Aufrufe
vor 1 Jahr

Zahngesundheit von Kleinkindern im Fokus

Ausgabe 11/2019

Fortbildung 41 me

Fortbildung 41 me Funktionsstörungen und somatoforme Schmerzstörungen. Diese Patienten zeichne penetrantes und hartnäckiges Auftreten aus, weil sie immer wieder nach weiteren Untersuchungen nachfragten. Sogenanntes Doktor-Shopping oder -Hopping unterliegen dem sogenannten Koryphäen-Killersyndrom. Sein Rat, „generell auf Zwischentöne achten und sich nicht vereinnahmen lassen, immer Abstand halten“. Bruxismus. Ausgehend von der Definition für Bruxismus, der sich durch wiederholte Kaumuskelaktivität, durch Kieferpressen und Zähneknirschen und/oder Anspannen oder Verschieben des Unterkiefers ohne Zahnkontakt beschreiben lässt, eröffnete Dr. Bruno Imhoff, Köln, seinen Vortrag über neue Erkenntnisse und Therapieansätze bei Bruxismus. Er unterschied zwei unterschiedliche Typen, zum einen den Schlafbruxismus, der während des Schlafs auftritt, und den Wachbruxismus während des Wachseins. Der Schlafbruxismus ist gekennzeichnet durch eher dynamische Aktivitäten, durch tonische Anspannung der Kaumuskeln, oft auch Zungen- und Wangenpressen, was immer korrespondierend mit Schnarchen ist. Schlafentzug fördere den Bruxismus, betont Bruno Imhoff. Der Wachbruxismus, der durch tonische Kontraktion über zwei Sekunden Pressen sich äußert, kann auch in Kombination mit dynamischem Bruxismus auftreten. Primäre Ursachen (idiopathisch) sind Angst, Stress, Depressivität oder genetische Faktoren. Sekundär werden unterschieden: Schlafstörungen (Insomnie), Medikamente (z. B. Antidepressiva, Antikonvulsiva, Antihistaminika, dopaminerge Präparate, Drogenkonsum (wie z. B. Rauchen, Alkohol, Koffein, Amphetamine) und Erkrankungen (wie z. B. Parkinson). Epidemiologisch kann festgestellt werden, dass der Schlafbruxismus bei Kindern 53 bis 57 Prozent betreffe, bei Erwachsenen 13 ± 3 Prozent und von Wachbruxismus bei Erwachsenen 22 bis 31 Prozent betroffen sind. Die höchste Prävalenz ist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Bruxismus beschreibe ein Verhalten, so Dr. Imhoff. Risikofaktoren sind nichtkariöser Zahnhartsubstanzverlust, Myopathie und Arthropathie. Protektive Faktoren seien Reduktion der Säurewirkung bei Reflux, Offenhalten der oberen Atemwege bei schlafbezogenen Atemstörungen und bessere Befeuchtung des Mundes, insbesondere auch des Rachens. Die möglichen negativen Folgen des Bruxismus sind Schmerzen der Kaumuskulatur, Schmerzen in Kiefergelenken, Schläfenkopfschmerz, vor allem beim Aufwachen, Nackenschmerz, schlechte Schlafqualität. Weitere negative Folgen können überempfindliche Zähne sein, verstärkte Attrition, keilförmige Zahnhalsdefekte, Zahnbeweglichkeit ohne parodontale Probleme, Schäden an Restauration. Die klinischen Zeichen können nonkariogener Zahnhartsubstanzverlust sein, BRUXISMUS-SCREENING der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) Zungen- und/oder Wangenimpression, Gingivarezession, hypertrophe Kaumuskeln, eingeschränkte Kieferöffnung. Insbesondere der Wachbruxismus ist ein Risikofaktor für CMD und macht bei CMD- Patienten mindestens 82 Prozent aus. Zum Abschluss seines Vortrags stellte er einen Anamnesebogen für das Bruxismus-Screening vor, der wertvolle Hilfestellung bei der Diagnostik dem Zahnarzt bietet. Und last but not least stellte Prof. Dr. Karl-Thomas Wrbas, Freiburg, endodontische Schmerz- und Notfälle, Stressfaktoren für Patient und Behandler, vor. Dieses Thema wird in einer der nächsten ZBW-Ausgaben ausführlich bearbeitet werden. Bereits heute sollten alle Interessierten sich den Termin der 55. Bodenseetagung der BZK Tübingen in Lindau am 18. und 19. September 2020 vormerken. » johannes.clausen@izz-online.de Patientennummer Name, Vorname Geburtsdatum Untersuchungsdatum Bewertung Anamnese (A) A1 Selbstauskunft oder Bericht von Angehörigen über Knirschen oder Klappern mit den Zähnen A2 Beschwerden der Kaumuskulatur wie Missempfindungen, Schmerzen, Ermüdung/vorübergehende Steifigkeit A3 Vorübergehende Schläfenkopfschmerzen A4 Empfindliche Zähne Untersuchung (U) U1 Hypertrophie der Mm. masseteres U2 Kongruente Schlifffacetten in exzentrischer Okklusion U3 Zungen- und/oder Wangenimpressionen von Zähnen Bruxismus unwahrscheinlich (A1 bis U3 sind mit „nein“ beantwortet) möglicher Bruxismus (nur A1 wird mit „ja“ beantwortet) wahrscheinlicher Bruxismus (zusätzlich oder nur positive Antworten bei A2 bis U3) ja ja nein nein Copyright: Lange I Ahlers I Mentler I Ottl I Peroz I Wolowski I 2019 www.zahnaerzteblatt.de © Copyright: Lange I Ahlers I Mentler I Ottl I Peroz I Wolowski I 2019 ZBW 11/2019

42 Fortbildung 48. Tagung für Zahnmedizinische Mitarbeiter/innen der BZK Tübingen Rundum-Vorsorge in Lindau Professioneller und individueller Vorsorge widmeten sich rund 400 Zahnmedizinische Mitarbeiterinnen von 20. bis 21. September in Lindau. LZK- und BZK-Referent für Zahnmedizinische Mitarbeiter/ innen, Dr. Bernd Stoll hatte ein überaus vielseitiges Fortbildungsprogramm zur 48. Auflage der renommierten Fortbildungstagung der Bezirkszahnärztekammer Tübingen aufgelegt: Von der Therapie parodontaler Erkrankungen, der richtigen Dosis Humor auf Rezept über das Erkennen von Risikopatienten jedes Alters bis zu gelebter Ergonomie und empfehlenswerten Ernährungsempfehlungen spannten die fünf Referentinnen und Referenten einen großen Präventions-Bogen. Ehrungen. Zwei Klassenbeste – Olaf Knirsch und Jana Gödde – und drei Berufsjubilarinnen – Anja Kelbing für 25 Jahre, Claudia Lehn für 30 Jahre und Ursula Hebeisen für 40 Jahre durfte Dr. Bernd Stoll (l.) in diesem Jahr in Lindau ehren. rapie parodontaler Erkrankungen auf den Stand der Dinge. Im ersten Teil erläuterte er die seit kurzem gültige neue Klassifizierung parodontaler Erkrankungen. Erstmals nach den drei vorangegangenen Einteilungen definiert die neue Klassifizierung parodontale Gesundheit. Die beiden entscheidenden Parameter der neuen Klassifizierung sind die Schwere und das Ausmaß der Parodontitis bzw. die Komplexität der Rehabilitation (Staging) sowie das zukünftige Risiko einer erneuten Erkrankung (Grading). Verblüffende Ergebnisse. Parodontitis ist eine chronische, multifaktorielle, inflammatorische Erkrankung. Bei der Prävention und Be- Sein letzter Vortrag in Lindau liegt schon einige Jahre zurück und die Übersetzung der englischen Folien in deutsche Sprache bereiteten ihm einiges Kopfzerbrechen – aber noch immer überzeugte er mit fachlich fundierten Empfehlungen, klaren unmissverständlichen Aussagen und einer unverwechselbaren Heidenheimer Authentizität. Auf den Head of Periodontics des Sydney Dental Hospital und Clinical Associate Professor an der Universität von Sydney, Prof. Dr. Axel Spahr, als Referenten in Lindau war Dr. Bernd Stoll sichtlich stolz. Prof. Spahr zündete dann auch ein wahres Feuerwerk – in drei Teilen brachte er die anwesenden Damen in puncto Prävention und Thehandlung konzentriert man sich auf die Entfernung des oralen Biofilms, in der Praxis und zu Hause sowie die Korrektur der Gewohnheiten der Patienten. Das Dilemma ist, dass der Biofilm nur bedingt chemisch bekämpft werden kann, nur die Kombination mit manueller Mechanik sichert den Erfolg. Laut Studien bilden vor allem linguale Flächen und interdentale Bereiche Plaque. Wie sollen die Patienten also am besten putzen? Prof. Spahr präsentierte einige verblüffende Ergebnisse: Es gibt keine Evidenz für eine bestimmte Zahnputztechnik. Weiche Borsten haben keinen Effekt für die Plaquereduktion. Für die 2-Minuten-Putzdauer-Empfehlung gibt es keine Evidenz, zumal die Patienten real ohnehin nur 30 bis 60 Sekunden putzen. Mehr Plaque entfernt man ohne Zahnpasta, dennoch ist es besser, man verwendet Zahnpasta wegen des Fluorids, „Zinnfluorid hat die beste antibakterielle Wirkung“. Elektrische Zahnbürsten sind besser als manuelle, bei den elektrischen sind rotierend-oszillierende den Schallzahnbürsten überlegen – wenn sie im 90 Grad Winkel an den Zahn angelegt werden und keine eigenen Putzbewegungen gemacht werden. Auch bei der Interdental-Hygiene machte Prof. Spahr seinen unnachahmlichen Realitätscheck und brachte wiederum einige Überzeugungen zu Fall: Zahnseide bringt nichts zur Plaquereduktion. Beim Implantat ist sie sogar kontraproduktiv. Bei den Mundspüllösungen ist CHX noch immer der Goldstandard, aber die Konzentration ist wichtig und gänzlich wirkungslos ist CHX mit ADS Antiverfärbung. Den zweiten Teil seiner Ausführungen schloss Prof. Spahr mit der Empfehlung IDT – nach dem Prinzip I Information, D Demonstration und T Therapie wird dem Patienten etwas beigebracht. Frisch gestärkt nach dem Mittagessen, dokumentierte Prof. Spahr im dritten Teil anhand einiger Patientenfälle, dass „es den einen PAR- Patienten nicht gibt“. Initial- und Erhaltungstherapie spielen dennoch die ZBW 11/2019 www.zahnaerzteblatt.de

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz