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Zahnmedizin im Nationalsozialismus

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Ausgabe 2-3/2022

Landeszahnärztekammer

Landeszahnärztekammer BaWü Körperschaft des öffentlichen Rechts Akademie Fortbildungsangebot Februar 2022 | März 2022 | April 2022 | Mai 2022 | Juni 2022 Team und ZFA Kurs Nr. 9313 | 9 Punkte Hybrid | Modul H3 „Aufbereitung von semi-/kritischen Medizinprodukten“ Referent: Dr. Carsten Ullrich, Mannheim Datum: 12.03.2022 Kursgebühr: 180 € nur noch online buchbar Kurs Nr. 9257 | 8 Punkte Einzelkurs | Alte Menschen gut versorgen – Das Wichtigste in Kürze Referent: Dr. Elmar Ludwig, Ulm Datum: 06.05.2022 Kursgebühr: ZÄ/ZA 450 € | ZFA 300 € Kurs Nr. 9343 Einzelkurs | Die Rezeption – das Herz der Praxis Referentin: Brigitte Kühn, ZMV, Tutzing Datum: 01.04.2022 Kursgebühr: 180 € Kurs Nr. 9344 Einzelkurs | Willkommen am Telefon – der erste Eindruck zählt Referentin: Brigitte Kühn, ZMV, Tutzing Datum: 02.04.2022 Kursgebühr: 180 € Starttermine Curricula Kurs Nr. 9275 | 13 Punkte Hybrid | Curriculum | Einzelkurs | Die Biologie der Pulpa und die Behandlungsprinzipien der Endodontie Referent: Prof. Dr. Edgar Schäfer, Münster Datum: 18.-19.02.2022 Kursgebühr: 650 € Start des Curriculums Endodontie Kurs Nr. 7145 | 16 Punkte Hybrid | Curriculum | Einzelkurs | Der sachgerechte Aufbau des Gutachtens und die Systematik der Evaluation Referenten: Prof. Dr. Winfried Walther, Waibstadt PD Dr. Martin Groten, Reutlingen, Dr. Bert Bauder, Mannheim Datum: 08-09.04.2022 Kursgebühr: 750 € Start des Curriculums Gutachtertraining Kurs Nr. 9300 | 13 Punkte Curriculum | Einzelkurs | Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): pathophysiologische Grundlagen, Diagnostik, Therapie Referenten: Prof. Dr. Alfons Hugger, Düsseldorf Prof. Dr. Hans-Jürgen Schindler, Karlsruhe Datum: 24.-25.06.2022 Kursgebühr: 650 € Start des Curriculums Funktion und Schmerz Einzelkurse Kurs 9262 | 16 Punkte Einzelkurs | Minimal-invasive Frontzahnästhetik mit Veneers & Co. – ein Arbeitskonzept für Zahnarzt und Zahntechniker Referent: PD Dr. Sven Rinke, M.Sc., M.Sc., Hanau Datum: 01.-02.04.2022 Kursgebühr: ZA 750 € | ZT 500 € (nur am 1. Seminartag) Kurs Nr. 9265 | 8 Punkte Curriculum | Einzelkurs | Traumatologie der bleibenden Dentition bei Kindern und Jugendlichen: Therapie in der Praxis Referent: Prof. Dr. Gabriel Krastl, Würzburg Datum: 06.05.2022 Kursgebühr: 550 € Abend-Online-Seminare Kurs Nr. 9287 | 2 Punkte Einzelkurs online | „Digitalisierung in aller Munde“ – Status quo Intraoralscan Referent: Prof. Dr. Jan-Frederik Güth, Frankfurt Daten: 15.03.2022 | 19.00 – 21.00 Uhr Kursgebühr: 90 € Kurs Nr. 9322 | 2 Punkte Einzelkurs online | Halitosis: Wie wir Mundgeruch erfolgreich behandeln können Referent: Prof. Dr. Andreas Filippi, Basel Datum: 05.04.2022 | 19.00 – 20.30 Uhr Kursgebühr: 90 € Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe | Lorenzstraße 7 | 76135 Karlsruhe | Fon +49 721 9181-200 | Fax + 49 721 9181-222 | fortbildung@za-karlsruhe.de

ZBW_2-3/2022 www.zahnaerzteblatt.de 9_LEITARTIKEL AUS DER GESCHICHTE LERNEN Die Rollen von Verfolgten und Tätern unter den Zahnärzten*innen im Nationalsozialismus wurden später als in einigen anderen Teilen der deutschen Gesellschaft erforscht. Im November 2019 wurden Ergebnisse eines gemeinsam von der Bundeszahnärztekammer, der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde geförderten Forschungsprojekts präsentiert. Nun liegen auch für Baden-Württemberg neue Erkenntnisse vor. Dr. Matthis Krischel Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Centre for Health and Society, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Einige Vorreiter hatte es seit den 1980er Jahren gegeben, einer breiten Öffentlichkeit wurden die Fakten zur Zahnmedizin im Nationalsozialismus aber erst vor wenigen Jahren bekannt. Die Ergebnisse schockierten selbst die Repräsentanten der beauftragenden Organisationen: Mehr als jede*r zehnte Zahnarzt*ärztin war ab 1933 aus rassistischen Gründen verfolgt und aus dem Beruf gedrängt worden. Gleichzeitig war ein hoher Prozentsatz der Zahnärzteschaft Mitglied der NSDAP geworden, unter den Hochschullehrern etwa 60 Prozent. Viele waren sogar der SS beigetreten. An der Meldung zur Zwangssterilisation von Patienten*innen mit Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten waren auch Zahnärzt*innen beteiligt. Durch ihre Mitarbeit hielten sie das System der Konzentrationslager aufrecht und überwachten dort den Raub des Zahngoldes ermordeter Häftlinge. Als Reaktion forderte der Präsident der BZÄK Dr. Peter Engel eine „Kultur der Erinnerung“. ERINNERN FUNKTIONIERT Erinnern funktioniert dort, wo Menschen sich mit Geschichte identifizieren können, wo sie sich von ihr abgrenzen wollen. Das Erinnern an die Zeit des Nationalsozialismus und seine Verbrechen, aber auch die Sensibilisierung für Mechanismen gesellschaftlicher Radikalisierung, welche erst Ermöglichungsräume für diese Verbrechen schufen, bleiben wichtig. Es gelingt dann, wenn Menschen sich mit der Geschichte identifizieren können, wenn sie Gemeinsamkeiten mit verfolgten Personen entdecken (gleicher Wohnort, gleicher Beruf) oder wenn sie sich von Täter*innen und Mitläufer*innen abgrenzen, zu denen sie einen geographischen oder professionellen Bezug haben. In diesem Heft wird an Zahnärzt*innen aus Südwestdeutschland erinnert, die ab 1933 auf Grund ihrer jüdischen Religion oder Herkunft verfolgt, aus dem Beruf gedrängt, verhaftet und – wenn sie nicht aus Deutschland fliehen konnten oder wollten – ermordet wurden. Helmut Himpel bleibt als Widerstandskämpfer im Gedächtnis. Er wurde im Schwarzwald geboren und studierte in Freiburg Zahnmedizin. Ursprünglich nicht selbst zu den Verfolgten zählend, sollte er nach Beginn des Zweiten Weltkriegs gegen das NS-Regime in Opposition treten, seine jüdischen Mitbürger*innen durch Zahnbehandlung und das Beschaffen von Lebensmittelkarten unterstützen und als Mitglied der „Roten Kapelle“ Flugblätter und Klebezettel verteilen, in denen die Verbrechen der Nationalsozialisten benannt und kritisiert wurden. Nach der Zerschlagung der Widerstandsgruppe wurde Himpel verhaftet und 1943 hingerichtet. Nicht nur im 1952 entstandenen Land Baden-Württemberg war die Nachkriegszeit durch zahlreiche Kontinuitäten gekennzeichnet. Ehemalige Mitglieder der NSDAP konnten, wenn sie nicht nachweislich persönlich in schwerste Verbrechen verstrickt waren, nach kurzen Unterbrechungen ihre Karrieren fortsetzen. Dies galt nicht nur für niedergelassene Zahnärzte, sondern in vielen Fällen auch für Professoren an den Universitäten. Hans Filbinger, Ministerpräsident in Stuttgart von 1966 bis 1978, trat von seinem Amt erst zurück, nachdem der Dramatiker Rolf Hochhuth ihn öffentlich für seine Rolle als „Hitlers Marinerichter“ kritisiert hatte, der noch zu Kriegsende Todesurteile gegen Matrosen und Deserteure durchgesetzt hatte. TEIL DER AUS- UND WEITERBILDUNG Die ersten Studierenden der Zahnmedizin beginnen gerade ihre Ausbildung nach der neuen, 2019 veröffentlichten Approbationsordnung. Danach ist ein Kurs in Ethik und Geschichte der Medizin und Zahnmedizin obligat. In diesem Rahmen wird zweifellos auch die Geschichte des Faches im Nationalsozialismus zu thematisieren sein. An den einzelnen universitären Standorten werden Geschichten der Verfolgung und Ausgrenzung von Kollegen*innen, der oftmals freiwilligen Selbstgleichschaltung, der Kollaboration mit der Gesundheitspolitik des Nationalsozialismus und der Kontinuitäten über die Zäsur 1945 hinaus in lokalen Kontexten, mit regionalen Beispielen zu illustrieren sein. Aber auch in der Weiterbildung und den Aktivitäten der Zahnärztekammern sollten die (Zahn-)Medizin im Nationalsozialismus und ihre bioethischen Implikationen bis heute eine Rolle spielen. Das vorliegende Themenheft des Zahnärzteblatts Baden-Württemberg zeigt, dass dieser Impuls im Südwesten angekommen ist. Nun ist es an den Mitgliedern der Profession, ihn aufzunehmen: Übernehmen Sie die Patenschaft für einen Stolperstein, der an vertriebene Kollegen erinnert, hinterfragen Sie die Karrieren von Fachvertretern aus der Nachkriegszeit, nach denen vielleicht bis heute ein Preis oder eine Institution benannt ist. Aber vor allem: Setzen Sie sich auch heute für eine offene Gesellschaft ein und für ein Gesundheitssystem, in dem alle Menschen mit Respekt behandelt werden – nicht nur zahnmedizinisch.

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

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