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Zahngesundheit von Kleinkindern im Fokus

Ausgabe 11/2019

Fortbildung 35 Abb. 7

Fortbildung 35 Abb. 7 Abb. 8 Abschlusssituation nach prothetischer Versorgung (Abb. 7). Röntgenkontrolle, 4 Jahre nach Behandlungsabschluss. Die Implantate im Unterkiefer sind vollständig osseointegriert (Abb. 8). Fotos: Dr. Korsch ferprothese umgearbeitet. Nach einer Wartezeit von circa drei Monaten erfolgte die 3D-Rekonstruktion im Unterkiefer mittels Schalentechnik. Der benötigte autologe Knochen wurde beidseits aus der Linea obliqua mandibulae Regio 38 und 48 entnommen; extraoral wurden Knochenscheiben von diesen Transplantaten gewonnen. Um das Dehiszenzrisiko zu minimieren, erfolgte der Zugang Regio 34-36 und 44-46 mittels Tunneltechnik. Dadurch konnte ein krestaler Schnitt vermieden werden. Über diesen Tunnel konnten die Knochenscheiben lateral und krestal in Regio 35-36 sowie Regio 45-46 zur dreidimensionalen Rekonstruktion mit Osseosyntheseschrauben fixiert werden (Abb. 2 und 3). Die Spalträume zwischen Knochenscheiben und originärem Knochen wurden mit partikuliertem Knochen aufgefüllt. In Regio 34 sowie 44 wurden über dieselben Zugänge simultan Implantate inseriert (Abb. 4). Implantologische Therapie. Nach einer Einheilphase von drei Monaten wurden die Implantate in die gewünschten Positionen 36 und 46 inseriert und die Implantate Regio 34 und 44 freigelegt. Die Transplantate waren gut revaskularisiert (Abb. 5). Zur Vermeidung der Interimsprothese wurden auf Wunsch der Patientin die Implantate Regio 34 und 44 mit provisorischen Kronen versorgt. Nach einer weiteren Einheilphase von drei Monaten wurden die Implantate Regio 36 und 46 freigelegt. Aufgrund eines fehlenden Vestibulums sowie unzureichender keratinisierter Mukosa erfolgte simultan mit der Freilegung eine Vestibulumplastik in Kombination mit einer Schleimhauttransplantation. Die Transplantate wurden aus dem Gaumen gewonnen (Abb. 6). Beckenkammtransplantate möglich sei. Da die Patientin einen möglichst geringen Aufwand betreiben wollte, um ihre Gebisssituation zu verbessern, entschied sie sich gegen solch ein Augmentationsverfahren. Die Augmentation von Beckenkamm zur Kieferknochenerhöhung wird kontrovers diskutiert, da es aufgrund des hohen Anteils an Spongiosa zu unvorhersehbarer Knochenresorption kommen kann. Des Weiteren wird eine höhere Infektions- und Verlustrate bei Beckenkammtransplantaten beobachtet. In diesem Fallbericht wurde der benötigte Knochen zur dreidimensionalen Rekonstruktion der Unterkieferresorption aus dem Kieferwinkel entnommen. Die Patientin trug im Oberkiefer einen festsitzenden und im Unterkiefer einen herausnehmbaren Zahnersatz. Anzumerken sei, dass unterschiedliche Verankerungsmethoden von Zahnersatz in Ober- und Unterkiefer zu subjektiver Unzufriedenheit von Patienten führen können. Durch die Rekonstruktion des Unterkiefers mittels 3D-Blocktransplantaten aus dem retromolaren Bereich des Unterkiefers und der Eingliederung eines festsitzenden Zahnersatzes konnte der Patientin der Wunsch nach festen Zähnen ermöglicht werden. Somit blieb der Patientin eine größere Operation mit möglicher langandauernder Rehabilitation, stationärem Aufenthalt und erhöhtem Operationsrisiko erspart. Auch vier Jahre nach der Augmentation ist keine signifikante Knochenresorption an den inserierten Implantaten zu erkennen (Abb. 8). Priv.-Doz. Dr. med. dent. Michael Korsch, M.A. Dr. med. dent. Abdel-Karim Mamar Prothetische Therapie. Sechs Wochen nach Abschluss der chirurgischen Maßnahmen erfolgte die prothetische Versorgung mittels Kronen und Brücken. Hierbei wurden die Unterkiefereckzähne 33, 43 erneut beschliffen, Kronen hergestellt und mit Phosphat-Zement [Harvard Zement ® ] definitiv eingegliedert. Die implantatgetragenen Brücken wurden mit TempBond ® definitiv zementiert (Abb. 7). Eine Röntgenkontrolle erfolgte vier Jahre nach Behandlungsabschluss (Abb. 8). Epikrise. Die Patientin stellte sich zur Zweitmeinung vor. Im ersten Beratungsgespräch wurde ihr vermittelt, dass eine Rekonstruktion des Unterkiefers nur durch PD. Dr. Michael Korsch, M.A. Dr. Abdel-Karim Mamar Fachzahnarzt für Oralchirurgie Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Zentrum für Implantologie und Oralchirurgie Heidelberg Zentrum für Implantologie und Oralchirurgie Heidelberg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 11/2019

36 Fortbildung 54. Bodenseetagung in Lindau am 20. September 2019 Herausforderungen in der Zahnarztpraxis Auch in diesem Jahr durften sich die Veranstalter der 54. Fortbildungstagung der Bezirkszahnärztekammer Tübingen über ein volles Haus freuen. Dr. Wilfried Forschner, Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Tübingen, konnte am 20. und 21. September 2019 in der Inselhalle Lindau über 500 Zahnärztinnen und Zahnärzte begrüßen, die sich mit besonderen Herausforderungen in der Zahnarztpraxis auseinandersetzten. Es war ein trauriges Ereignis, über das Dr. Wilfried Forschner zu Beginn berichtete. Zwei Wochen zuvor, am 6. September 2019, war Prof. Dr. Dr. h. c. Erich Körber, langjähriger Leiter der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten in Tübingen, im Alter von 94 Jahren verstorben. Der BZK- Vorsitzende nahm dies zum Anlass für einen kurzen Rückblick auf das Leben und Wirken Prof. Körbers. Als besonderes Lebenswerk hob er die Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie ADT e. V. hervor, die Prof. Körber mitbegründete und dessen 1. Vorsitzender er von 1978 bis 1992 war. Leitgedanke der diesjährigen Bodenseetagung „Herausforderungen erkennen und bewältigen“ war die Auseinandersetzung mit komplexen Situationen in der Zahnarztpraxis und „Aufgaben, die einen fordern”. Prof. Dr. Bernd Haller, Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie am Universitätsklinikum Ulm, und wissenschaftlicher Leiter, brachte die Thematik mit einem Zitat von Sean Connery auf den Punkt: „Nichts ist hilfreicher als eine Herausforderung, um das Beste in einem Menschen hervorzubringen“. Deshalb sei es wichtig, „Herausforderungen anzunehmen und immer wieder neue Herausforderungen zu suchen“. Die große Bandbreite von Themen am ersten Fortbildungstag der Bodenseetagung bot den Zahnärztinnen und Zahnärzten hierfür eine gute Gelegenheit. Zahnerhalt. Prof. Dr. Matthias Kern, Kiel, zeigte in seinem Vortrag „Zahnersatz ohne Implantate eine Alternative? Nicht selten die Bessere!“, dass Implantate nicht immer die bessere Alternative sind. „Adhäsivbrücken können in vielen Fällen ebenso gute Ergebnisse liefern“, betonte Prof. Kern. Dies belegte er auch anhand einer aktuellen Studie, bei der Adhäsivbrücken bei der klinischen Langzeitbewährung sehr gut abgeschnitten haben. Faktoren wie das jugendliche Alter des Patienten, Risikopatienten, eingeengte Lücken, unzureichendes Knochenangebot, angulierte Wurzeln, aber auch das Ablehnen von Implantaten seitens des Patienten und geringe finanzielle Mittel seien Argumente für den Einsatz einer Adhäsivbrücke. Prof. Kern stellte das Kieler Behandlungskonzept vor und zeigte Beispiele, bei denen das Langzeitprovisorium zur definitiven Versorgung wurde, die über 20 Jahre im Mund des Patienten verblieb. In anderen Fällen wiederum wurde die Vollkeramik nach einiger Zeit in eine metallkeramische Versorgung überführt. Als weitere zahnerhaltende Maßnahmen diskutierte er die Tunnelierung, Pfeilerzahnverlängerung, Endodontie und Stiftkernaufbau sowie die kieferorthopädische Extrusion. Abschließend appellierte er an die Zahnärztinnen und Zahnärzte: „Zahnersatz und Implantate sind dafür da, fehlende Zähne zu ersetzen, nicht aber, um vorhandene erhaltbare Zähne zu ersetzen.“ Kausystem. Kritisch hinterfragte PD Dr. Daniel Hellmann, Würzburg, in seinem Vortrag „Schreckgespenst ‚Ganzkörper-CMD‘“ vor dem aktuellen Stand der Wissenschaft bisherige Annahmen in Bezug auf die Craniomandibuläre Dysfunktion. Herausforderungen. Prof. Dr. Bernd Haller, wissenschaftlicher Leiter der Bodenseetagung, stellte das Erkennen und Bewältigen von Herausforderungen in den Fokus der diesjährigen Tagung. Begrüßung. Dr. Wilfried Forschner, Vorsitzender der BZK Tübingen, unterstrich die Bedeutung der Fortbildung, die die Zahnärzteschaft seit nunmehr 70 Jahren in Baden-Württemberg anbietet. ZBW 11/2019 www.zahnaerzteblatt.de

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