Aufrufe
vor 1 Jahr

Wählen – Verantwortung wahrnehmen

Ausgabe 2/2016

20 Berufspolitik

20 Berufspolitik bemerkt: Die Kosten für die GeKo und die noch ins Leben zu rufende Datenstelle werden auf mindestens 650.000 Euro pro Jahr geschätzt. Darüber hinaus soll die Bundesärzteordnung um einen neuen § 11a ergänzt werden, der die Einrichtung einer Qualitätskommission und Datenstelle regeln soll. Es ist folglich mit einer überwachenden „Qualitätsbehörde“ zu rechnen, bei der die diesbezüglich gewonnenen Datenmengen zusammenlaufen sollen. Unterschiedliche Interessenlagen. Über 90 Prozent der Zahnärzte sind niedergelassen, bei den Ärzten sind über 60 Prozent als angestellte Ärzte in Krankenhäusern tätig. Einfachsatzes“ in Verbindung mit einer wachsenden Steigerung der Anforderung an die Rechnungsbegründung rief besondere Irritationen hervor. Durch diese Regelung soll die GOÄ faktisch in eine Festgebührenordnung umgestaltet werden. Berechnet werden kann grundsätzlich nur der im Gebührenverzeichnis in Euro ausgewiesene „Einfachsatz“. Es handelt sich dabei nicht mehr um das bekannte Produkt aus der Multiplikation aus Punktzahl der jeweiligen Leistung und dem Punktwert der Gebührenordnung, sondern um einen jeder Leistung zugeordneten Fixbetrag in Euro. Eine Steigerung ist nur im Ausnahmefall und nur bei in einer von einer Gemeinsamen Kommision (GeKo) zu bestimmenden Positivliste ausdrücklich aufgeführten Behandlungsumständen oder bei einem entsprechenden Beschluss der GeKo möglich. Hält ein Arzt eine Steigerung für notwendig und ist der bei ihm vorliegende Steigerungsgrund nicht in der Positivliste enthalten, kann der Arzt einen entsprechenden Antrag an die GeKo richten. Wird der Antrag anerkannt, wird der Grund in die Positivliste übernommen. Wird er abgelehnt, wir der Grund in eine Negativliste übernommen. Auch diese Liste soll verbindlich sein, sodass zukünftige Steigerungen und Honorarvereinbarungen unter Berufung auf diesen Grund unzulässig sind. Hierdurch verliert die GOÄ ihr bisheriges Prinzip der individuellen Gebührenfestsetzung. Die beurteilende Gesamtschau aller Faktoren einer durchgeführten Leistung, das Ermessen, wie schwierig und aufwändig eine individuelle Leistung aufgrund der Patientenverfasstheit, der technischen Schwierigkeiten, des apparativen Aufwandes und der tatsächlich vorliegenden Umstände in Wirklichkeit gegeben war, wird aus der Verantwortung des Arztes genommen. Ein individueller ärztlicher Ermessensspielraum existiert nicht mehr. Die GeKo „zur Weiterentwicklung und Anpassung der GOÄ“ wird ein eigenes Statut erhalten. Sie wird mit vier Vertretern der BÄK und je zwei Vertretern der PKV und der Beihilfe besetzt sein, was einem Abstimmungsverhältnis von vier zu vier entsprechen wird. Für die Zahnärzte ergibt sich das zusätzliche Problem, dass Zahnärzte zwar möglicherweise ein eigenes Antragsrecht eingeräumt bekommen, in der GeKo aber nicht vertreten sein werden. Auch für etwaige Patt-Situationen in der GeKo hat man schon ein entsprechendes Szenario entwickelt: Nicht entscheidbare Fragen zur GOÄ sollen dann dem BMG, also dem Verordnungsgeber, zur Entscheidung vorgelegt werden. In der Gewaltenteilung eigentlich unvorstellbar, die Legislative soll über ihre eigene Verordnung entscheiden, eine Maßnahme, die eigentlich nur den ordentlichen Gerichten zusteht. Nebenbei Foto: Fotolia Besonders kritisch ist die Ergänzung um einen neuen § 11b „zur Erprobung innovativer Versorgungselemente“ zu betrachten. In dieser Vorschrift sind die Vorgaben zu privat- und selektivvertraglichen Regelungen aufgeführt. Es sind genau die Vorschriften, die wir Zahnärzte bei der Novellierung der GOZ zum Jahr 2012 noch verhindern konnten, nämlich die faktische Einführung einer Öffnungsklausel durch die Hintertür allen anderslautenden Veröffentlichungen zum Trotz. Den Hintergrund zur Verankerung einer 36-monatigen Einführungsphase der GOÄ mit dem Ziel der anschließenden Evaluation und ggf. nachträglichen Korrektur kennen wir bereits aus der GOZ 2012. Dort wurde uns bekanntermaßen mit der Einführung des § 12 GOZ eine Anpassung des Punktwertes nach unten angedroht, falls sich nach Überprüfung des Abrechnungsvolumens bis zum Jahr 2105 ein ausuferndes Liquidationsverhalten herausgestellt hätte. Die geplante „bewahrende” Anpassung der GOÄ-Sondertarife überrascht indessen nicht sonderlich, trägt sie doch dem Wunsch der Politik Rechnung, „Spartarife“, wie z. B. den Basis- oder Standardtarif unverändert zu belassen. Die von BÄK und PKV geplanten Änderungen im Paragrafenteil der GOÄ lässt uns indes rat- und sprachlos zurück: Im Anwendungsbereich, der im § 1 GOÄ geregelt ist, soll zumindest in der Begründung ein „Ziel der Behandlung“ aufgenommen werden. Das Ziel der Behandlung soll das bestmögliche qualitative Ergebnis für den Patienten unter verantwortungsvollem Einsatz der Mittel sein. Damit wer- ZBW 2/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 21 den Wirtschaftlichkeitsbedingungen aus der GKV (EBM oder BEMA) in die GOÄ implementiert werden. Die bereits jetzt bekannten Auseinandersetzungen zwischen (Zahn-) Ärzten und PKVen, deren Sachbearbeiter behaupten, für die vorliegende Therapieplanung bestünde keine medizinische Notwendigkeit, mit anderen Worten eine preisgünstigere Behandlungs- und Versorgungsform sei vorzuziehen, werden unter diesen neuen Vorgaben sprunghaft in die Höhe schnellen. BÄK und PKV stellen sich ferner eine Regelung vor, wonach ein Arzt nur die Leistungen berechnen darf, „für deren Erbringung der Arzt nach Maßgabe des Weiterbildungsrechts grundsätzlich die fachliche Qualifikation besitzt“. Derartige Regelungen gehören im Berufsrecht festgeschrieben, nicht in einer Gebührenordnung. Eine derartige Vorschrift bedeutet, dass z. B. ein Augenarzt ebenso wenig wie ein Zahnarzt keine Notfallmaßnahmen mehr erbringen bzw. abrechnen darf. Besonders pikant ist der Wunsch nach einer Kosten- bzw. Erstattungsaufklärung durch den Arzt: Ist für den Arzt erkennbar, dass Kosten von einer Krankenversicherung nicht übernommen werden, ist der Patient über die Kosten schriftlich zu informieren und zu belehren. Hierbei sind „Empfehlungen der Geko zu beachten“. Sieht so der von der Politik so vielgepriesene Bürokratieabbau aus? Keine freie Honorarvereinbarung. Die in § 2 GOÄ vorgesehenen Pläne von PKV und BÄK sehen eine weitere Einschränkung der Möglichkeiten zur freien Honorarvereinbarung vor. Es wird im Entwurf deutlich, dass dort der Charakter einer freien Vereinbarung unter gemeinsam abgesprochener Loslösung von bestimmten Regelungen der GOÄ verkannt wird. So soll u. a. eine Begründungspflicht (Nennung des Steigerungsgrundes) eingeführt werden. Darüber hinaus soll die GeKo zukünftig bestimmte Gründe in einer sogenannten Negativliste erfassen, für die eine Steigerung des Honorars unzulässig sein soll. Für diese Fälle soll zukünftig auch eine Honorarvereinbarung unzulässig sein. Eine Umgehung der eingeschränkten Verordnungsgeber. Eine Novellierung der GOÄ wurde vom Bundesgesundheitsminister als politisches Versprechen beim Deutschen Ärztetag am 12. Mai 2015 auf den Weg gebracht. Steigerungsmöglichkeit durch Abschluss einer Honorarvereinbarung soll dadurch erschwert werden. Die im Entwurf gewählte Formulierung, wonach „die besondere Ausführung einer Leistung die Modifikation oder methodische Variation in der Art und Weise der Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten Leistung umfasst“, ist als gemeinsame Absicht der Verhandlungspartner zur vermehrten Formulierung von Komplexleistungen und damit als Stärkung des Zielleistungsprinzips zu sehen. Die in § 6 GOÄ geregelte Analogberechnung wird zukünftig mit einer Stichtagsregelung versehen, so wie wir das aus der GOZ 1988 kennen, was erfahrungsgemäß zu erheblich divergierenden Auffassungen zwischen Ärzten und Kostenerstattern hinsichtlich der Analogiefähigkeit einer Leistung führen wird. Probleme mit der Stichtagsregelung werden von den ärztlichen Verhandlungsführern aber offensichtlich nicht erwartet, da die Ärzte ein tiefes Vertrauen in das Funktionieren der GeKo hätten, der auch die Entscheidung über die Frage anvertraut werde, wann konkret eine Leistung „entwickelt“ wurde. Unglaublicherweise gehen BÄK und PKV tatsächlich davon aus, dass die neue GOÄ das ärztliche Leistungsgeschehen vollständig abbildet; alle nicht erfassten Leistungen sollen zukünftig nur als Verlangensleistungen vereinbart und berechnet werden können. Wie nicht anders zu erwarten, wird das maschinenlesbare Rechnungsformular als verbindliche Voraussetzung zur Liquidationserstellung festgeschrieben. Fazit. Der Bürokratismus steigt weiter an, der Einfluss der Kostenerstatter steigt deutlich an, die individuelle Heilkunde wird GEKOschematisiert. Die Freiheit des Arztes bei der Gebührenbemessung wird drastisch eingeengt. Verantwortungsvolle Ermessensspielräume bei der Ausübung eines freien Berufes sind offensichtlich in Deutschland nicht mehr erwünscht. Dies wird wohl auch von der eigenen ärztlichen Standesvertretung so gesehen. Die Idee eines verantwortungsvollen Umgangs mit Freiheit wird nun offensichtlich auch in der ärztlichen Gebührenordnung nicht mehr ausgehalten und daher abgeschafft und beerdigt. Ein von drei Landesärztekammern statutengemäß einberufener Sonderärztetag für den 23. Januar 2016 in Frankfurt trug dazu bei, das Informationsdefizit bei den Ärzten zu beseitigen und für die Betroffenen mehr Transparenz in diesen Novellierungsentwurf zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob die Ärzte tatsächlich ihr Plazet zu diesem inakzeptablen Papier geben werden und ob der anvisierte Termin zum Inkrafttreten der neuen GOÄ zum 1. Oktober 2016 zu halten sein wird. Autorenteam des GOZ- Ausschuss der LZK BW Foto: BMG www.zahnaerzteblatt.de ZBW 2/2016

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz