40_FORTBILDUNG ZBW_8-9/2022 www.zahnaerzteblatt.de 2 Minimally invasive non-surgical technique (MINST) Modified minimally invasive surgical technique (M-MIST) Minimally invasive surgical technique (MIST) Papilla preservation flaps Abbildung: Prof. Dr. Kasaj, Dr. Patyna Lappentechnik. Entwicklung minimalinvasiver Lappentechniken in der regenerativen Parodontalchirurgie. dividuelle Abwägung von Risikofaktoren bzw. medizinischen Kontraindikationen erfolgen. CHIRURGISCHE PARODONTITISTHERAPIE Bis Anfang der 80er-Jahre dominierten resektive parodontalchirurgische Verfahren zur Taschenelimination das therapeutische Vorgehen bei Parodontitispatientinnen bzw. -patienten 23 . Die damit verbundenen Nachteile (Rezessionen) sowie neue Erkenntnisse über die Effektivität der nichtchirurgischen Parodontaltherapie führten zur Weiterentwicklung der bestehenden Behandlungstechniken und Therapiemethoden 24–28 . Aus heutiger Sicht kann resektive Parodontalchirurgie zur Tascheneliminierung unter Berücksichtigung des Rezessionsrisikos bei Patienten mit einer Parodontitis Stadium III mit tiefen Residualtaschen (TST ≥ 6mm) nach adäquat durchgeführter Therapiestufe II durchgeführt werden 1 . Mittlerweile haben sich in der Parodontalchirurgie insbesondere regenerative Verfahren – mit dem therapeutischen Ziel der Wiederherstellung verloren gegangener parodontaler Strukturen – etabliert. Zu gut vorhersagbaren Ergebnissen führt eine regenerative Therapie bei Zähnen mit tiefen Resttaschen, die mit Knochentaschen ≥ 3mm assoziiert sind 1 . Hierbei sollen in Abhängigkeit von der Defektmorphologie entweder Membranen oder Schmelzmatrixproteine (SMP) mit oder ohne Zusatz von Knochenersatzmaterialien (KEM) verwendet werden 1 . Auch bei Furkationsbefall Grad II mit Resttaschen im Bereich von Unterkiefermolaren sowie bukkal an Oberkiefermolaren sollen regenerative parodontalchirurgische Maßnahmen zum Einsatz kommen 1 . Hierbei sollen Schmelzmatrixproteine oder Transplantate knöchernen Ursprungs mit oder ohne resorbierbare Membranen zum Einsatz kommen 1 . Bei Furkationsbefall Grad III und bei multiplem Furkationsbefall Grad II an Ober- und Unterkiefermolaren können neben der nichtchirurgischen Instrumentierung, auch die intraoperative Instrumentierung, Tunnelierung, Wurzelseparation oder Wurzelresektion erwogen werden 1 . OP-TECHNIKEN Neben der Entwicklung im Bereich der Biomaterialien lässt sich in den letzten Jahren insbesondere eine Weiterentwicklung und Verfeinerung der chirurgischen OP-Techniken beobachten (Abb. 1, 2). So wurden in den letzten 30 Jahren zahlreiche unterschiedliche minimalinvasive Techniken entwickelt, mit dem Ziel, das Weichgewebe zu erhalten und einen stabilen primären Wundverschluss zu erreichen. Zu diesen Techniken gehören der vereinfachte oder modifizierte Papillenerhaltungslappen 29, 30 , der Papillenerhaltungslappen nach Takei 31 , die minimalinvasive chirurgische Technik (MIST) 32 , die modifizierte minimalinvasive chirurgische Technik (M-MIST) 33 , der Single-Flap-Approach (SFA) 34 sowie die Entire-Papilla-Preservation-Technik 35 . So wurde erstmals 1995 die modifizierte Papillenerhaltungstechnik als Möglichkeit des primären Verschlusses des Interdentalraums bei regenerativen Verfahren mit Barrieremembranen beschrieben 2 . Um die chirurgische Effektivität weiter zu erhöhen und operative Komplikationen zu reduzieren, fanden Operationsmikroskope und mikrochirurgische Ins trumente Anwendung 33, 36, 37 . Die Weiterentwicklungen der parodontalchirurgischen Techniken führten damit zu minimalinvasiven chirurgischen Ansätzen (MIST, M-MIST, SFA) 38, 39 . Grundlage war das Konzept von Harrel & Rees (1995): minimale Wunden, minimale Lappenbildung und schonende Behandlung des Weich- und Hartgewebes 40 . Die Hauptziele der MIST sind daher ähnlich formuliert: Verringerung des chirurgischen Traumas, stabiler primärer Wundverschluss, Verkürzung der Operationszeit und Minimierung der Beschwerden und Nebenwirkungen für Patientinnen bzw. Patienten 32 (Abb. 3). Die MIST wurde in den darauffolgenden Jahren modifiziert (m-MIST) und führte zur weiteren Verringerung der Invasivität, verbesserter Wundstabilität und zur Reduzierung der Patientenmorbidität 41 . Während bei der MIST eine lokalisierte Mobilisation des interdentalen Weichgewebes mittels modifizierter oder vereinfachter Papillenerhaltungslappentechnik erfolgt, wird bei der M-MIST die Interdentalpapille ausgehend von einem kleinen bukkalen Lappen lediglich unterminiert, ohne diese zu mobilisieren. Bei der M-MIST wird insbesondere die Wund-/Weichteilstabilität weiter verbessert und die Patientinnen- bzw. Patientenmorbidität reduziert, jedoch unter Einschränkung der Sicht sowie einer erschwerten
ZBW_8-9/2022 www.zahnaerzteblatt.de 41_FORTBILDUNG 3a 3b Minimalinvasiver Ansatz. Präoperativer Zustand (3a). Chirurgischer Zugang zum intraossären Defekt mittels minimalinvasiver chirurgischer Technik (MIST). 3c 3d Fotos: Prof. Dr. Kasaj, Dr. Patyna Defektauffüllung mit Schmelzmatrixproteinen und bovinem Ersatzmaterial (3c). Nahtverschluss (3d). Handhabung im Operationsfeld. Darüber hinaus ist der Zugang zur Wurzeloberfläche von bukkal mittels M-MIST bei Defekten mit tiefer palatinaler Ausdehnung kaum erreichbar 32, 38, 41 . MINIMALINVASIVE TECHNIK Im letzten Jahrzehnt nahm die Invasivität der parodontalchirurgischen Behandlungsstrategien in der klinischen Praxis weiter ab und führte letztendlich zur Entwicklung der minimalinvasiven nichtchirurgischen Technik (minimally invasive non-surgical technique, MINST) 42 , (Abb. 1, 2). Die MINST verzichtet gänzlich auf eine Lappenmobilisierung und beinhaltet den Einsatz von Vergrößerungshilfen (u. a. Lupenbrille, Operationsmikroskop), Mini-/Mikroküretten und grazilen Ultraschallspitzen. Erste Studien zeigten signifikante klinische und röntgenologische Verbesserungen nach der Anwendung von MINST bei der Behandlung von intraossären Defekten sowie vergleichbare Ergebnisse von MINST im Vergleich zur MIST 42, 43 . Ein weiterer neuer Therapieansatz sieht die Kombination aus einer minimalinvasiven nichtchirurgischen Technik mit der adjuvanten Anwendung von Schmelzmatrixproteinen (Emdogain® Flapless, FL) vor. So zeigten erste Studienergebnisse einen Vorteil für die Therapie mit Emdogain® FL bei Residualtaschen im Vergleich zur Re-Instrumentierung alleine 44 . Grundsätzlich legen uns die neuesten Entwicklungen dar, dass die parodontalchirurgische Intervention einer strengen Indikation folgen muss und der subgingivalen Instrumentierung (Therapiestufe II) ein erhebliches Potenzial zugeschrieben werden kann. Die resektive Parodontalchirurgie zur Taschenelimination hat zwar nach wie vor ihre Daseinsberechtigung, beschränkt sich jedoch vorwiegend auf die Behandlung von tiefen supraalveolären Taschen im Seitenzahngebiet. Bei den neueren Techniken steht insbesondere der minimalinvasive Ansatz im Vordergrund, mit dem Ziel, die Wundheilung weiter zu verbessern und die Patientenmorbidität zu reduzieren. Dr. Michael Patyna, Prof. Dr. Dr. h. c. Adrian Kasaj, MSc., Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung, Universitätsmedizin Mainz Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@zahnarzteblatt.de. www.zahnaerzteblatt.de 0711 222966-14 info@zahnaerzteblatt.de Dr. Michael Patyna, Oberarzt, Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung, Universitätsmedizin Mainz Prof. Dr. Dr. h.c. Adrian Kasaj, MSc., Leitender Oberarzt, Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung, Universitätsmedizin Mainz
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