen Bescheid wissen. Und es fehlt eine Position für die Fluoridierung nach der Entfernung der Beläge – die prophylaktische Fluoridierung gibt es nur für Kinder. Aber immerhin, dieses Mal hat der Gesetzgeber die Menschen mit Behinderung nicht wieder vergessen und geht auf ihren besonderen Bedarf ein“. » mader@lzk-bw.de ZBW 11/2018 www.zahnaerzteblatt.de
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