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Zahnärztliche Versorgung

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8-9/2022

42_FORTBILDUNG

42_FORTBILDUNG ZBW_8-9/2022 www.zahnaerzteblatt.de ZFZ-Sommerfest in Ludwigsburg RIESENRAD, BARBECUE, MASKED SPEAKER Hybrid-Format kann bisweilen ein wenig anstrengend sein. Erst sehen wir ZFZ-Direktorin Dr. Yvonne Wagner und DGDH-Vorsitzende Sylvia Fresmann im Flowerpower-Look am großen Monitor des Forums Ludwigsburg bei der Begrüßung der über 200 Online-Teilnehmerinnen und -teilnehmer. Dann eilen die beiden Damen aus dem Übertragungsstudio auf die Bühne des Forums und heißen gemeinsam mit Dr. Eberhard Montigel, Vorsitzender des ZFZ-Verwaltungsrates, die über 500 in Präsenz Anwesenden willkommen. Die Freude, erstmals nach 2019 wieder in viele lachende Gesichter im Auditorium zu blicken, war allen dreien anzumerken. durch das Forum zu schieben. Diese Übung war nur einer der vielen Tipps und Anregungen des Fitness- und Gesundheitscoachs, um fitter, agiler, leistungsfähiger und ausgeglichener zu werden: Im Job, im Privatleben und persönlich. „Mein Fitnesstraining handelt von Routinen“, erläuterte Thomas Eberl sein Konzept. Es gehe darum, das Training so zu ritualisieren wie das morgendliche Zähneputzen. „Sie sollen Übungen entdecken, die Ihnen so guttun, dass Sie sie gerne jeden Tag machen“. Man dürfe sich nicht vom Alltag erdrücken lassen, sondern müsse Pausen einlegen und ein Gefühl dafür entwickeln, was man seinem Körper Gutes tun kann. Prinzip der ritualisierten Minimal-Kontinuität – mit diesem Schlagwort fasste Thomas Eberl abschließend seine Fitness-Philosophie zusammen. Fliegender Wechsel. Vom Übertragungsstudio auf die Bühne – die Gastgeberinnen Dr. Yvonne Wagner (l.) und Sylvia Fresmann. Unter dem Tagungsmotto „ZahnME- DIZIN – Zusammen für unsere Patienten“ veranstalteten das ZFZ Stuttgart und die Deutsche Gesellschaft für Dentalhygieniker/innen das diesjährige Sommerfest als Gemeinschaftsveranstaltung. Fitness, Ernährung, CMD, Parodontologie – ZFZ-Direktorin Dr. Yvonne Wagner war sich sicher, dass für alle Zielgruppen des diesjährigen Sommerfestes das Richtige dabei ist und ein guter Programm-Mix gefunden wurde. PRINZIP DES RITUALS Den Auftakt bildete Thomas Eberl, der das Publikum animierte, in wippenden Kniebeugen imaginäre Kuh-Ärsche PLANETARE GESUNDHEIT „Was haben Allergien, Unverträglichkeiten, Asthma, Übergewicht und Diabetes mit unserer Ernährung zu tun?“ Diese Frage beantwortete Prof. Dr. Edda Weimann im zweiten Vortrag des Tages. Histamine im Fleisch begünstigen Allergien. Alkohol, Weißmehl und Haushaltszucker gehören zu den Topallergenen, fasste Prof. Weimann einige Zusammenhänge zwischen unserer Ernährung und häufigen Krankheiten zusammen. Aber auch die sich ständig ändernden Umweltbedingungen führen zu vermehrten chronischen Erkrankungen. Je mehr CO 2 in der Luft, desto mehr Pollen fliegen. Toxine schädigen die Zellen. Wegen der ansteigenden Temperaturen bewegen wir uns weniger, deshalb nehmen Diabetes und Übergewicht zu. „Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsbedrohung“, betonte Prof. Weimann. Ihre Lösung: die planetare Diät, eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Nüssen, Vollkornprodukten und ungesättigten Fetten und weniger Fleisch, Zucker und Milchprodukten. Im nächsten Vortrag erörterte Dr. Jasmin Flemming die Auswirkungen natürlicher Substanzen auf die Biofilmbildung. Tragen natürliche Substanzen und biomimetische Alternativen zum Erosionsschutz bei und verhindern die Bakterienhaftung? In ihrem Vortrag beleuchtete Dr. Flemming die Fluorid-Alternativen Hydroxylapatit, Polyphenole und Öle und schilderte den aktuellen Stand des Wissens. In

ZBW_8-9/2022 www.zahnaerzteblatt.de 43_FORTBILDUNG ihrer abschließenden Bewertung sprach sie Ölen jede Wirkung ab. Polyphenole seien hingegen vielversprechend. HAP-Wirkstoffe in Zahnpasten hätten keine Wirkung gegen Karies und Erosionen. Nanometergroße HAP- Partikel in Spüllösungen zeigten hingegen durchaus Effekt. „Wir bleiben besser beim Goldstandard Zinnfluorid“, schloss Dr. Flemming. Es gibt gerade einen Trend: Der Orthopäde überweist seinen Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zum Zahnarzt, denn die Rückenschmerzen kommen vom Kiefer. Zahnveränderungen haben angeblich Einfluss auf die Körperhaltung, weil der Kiefer beim Laufen pendelt. „Diese kleine Welt der ganzkörperlichen Zahnheilkunde – Kiefer gerade, Hüfte gesund – ist jedoch eine Legende“, betonte PD Dr. Daniel Hellmann. Er stellte verschiedene Forschungsergebnisse vor, die den Zusammenhang zwischen Biss und Kaumuskulatur mit anderen Segmenten des Körpers untersuchten. „Es gibt keine Evidenz für einen vorhersagbaren Kausalzusammenhang“, fasste PD Dr. Hellmann die Ergebnisse zusammen. „Klinischer Nonsens“ sei diese postulierte Wechselbeziehung. „Es ist absurd, Rückenschmerzen beim Zahnarzt zu behandeln – da macht die Rücken-OP mehr Sinn“. HERAUSFORDERUNG 60 PLUS Den zweiten Fortbildungstag eröffnete Prof. Dr. Dr. Ti-Sun Kim. Sie untersuchte die bidirektionale Beziehung zwischen Parodontitis und systemischen Erkrankungen im klinischen Alltag. Die klassische Theorie besagt, dass systemische Erkrankungen und Umweltfaktoren das Parodontium beeinflussen. Aber hätten Sie ernsthaft gedacht, dass eine Parodontitis das Schlaganfallrisiko verdoppelt, ebenso wie das Risiko für Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Osteoporose und eine Frühgeburt? Für chronische Atemwegserkrankungen ist das Risiko mit einer Parodontitis sogar vier- bis fünffach erhöht! Es konnte noch kein kausaler Zusammenhang zwischen einer systemischen Entzündung und einer systemischen Erkrankung festgestellt werden, aber eine Assoziation. Diese wird durch genetische Faktoren, Beeinflussungen der Umwelt und Ernährung verstärkt. Prof. Kim dokumentierte freimütig anhand eigener Misserfolge, welche Auswirkungen die Zunahme an Allgemeinerkrankungen im Alter im klinischen Alltag haben. Sie empfahl die frühzeitige präventive Betreuung der Patientinnen und Patienten, eine angepasste Medikation und eine komprimierte schonende Behandlung. Ältere Menschen mit ihren zahlreichen Allgemeinerkrankungen zu behandeln, birgt ein hohes Risiko, das aber kontrollierbar ist, solange die Patientinnen und Patienten in die Praxis kommen können. Problematisch wird es dann, so Prof. Kim, wenn weitere Allgemeinerkrankungen die Patienten darin hindern, selbst in die Praxis zu kommen und sie zu Hause oder in einer Altenpflegeeinrichtung gepflegt werden. Auf diese Patientenklientel ging Dr. Cornelius Haffner im zweiten Vortrag ein. Welche Anforderungen an die Versorgung stellen multimorbide Patienten mit im Durchschnitt 10,8 verschiedenen Medikamenten, die zur selbstständigen Mundhygiene nicht mehr in der Lage sind und deren Geschäftsfähigkeit durch dementielle Erkrankungen eingeschränkt ist? Weniger ist mehr im Alter, eine 85-Jährige braucht keine sechs Implantate mehr, denn die Implantate müssen gepflegt werden und den Pflegekräften fehlt die Zeit und die entsprechende Qualifikation. Schwerpunkt muss die Prävention sein, vor Ort im Pflegeheim sein, betonte Dr. Haffner. Die häufigsten verordneten Medikamente in der Zahnarztpraxis sind Antibiotika und Schmerzmittel. Um Komplikationen oder sogar lebensbedrohliche Folgen dieser Medikationen zu vermeiden, müssen insbesondere deren Kontraindikation und Wechselwirkungen bekannt sein und beachtet werden. Auch Dosierungsfehler, vernachlässigte Anwendungserklärungen und fehlende Akzeptanz für diese Arzneimittel sind bei Risiko-Patientinnen und Patienten ein oft unterschätztes Problem, warnte Dr. Catherine Kempf. Um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten nicht zu gefährden, appellierte sie, die medizinischen Aspekte der Antibiose und Analgesie im zahnmedizinischen Alltag nicht zu vergessen. Überraschungsprogramm. Den ersten Fortbildungstag beschlossen die Masked Speaker – drei verkleidete Ehrengäste hielten den gleichen Vortrag und sollten hinter ihrer Verkleidung erkannt werden. PAR UND SCHWANGERSCHAFT Bei schwangeren Frauen besteht aufgrund von hormonellen und immunologischen Veränderungen eine erhöhte Empfindlichkeit für parodontale Entzündungen. Diesen Aspekt hatte Prof. Kim zuvor bewusst ausgelassen, damit Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger auf diese Thematik gesondert eingehen konnte. „Angesichts des erhöhten PAR-Risikos sind Parodontitisscreening sowie prophylaktische und therapeutische Maßnahmen wichtig und indiziert“, betonte Prof. Ratka-Krüger. Schon bei der Planung einer Schwangerschaft sollte vorher eine zahnärztliche Untersuchung stattfinden. Im Rahmen eines zahnärztlichen Präventionsprogramms sollte die werdende Mutter hinsichtlich geeigneter Hilfsmittel zur adäquaten Mundhygiene instruiert und stetig motiviert werden. Eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung sollte die häusliche Mundhygiene zusätzlich ergänzen, empfahl Prof. Ratka-Krüger. Andrea Mader Fotos: ZFZ Stuttgart/Lypke

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