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Zahnmedizinische Versorgung Pflegebedürftiger

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Ausgabe 11/2018

14 Titelthema Katrin

14 Titelthema Katrin Altpeter, Schulleiterin der Altenpflegeschule des maxQ., im Interview „Inhalte des Theorieunterrichts in der Praxis umsetzen“ Pflegebedürftige Menschen sind abhängig von der Versorgung durch andere Personen – durch Angehörige oder durch professionelle Pflegekräfte. Dabei geht es nicht nur um die unmittelbar lebensnotwendige Versorgung, sondern auch um ein „menschenwürdiges Leben“, um den Erhalt der Lebensqualität. Viele ältere Menschen kommen heute mit gut gepflegten eigenen Zähnen oder mit hochwertigem Zahnersatz in die Pflege. Ihre eigene Fähigkeit, eine gute Mundhygiene zu betreiben, nimmt jedoch ab. Auch deswegen ist die Mundgesundheit von Pflegebedürftigen durchschnittlich schlechter als bei der übrigen Bevölkerung. Im ZBW-Interview: Katrin Altpeter, ehemalige Sozialministerin des Landes Baden-Württemberg und heutige Schulleiterin der Altenpflegeschule des maxQ. in Stuttgart, zu aktuellen Entwicklungen und zum Stellenwert der Zahngesundheit innerhalb der Pflegeausbildung. Frau Altpeter, Mundhygiene bei Pflegebedürftigen war bislang ein häufig unbeachtetes Thema. Dabei ist mangelnde Mundgesundheit auch für das Immunsystem insgesamt eine schwerwiegende Gefahr. Sie haben als Altenpflegerin, als Lehrerin für Pflegeberufe sowie als Landespolitikerin unterschiedliche Perspektiven auf dieses Thema gewinnen können. Was sind Ihre Erfahrungen? In der Tat gibt es sehr unterschiedliche Perspektiven zum Thema Mundhygiene. Während das Thema in der Ausbildung im Rahmen der Prophylaxen eine wichtige Rolle spielt, hat es in der täglichen Pflegepraxis, ob im stationären oder im häuslichen Bereich, oft nicht die Wichtigkeit, die es braucht. Hier gilt es noch einiges an Aufklärungs- und Informationsarbeit zu leisten. Deshalb war ich als Politikerin über die Initiativen der KZV zur Zahngesundheit im Alter auch sehr dankbar. Viele Pflegebedürftige, ob in häuslicher oder stationärer Pflege, haben jahrelang keinen Zahnarzt gesehen. Wird dieses Problem heute ausreichend ernst genommen? Das Thema wurde lange Zeit nicht wirklich ernst genommen, ich bin aber froh, dass es in den letzten Jahren eine Entwicklung in der Pflege gegeben hat und weiterhin gilt, sich des Themas „Mundgesundheit“ in stärkerem Maß anzunehmen. Wo müsste sich denn vor allem etwas bewegen, damit die Zahngesundheit von Pflegebedürftigen nachhaltig verbessert werden kann? Ziel muss sicherlich sein, dass es beim Thema „Zahngesundheit“ keinen Unterschied zwischen pflegebedürftigen und gesunden Menschen gibt. Dies umfasst Zahnarztbesuche, prophylaktische Maßnahmen in gleicher Weise wie die tägliche persönliche Mundhygiene. Seit Inkrafttreten von § 22a SGB V im Juli 2018 haben Pflegebedürftige das Recht auf zusätzliche zahnärztliche Vorsorge. Haben Sie schon erste Erfah- rungswerte, wie sich dies in der Praxis auswirkt? Ich begrüße ausdrücklich, dass mit dem § 22a SGB V Versicherte, die Leistungen nach SGB XI oder SGB XII beziehen, Anspruch auf Leistungen zur Verhütung von Zahnerkrankungen haben und somit zur Verbesserung der Zahngesundheit beigetragen werden kann. Da die Regelung erst seit Juli 2018 in Kraft ist, können wir jetzt, Ende Oktober, noch keine wirklichen Erfahrungswerte haben. Ich hoffe aber, es gelingt, dass möglichst viele Versicherte diese Leistung in Anspruch nehmen können. Regelmäßige Besuche durch den Zahnarzt sind wichtig, aber zwischen den halbjährlichen Intervallen darf die tägliche Zahnpflege nicht zu kurz kommen. Welche Rolle spielt dieses Thema in der Pflegeausbildung und was hat sich hier in den letzten Jahren getan? Sind die Pflegekräfte vorbereitet für den richtigen Umgang etwa mit Prothesen oder Implantaten? In den letzten Jahren hat sich die Sensibilität für das Thema „Mundpflege“ schon deutlich erhöht. Unsere Auszubildenden werden während des Theorieunterrichts an unserer Altenpflegeschule im Rahmen der Unterrichtseinheit „Körperpflege“ von den Lehrkräften ausführlich auf Mund- und Zahnpflege sowie den Umgang mit Prothesen und Implantaten vorbereitet. Auch führen wir während des Unterrichts praktische Übungen mit unseren Schülerinnen und Schülern durch. Insofern hat das Thema in der theoretischen Ausbildung mittlerweile den Stellenwert, der ihm gebührt. Oft zeigt sich ZBW 11/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 15 aber in der Praxis, dass Inhalte des Theorieunterrichts wegen Zeit- oder Personalmangel nicht entsprechend umgesetzt werden können und sich dann im Laufe der Zeit auch verflüchtigen. Hier sehe ich durchaus noch großen Handlungsbedarf. Sie haben an Ihrer Schule bereits mit der Zahnärzteschaft zusammengearbeitet und den Vertragszahnarzt und Referenten für Alterszahnheilkunde Dr. Elmar Ludwig eingeladen. Wie waren Ihre Erfahrungen bzw. die Resonanz der Schülerinnen und Schüler? Würden Sie diese Kooperation fortsetzen? Unsere Erfahrungen waren durchweg positiv. Ein Fachmann für Alterszahnheilkunde kann unseren Auszubildenden das Thema natürlich sehr viel anschaulicher und fundierter näherbringen, als wir das als Pflegepädagogen tun können. Auch unsere Schülerinnen und Schüler waren vom Unterricht von Dr. Ludwig total begeistert und haben uns rückgemeldet, dass sie sehr viel mitgenommen haben. Für mich ist es absolut wünschenswert, diese Kooperation im Rahmen einer gesicherten Finanzierung fortzusetzen. Eine besondere Herausforderung ist die Pflege dementer Personen. Wie gelingt es, hier trotzdem eine sorgfältige Pflege von Zähnen oder Zahnersatz sicherzustellen? Hier gilt es, sich auf die speziellen Bedürfnisse und Ängste von Menschen mit demenziellen Erkrankungen einzustellen. Dazu gehören für mich in erster Linie das Wissen um die Symptome und Auswirkungen einer demenziellen Erkrankung und ein empathischer Umgang mit den dementen Menschen. Versorgung. „Ziel muss es sicherlich sein, dass es beim Thema „Zahngesundheit“ keinen Unterschied zwischen pflegebedürftigen und gesunden Menschen gibt“, so Katrin Altpeter. Die nötigen Kompetenzen auf Seiten des Pflegepersonals sind nur eine Seite der Medaille. Die Bedeutung der Mundpflege muss sich auch in der Arbeitsplanung einer Pflegeeinrichtung widerspiegeln. Haben die Pflegekräfte denn überhaupt ausreichend Zeit, um sich um die Mundpflege der Pflegebedürftigen zu kümmern? Das Argument „Zeit“ fällt häufig, wenn es um Fragen der Mundpflege geht. Für mich allerdings ist die Mundpflege ein elementarer Teil der Körperpflege und darf nicht vernachlässigt werden. Ausreichende personelle Ressourcen sind hierzu die fundamentale Voraussetzung. Hier haben wir noch dringenden Handlungsbedarf. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz sieht unter anderem vor, dass stationäre Pflegeeinrichtungen verpflichtender dazu angehalten werden, Kooperationsvereinbarungen mit Zahnärzten abzuschließen. Was erwarten Sie sich von dieser Regelung? Foto: dpa Ich hoffe sehr, dass die Möglichkeiten, die das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz bietet, von der Praxis auch wirklich wahrgenommen und umgesetzt werden. So kann sich längerfristig die Zahngesundheit von Pflegeheimbewohnern entscheidend verbessern. Wenn Sie nochmal politische Verantwortung übernehmen und bspw. einen Tag lang mit Gesundheitsminister Jens Spahn tauschen würden: Was würden Sie konkret für den Bereich Pflege, und hier mit besonderem Schwerpunkt auf die Mundgesundheit der Betroffenen, unternehmen? Ich glaube nicht, dass ein Tag ausreichen würde, um die Herausforderungen, die es beim Thema Pflege gibt, entsprechend anzugehen. Im Bereich „Mundgesundheit“ würde es für mich darum gehen, den Transfer „Theorie – Praxis“ wesentlich zu verbessern, nicht zuletzt auch durch Fort- und Weiterbildungen der Pflegenden in der Praxis. Aber auch dies kann nur ein Anfang sein. Herzlichen Dank für das Gespräch! Die Fragen stellte Holger Simon-Denoix www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2018

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