10 Berufspolitik Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer Geschlossenes und beeindruckendes Auftreten „Das war die lebhafteste Bundesversammlung, die ich je erlebt habe“, freute sich BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel am Ende der zweitägigen Bundesversammlung, „nur nach lebhaften Diskussionen gibt es gute Ergebnisse“. Sowohl an den lebhaften Diskussionen als auch an den guten Ergebnissen hatten baden-württembergische Delegierte großen Anteil. Durch kluges Netzwerken und fachlich überzeugende Argumente ist es gelungen, in das PAR-Versorgungskonzept von KZBV, BZÄK und DG PARO „Leitplanken“ einzuziehen und zielführende Beschlüsse bei der GOZ zu erwirken. LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert dankte den BW-Delegierten für „ein geschlossenes und beeindruckendes Auftreten“. KZBV, BZÄK und die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) haben ein Konzept für die Behandlung von Parodontalerkrankungen bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (PAR-Versorgungskonzept) vorgelegt. Das Konzept wurde in der Vertreterversammlung der KZBV am Vortag einstimmig befürwortet. Das sollte auch für die Bundesversammlung die Marschroute sein – um die KZBV mit einem umfassenden Verhandlungsmandat für den G-BA auszustatten, so der KZBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. Bereits in ihren Vorbesprechungen hatten die baden-württembergischen Delegierten jedoch massive Bedenken gegen das Konzept vorgebracht. Einige baden-württembergische Vorbehalte fanden auf Umwegen Eingang in den Antrag der KZBV- Vertreterversammlung, der der Bundesversammlung wortgleich zur Abstimmung vorgelegt wurde: Über ein Bonussystem sollen zusätzliche Anreize gesetzt werden, um die Patienten eigenverantwortlich in die Therapie mit einzubinden. Das reichte den Baden-Württembergern jedoch nicht. Sie forderten notwendige „Leitplanken“ für das PAR-Konzept: Der medizinische Nutzen der Gingivitisbehandlung, insbesondere durch die PZR als vorbeugende Parodontitistherapie, sollte Berücksichtigung finden, der individuelle risikoba- sierte Behandlungsansatz muss durch die Therapiefreiheit des Arztes und Wahlfreiheit der Patienten weiter gewährleistet sein und neue Behandlungsleistungen dürfen nur dann eingeführt werden, wenn dafür zusätzliche und ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, eine Finanzierung durch Umrelationierung oder unter einem Budget ist abzulehnen. Diese fachlichen Argumente, die LZK-Vize Dr. Norbert Struß erarbeitet hatte, überzeugten auch Delegierte anderer Länderkammern. Der baden-württembergische „Leitplanken“-Antrag zum PAR-Versorgungskonzept fand so die Unterstützung der Delegierten der Zahnärztekammern Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen. Als weitestgehender Antrag als erstes abgestimmt, fand er schließlich auch eine große Mehrheit in der Bundesversammlung. Baden-Württemberg hatte der Versammlung mit seinem Antrag eine „goldene Brücke“ gebaut – die Folgeanträge des BZÄK-Vorstandes, der KZBV-Spitze und der bayerischen Delegierten zum PAR-Konzept fanden im Anschluss dann ebenfalls eine große Mehrheit. ZBW 12/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 11 Punktwertanpassung. Zielführendes Vorgehen führte die Baden- Württemberger auch bei der GOZ zum Erfolg. Die kaum überschaubare Anzahl an Anträgen wurde auf sechs konsentierte Anträge verdichtet. Dank der überzeugenden Argumente von LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert hat der BZÄK-Vorstand seine Leitanträge zurückgezogen und durch den baden-württembergischen Antrag ersetzt. Mit der einstimmigen Verabschiedung aller Anträge setzte die Bundesversammlung dann ein klares Zeichen: Ablehnung der GOÄ-Novelle aus ordnungspolitischen Gründen, Absage an eine Begrenzung des Steigerungssatzes in der GOZ, sofortige Anpassung des GOZ-Punktwertes und eine jährliche Dynamisierung. Verhältnismäßigkeitsprüfung. „Die Bereichsausnahme wurde uns in Straßburg quasi zugesagt“, betonte Dr. Torsten Tomppert, „die BZÄK hat sich unglaublich engagiert“. Umgehend verabschieden. In seinem politischen Bericht skizzierte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel weitere Handlungsfelder und aktuelle Herausforderungen des Berufsstandes, die von den Delegierten der Bundesversammlung aufgegriffen, kontrovers diskutiert wurden und in zahlreiche Anträge mit deutlicher Positionierung mündeten. 60 Jahre wartet der Berufsstand nun bereits darauf, dass sein akademischer Nachwuchs auf der Grundlage einer modernen Approbationsordnung ausgebildet werden kann. Als dann Gesundheitsminister Hermann Gröhe eine Novelle vorlegte, war der Bundesrat nicht gewillt, den Hochschulen aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen zu geben und vertagte sie in seiner letzten Sitzung am 3. November auf unbestimmte Zeit. „Dabei ist der Kern der Novelle goldrichtig – und der Schub in die Schublade ein Skandal“, wetterte Dr. Engel, „ein Skandal, weil die Länder kein Geld in die Hand nehmen wollen“. Die Bundesversammlung forderte die neue Bundesregierung und die Landesregierungen in einem einstimmig verabschiedeten Antrag auf, den Novellierungsprozess der Approbationsordnung auf der Grundlage des Kabinettsentwurfs vom 2.8.2017 umgehend im Bundesrat zu verabschieden. Fremdkapitalgesteuert. 22 Wortmeldungen zeugen von einem hohen Grad an Empörung. Die Entrüstung der Versammlung richtete sich gegen die arztgruppengleichen zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Versorgungspolitisch sind sie kontraproduktiv, weil sie vor allem in gut versorgten Lebensräumen gegründet werden und damit keinen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung im ländlichen Raum leisten, wofür sie von der Politik eigentlich vorgesehen waren. Weitere Gefahr droht durch Fremdkapitalgeber und Finanzinvestoren, die in erster Linie gewinnorientiert arbeiten, was nicht im Sinne der Zahnmedizin ist. „Ich kann es nicht mehr ertragen, wenn Politiker über den hohen Wert der Freiberuflichkeit sprechen, aber gleichzeitig den Gesundheitsmarkt über die Hintertür für Fremdkapital öffnen“, empörte sich KZBV-Vorsitzender Dr. Wolfgang Eßer und versprach den „knallharten Diskurs mit der Politik“ zu suchen. Ihre kritische Haltung gegenüber den Medizinischen Versorgungszentren dokumentierte die Bundesversammlung in zwei Anträgen mit einem deutlichen Votum: Die künftige Bundesregierung wird aufgefordert, die Zulassung von MVZs auf arztgruppenübergreifende Formen zu begrenzen und die Wettbewerbsvorteile der MVZs durch die unbegrenzten Anstellungsmöglichkeiten zu beseitigen. Dies haben KZBV, BZÄK und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte aktuell auch in einem Brief an Gesundheitsminister Hermann Gröhe formuliert. Keine Aushöhlung. Das freiberuflich getragene Gesundheitswesen in Deutschland, das zu den besten in der Welt gehört, ist mehr und mehr auch durch Europa gefährdet. Im Januar 2017 hat die Europäische Kommission ein Dienstleistungspaket vorgeschlagen, mit dem das Wirtschaftswachstum stimuliert werden soll. Teil des Pakets ist der Richtlinienentwurf für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von Berufsrecht. Berufszugangs- und Berufsausübungsregelungen werden dabei als potenzielle Wachstumshemmnisse und Hürden für die Dienstleistungserbringung eingestuft. Hinter dem Dienstleistungspaket der Europäischen Union verbirgt Individualisierte Zahnmedizin. Prof. Dr. Elmar Hellwig kritisierte das starre Korsett des PAR-Versorgungskonzeptes, „eine Parodontitistherapie muss aber risikoorientiert durchgeführt werden und die Termine für eine UPT individuell angepasst möglich sein“. sich eine „Zweckinitiative, die an die Wurzeln unserer Existenz geht“, urteilte Dr. Engel. „Diese Art von gezielter Ökonomisierung stellt die bewährten Strukturen freiberuflicher Selbstverwaltung infrage und befeuert Bestrebungen, die uns im Sinne des Patientenschutzes heftige Sorgen bereiten“. Durch viele Gespräche und Initiativen und eine intensive Lobbyarbeit über das Brüsseler Büro der BZÄK bis in die Länderkammern schien es zunächst so, als könne der Berufsstand die Gefahr abwenden und eine Bereichsausnahme für die Heilberufe erreichen. Doch nun zeichnet sich eine fehlende Mehrheit im www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2017
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