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Wir Zahnärzte lassen nicht locker

Ausgabe 12/2017

14 Berufspolitik Das

14 Berufspolitik Das PAR-Konzept für GKV-Versicherte von KZBV, Bundeszahnärztekammer und der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie wurde auf der Bundesversammlung intensiv diskutiert und vor allem von uns baden-württembergischen Delegierten kritisch hinterfragt. Gefährden die dabei vorgesehenen Maßnahmen in ihrem schematischen Ansatz jeden individuellen Ansatz bei der Parodontitistherapie unserer Patienten? Wird die in vielen Praxen weit verbreitete PZR fachlich und bewertungstechnisch gefährdet? Werden für neue Leistungen wie die UPT (Unterstützende Parodontitistherapie) auch tatsächlich ausreichend zusätzliche finanzielle Mittel außerhalb des Budgets und ohne Umrelationierung zur Verfügung gestellt? Wird dem Patienten die Möglichkeit eingeräumt, über die Grundversorgung hinaus auch Wahlleistungen in Anspruch zu nehmen? Wir haben in der Bundesversammlung mit einem von uns initiierten Antrag nach mehrstündiger und teilweise heftiger Diskussion notwendige Voraussetzungen und Leitplanken für das PAR-Konzept beschlossen, die sicherstellen, dass weder der individuelle Therapieansatz für jeden einzelnen Patienten mit der Möglichkeit von Wahlleistungen noch die PZR gefährdet ist. Neue Leistungen sollen nur bei ausreichender und zusätzlicher Finanzierung und außerhalb des Budgets möglich sein. Dr. Eberhard Montigel Zunächst ist klarzustellen, dass dies ein von der KZBV vorgelegtes Konzept ist, das „für die Behandlung von Parodontalerkrankungen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)“ Geltung erlangen soll. Der Rechtsrahmen ist das Sozialgesetzbuch (SGB V). Dieses stellt die Versorgung der gesetzlich Versicherten auf eine rechtliche Grundlage. Es gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Fixierung auf eine ausreichende Patientenversorgung. Dies wird durch die Vertragspartner (KZVen/ Sozialversicherungen) in entsprechende Verträge und Richtlinien umgesetzt. Ordnungspolitisch habe ich ein Problem damit, dass die Bundeszahnärztekammer als Vertretung der Kammern, sich einem PAR- Versorgungskonzept anschließt, das den obenstehenden Bedingungen wie ausreichend, zweckmäßig und notwendig unterworfen ist. Sie legitimiert damit quasi dieses Konzept als den (Gold-)Maßstab für die Behandlung von Parodontitiden. Es ist nicht Aufgabe der Kammer, sich zum Vertragsgeschehen oder zu Entwürfen der KZVen zu äußern. Die Kammer hat die generelle Aufgabe, sich um die allgemeine Qualität der Therapie und die Qualifizierung der Zahnärzte und Mitarbeiter zu kümmern und eine systemunabhängige Meinungsbildung zu ermöglichen. Mit dem Beschluss der Bundesversammlung der BZÄK, der Gott sei Dank nicht einstimmig erfolgt ist, hat sie sich leider mehrheitlich an ein Modell gebunden, das nicht der Standard einer modernen Parodontitistherapie sein kann, die eine – der Schwere des Einzelfalls – angemessene individuelle zahnärztliche Behandlung erfordert. Das von der KZBV-Vertreterversammlung verabschiedete „PAR-Versorgungskonzept“ führt meines Erachtens außerdem zur Über- oder Unterversorgung. Die Parodontitis zeigt eben nicht eine standardisierbare Verlaufsform. So führt die Abrechenbarkeit der UPT (zweimal im Jahr) bei leichtem Verlauf der Parodontitis im Einzelfall zu einer Überversorgung, die schwierigen Fälle können mit dieser Einschränkung nicht richtig behandelt werden. Hier ist wieder mal eine Versorgung nach dem Gießkannenprinzip vorgesehen, der Nutzen für den intensiv behandlungsbedürftigen PAR-Patienten fragwürdig. Des Weiteren wird es in der Praxis den Kolleginnen und Kollegen sehr schwerfallen, gegenüber Patienten den Unterschied zwischen professioneller Zahnreinigung im Rahmen der unterstützenden Parodontalbehandlung und der präventiv veranlassten PZR zu erklären. Damit wird eine zuverlässige Behandlungsmethode, die immerhin 40 Prozent der abgerechneten GOZ-Leistungen der Praxen ausmacht, einer schweren Belastung ausgesetzt. In einem Mangelverwaltungssystem, wie es die gesetzliche Krankenversorgung darstellt (immer mehr Leistungen bei gleicher Mittelausstattung mit zunehmendem demografischen Druck), ist nicht zu erwarten, dass es für das PAR-Versorgungskonzept der KZBV einhergehend mit der Einführung neuer Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung auch eine Ausweitung der Finanzen für die zahnärztliche Versorgung geben wird. Ich persönlich bin also gespannt, wie, wenn dieses Konzept in die GKV-Behandlung eingeführt werden sollte, die immer verlangte „Kostenneutralität“ gewahrt werden wird. Wird vielleicht mit dem Hinweis auf Delegierbarkeit der PZR/UPT nur eine minimale Vergütung angeboten und eingeführt werden? Erhöht dies den Druck subsidiäre Strukturen im zahnärztlichen Versorgungssektor einzuführen? Auch ohne dieses neue Versorgungskonzept ist die Prävalenz der mittleren und schweren Parodontitiden von 2005 auf 2014 deutlich reduziert worden. Warum also ein funktionierendes Versorgungskonzept ändern? Durch Leistungsausweitungen im BEMA, auch noch mit dem „Qualitätssiegel“ der DG PARO, des FVDZ und der Kammer, die nun dieses Konzept befürworten, wird zudem die Basis zahnärztlicher Privatleistungen deutlich geschwächt. Wer gegen eine Einheitsversicherung („Bürgerversicherung“) ist, kann schon allein aus diesem Gesichtspunkt heraus einer wie auch immer gearteten Ausweitung der BEMA-Leistungen nicht zustimmen. Auch hier hat sich die Vertreterversammlung der BZÄK meines Erachtens eines ordnungspolitischen Vergehens schuldig gemacht. Dr. Norbert Engel ZBW 12/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 15 Deutscher Zahnärztetag: DGZMK, BZÄK und KZBV stellen aktuelle Studie vor Prävention hilft auch Flüchtlingen Die Mundgesundheit von Flüchtlingen entspricht etwa dem nationalen Stand der Bevölkerung vor 30 Jahren. Viele Defizite könnten jedoch mit gezielter Prophylaxe und Prävention aufgefangen werden. Das sind einige Ergebnisse der repräsentativen Studie „Flüchtlinge in Deutschland – Mundgesundheit, Versorgungsbedarfe und deren Kosten“ der Universität Greifswald unter Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. reichen Integration und stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Dieser stellen wir uns mit unserer Fachkompetenz.“ Die Studie zeige klare Versorgungsbedarfe in wesentlichen zahnmedizinischen Disziplinen wie Zahnerhaltung, Parodontologie oder Kieferorthopädie und beziffere mögliche Kosten. Damit liege eine wissenschaftliche Datenbasis vor, die sowohl die orale Erkrankungslast als auch den zahnmedizinischen Behandlungsbedarf bei Flüchtlingen valide erfasse. Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK ergänzte: „Aufgrund der in der Studie erkannten Probleme ist es notwendig, die erfolgreichen Präventionskonzepte von Gruppen- und Individualprophylaxe gezielt auf Flüchtlinge und vor allem deren Kinder auszuweiten.“ Mit einer kulturspezifischen Vermittlung, wie man Krankheiten vorbeugt, erreiche man die Menschen. Damit Flüchtlinge an den sehr erfolgreichen zahnmedizinischen Präventionsstrukturen in Deutschland teilhaben können, bedürfe es gesellschaftspolitischer Initiativen. Der zahnärztliche Berufsstand stehe dafür zur Verfügung. Vorstellung. V.l.: Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der DGZMK, Prof. Dr. Christian Splieth, Universität Greifswald, Dr. Peter Engel, Präsident der BZÄK, und Jette Krämer, Leiterin Abt. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der BZÄK. Vorgestellt wurde die Untersuchung anlässlich des Deutschen Zahnärztetages 2017 in Frankfurt am Main. Die multizentrische Erhebung bietet erstmals einen wissenschaftlich abgesicherten, systematischen Überblick über die Mundgesundheit von Flüchtlingen. Insbesondere Kinder weisen einen deutlich erhöhten Kariesbefall auf. Die Karies werte im bleibenden Gebiss steigen bei jugendlichen und erwachsenen Geflüchteten an. Die geschätzten Kosten des zahnmedizinischen Behandlungsbedarfs variieren je nach Alter erheblich und liegen bei 45- bis 64-jährigen Patienten am höchsten. Prof. Dr. Michael Walter, Präsident der DGZMK: „Der Erhalt oder die Wiederherstellung der Gesundheit ist ein Beitrag zur erfolg- Foto: BZÄK/axentis.de Versachlichung. Diese Daten schafften die Grundlage für eine Versachlichung der Diskussion um Kosten für die zahnmedizinische Versorgung von Flüchtlingen, ist Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV, sicher. „Die Behandlungskosten bleiben in einem vertretbaren Rahmen. Dies gilt ebenso für die akute Schmerzversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wie für den Aufwand, der nach Anerkennung von Asyl durch Regelleistungen der GKV entsteht.“ Die Kosten für eine vollständige Wiederherstellung der Mundgesundheit betragen laut der Studie zwischen 178 bis 1759 Euro pro Flüchtling. Die tatsächlichen Kosten durch die Inanspruchnahme der Behandlungen nach der regelhaften GKV-Versorgung dürften diese hypothetisch ermittelten Gesamtkosten jedoch deutlich unterschreiten. Prof. Christian Splieth, Leiter des Autorenteams, empfiehlt bestehende Präventions- und Prophylaxekonzepte für Flüchtlinge anzubieten, um restaurative Maßnahmen zu vermeiden. Für die Studie wurden von Ende 2016 bis Mitte 2017 544 Flüchtlinge an verschiedenen Standorten untersucht. Im Gegensatz zu anderen Erhebungen, die sich meist auf spezielle Erkrankungen in einzelnen Altersgruppen beschränken, erfasst die vorliegenden Studie Mundgesundheitsprobleme und mögliche Therapiekosten bei Patienten im Alter von drei bis 65 Jahren. Die Studie ist online abrufbar auf den Webseite: www.bzaek.de/studie. IZZ/BZÄK www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2017

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