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Zahngesundheit von Kleinkindern im Fokus

Ausgabe 11/2019

Fortbildung 39 54.

Fortbildung 39 54. Bodenseetagung in Lindau am 21. September 2019 Phänomen Mund und Zähne Zwei Fortbildungstage, Themen, die renommierte Referenten mit Praxisbezug spannend zu gestalten wussten. Prof. Dr. Bernd Haller, Fortbildungsreferent der BZK Tübingen, hatte mit Prof. Dr. Axel Spahr, heute Sydney, früher Ulm, einen der bekanntesten Parodontologen für den ersten Vortrag des zweiten Fortbildungstages in Lindau gewinnen können. Dem Phänomen Mund und Zähne als gemeinsames Problemfeld von Psychiater und Zahnarzt ging Dr. Martin Gunga aus Lippstadt auf den Grund. Dr. Bruno Imhoff, Köln, stellte neue Erkenntnisse und Therapieansätze bei Bruxismus vor. Endodontische Schmerz- und Notfälle, Stressfaktoren für Patient und Behandler, standen im Mittelpunkt des Vortrages von Prof. Dr. Karl-Thomas Wrbas, Freiburg. Biofilmkontrolle. „Wenn die Mundhygiene passt, dann gibt es selten Zahnverlust“, sagt Prof. Axel Spahr. „Welche Mundhygiene- Empfehlungen sind wirksam, und wie valide sind unsere Empfehlungen?“, fragt Prof. Spahr. Gibt es eine Evidenz für eine bestimmte Putztechnik? Weiche oder harte Zahnbürsten? Prof. Spahrs erste Feststellung: „Weiche Zahnbürsten erreichen niemals das gleiche Ergebnis wie eine mittelharte, d. h. 30 Prozent weniger Biofilmkontrolle bei weichen Zahnbürsten.“ Darüber hinaus betonte er, dass Rezessionen nicht abhängig von Bürsten seien. Was den Zeitfaktor für die Mundhygiene mit der Zahnbürste betreffe, empfiehlt Prof. Spahr drei bis vier Minuten, aber auch zwei Minu- Benutzung von elektrischen Zahnbürsten zu befürchten, da der Bürstendruck gering sei. Studien hätten deutlich gezeigt, dass bei einer 16°-Anwinkelung der Borsten der elektrischen Zahnbürste die höchste Plaque-Entfernung erzielt werde. Insgesamt seien die oszillierenden, rotierenden Bürsten 30 Prozent besser als Schallzahnbürsten. Im Hinblick auf die Nutzung von Zahnseide sieht Prof. Spahr keinen Benefit und keinen Einfluss auf die Vermeidung von Gingivitis. Mit einer Ausnahme: Nur bei professioneller Anwendung wie z. B. von Dentalhygienikerinnen habe eine Studie nachgewiesen, dass es einen Benefit im Hinblick auf die Plaque- Kontrolle gebe. Deswegen präferiere er Interdentalbürstchen, weil diese 30 Prozent mehr Biofilmkontrolle bewirkten. Allerdings sollte man auf die Bürstenform achten, denn zylinderförmige Interdentalbürstchen seien besser geeignet als tannenbaumförmige. Zur Munddusche merkte er an, dass sie anscheinend „etwas bringe“. Vielleicht vor dem Hintergrund, dass die Munddusche leichter anzuwenden sei als Zahnseide. In Bezug auf Chlorhexidin sei die Datenlage eindeutig. Bei 0,2 mg zweimal am Tag 30 Sekunden sei eine deutliche Mundhygieneverten seien schon von Vorteil. Allerdings hätten Studien ergeben, dass Zahnbürsten „in der Regel nur 30 Sekunden in Gebrauch sind“. Für die Zungenbürste gibt es ebenfalls eine Evidenz. Und tendenziell habe es sich gezeigt, dass einmal am Tag die Zungenbürste von Vorteil bei der Mundhygiene sei. Zahnpasten haben einen signifikanten Vorteil bei der Biofilmkontrolle, primär wegen des enthaltenen Fluorids. Zinkfluorid in der Zahnpasta sei in der Wirkung besser als z. B. Natriumfluorid. Im Hinblick auf elektrische Zahnbürsten und ihre Effizienz riet er eindeutig zu den oszillierenden elektrischen Zahnbürsten, die jeden Hand- und Schallzahnbürsten überlegen seien. Darüber hinaus seien keine Rezessionen bei der Vorteilhaft. Oszillierende, rotierende Bürsten sind gegenüber Schallzahnbürsten wesentlich effektiver bei der Biofilmkontrolle, betonte Dr. Axel Spahr. Gemeinsames Problemfeld. Mund und Zähne als gemeinsames Problemfeld von Psychiater und Zahnarzt standen im Mittelpunkt des Vortrags von Dr. Martin Gunga. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2019

40 Fortbildung Bruxismus. Neue Erkenntnisse und Therapieansätze beschrieb Dr. Bruno Imhoff in seinem Vortrag. Stressfaktoren. Endodontische Schmerz- und Notfälle, die bei Patient und Behandler Stress verursachen, stellte Prof. Dr. Karl- Thomas Wrbas vor. Fotos: Bamberger besserung nachweisbar. Chlorhexidin 0,2 mg sollte „zweimal am Tag 30 Sekunden im Mund verbleiben, mehr mache keinen Sinn, und dreimal bringe nichts“, so Prof. Spahr. Spüllösungen mit Alkohol sind signifikant effektiver als ohne Alkohol. Bei Listerine ® sei die Mundspüllösung mit Alkohol immer der ohne Alkohol vorzuziehen. Deutlich lehnte er Handküretten ab, denn diese zerstörten die Gingiva und die Zahnwurzel. Sie seien höchstens noch als Kontrollmittel anwendbar. Ultraschallküretten seien entscheidend besser. In Bezug auf Lokalantibiotika bei Parodontitis stellte er fest, dass man mindestens drei Monate in die Tasche spritzen müsste, um einen Effekt nachzuweisen, „deswegen sollte man dies lieber lassen“. Gute Ergebnisse bis sehr gute Ergebnisse wären mit Air-Flow ® zu erzielen, insbesondere subgingival sei mit den neuen Pulvern keine Schädigung mehr verbunden. Air- Flow plus ® sei sehr gut, weil es nicht nur antibakteriell wirke, sondern direkt in der Tasche resorbiert wird. Mit 30 bis 60 Prozent Winkelneigung solle das Airflow-Gerät im Sulcus bewegt werden, Stage 1 und Stage 2 bis 5 mm. Bei vertikaler Bewegung entferne Air-Flow ® mehr Biofilm als Ultraschall oder Kürette. Fazit: „Air-Flow ® ist State of the Art“. Von Ölen, insbesondere Ölziehen, riet er ab, weil es bei unsachgemäßer Verwendung in die Lunge gelangen könne. Auch Omega- 3-Fischöl in der Kombination mit Aspirin 100 diskutierte Prof. Spahr. Er zeigte, wenn Fischöl in Kombination mit Aspirin 100 genutzt werde, ist die Heilung deutlich besser. Zähne und Psyche. Dr. Martin Gunga, erfahrener Gutachter im Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie und gern gesehener Referent bei zahnärztlichen Fortbildungstagungen, widmete sich Mund und Zähnen als dem gemeinsamen Problemfeld von Psychiater und Zahnarzt. Dabei gab er wertvolle Tipps zu Diagnostik und Therapie und zur Vermeidung von Behandlungskarrieren. Wie relevant psychische Störungen für Arzt und Zahnarzt sein können, schilderte Dr. Gunga. Bei ungefähr „einem Drittel der Bevölkerung, lassen sich bezogen auf ein Jahr, eine oder mehrere klinisch relevante psychische Störungen nachweisen“. Somit habe „jeder einen gewissen Pool von Patienten, die schwierig sind“. Sein Tipp: „Nehmen Sie Patienten immer ernst.“ Auch vor dem Hintergrund, dass Patienten durchaus gefährlich werden können. Nach Politikern, Taxifahrern, Tankwarten und Psychiatern stehen in Amerika an fünfter Stelle bereits Zahnärzte, deren Leben durch Patienten gefährdet wurde. „Machen Sie möglichst nichts allein, insbesondere im Nachtdienst oder Notdienst“. Er berichtete von Patienten, die höchst depressiv waren, und zwar bereits seit sechs bis acht Jahren. Sie gingen zwar zum Zahnarzt, nicht aber zum Psychiater. Er betonte, dass er nicht von einem Einzelphänomen spreche, sondern von einem Massenphänomen, und „Patienten mit Behandlungskarrieren heute sehr, sehr häufig anzutreffen sind“. Insbesondere bei schizophrenen Patienten sei Vorsicht angebracht. Pseudoschmerzen, insbesondere auch bei Prothesenunverträglichkeit, sind Symptome, die auf psychische Störungen bei Patienten hindeuteten. Versuchen Sie nicht, dagegenzuhalten, das ist ein „fataler Fehler. Bevor Sie überreagieren, schlafen Sie darüber nach dem Motto: erst die preußische Nacht noch genießen“. Die Mundregion bezeichnete er als Krisenregion, denn dort sei „viel Seele rund um Mund und Zähne“. Brandgefährlich seien diejenigen, „die die Schuld immer anderen in die Schuhe schieben wollen“. Deswegen seien Ärzte und Zahnärzte besonders gefährdet, denn diese Leute wollten sich rächen. Deswegen riet er dazu, so genau wie möglich Situationen zu dokumentieren, wenn nötig einen Cut zu machen. Das ist besser als nachher das Opfer zu sein. Gerade bei schizophrenen Erkrankungen sei das genaue Hinhören wichtig. Sein Rat: „stets vorsichtig sein“. Weitere Typen und Problemfelder betrafen den Dentistophobiker, der von vornherein gegenüber Zahnärzten eine gewisse Erwartungsangst an den Tag legt. Auch Patienten mit Panikstörungen habe er in seinem langen Berufsleben oft gesehen, sie haben die Furcht zu sterben. Dazu beschrieb er somatoforme autono- ZBW 11/2019 www.zahnaerzteblatt.de

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