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Wählen – Verantwortung wahrnehmen

Ausgabe 2/2016

106 Fortbildung

106 Fortbildung Schweregrad bei Erwachsenen Summe aller Sextanten Therapieempfehlung nihil 0-2 Aufklärung und Überwachung gering 3-8 zusätzlich: Ernährungsabklärung, Mundhygieneinstruktion, intrinsische und extrinsische Risikofaktoren eruieren und minimieren, Empfehlung von Prophylaxemaßnahmen, zinnhaltige Fluoridprodukte, Versiegelung schmerzhafter Areale, Dokumentation mittel 9-13 zusätzlich: Restaurative, minimalinvasive Maßnahmen hoch >14 zusätzlich: spezielle Betreuung bei schnellem Fortschreiten der Erosionen, restaurative Maßnahmen BEWE-Gesamtwert mit dem Schweregrad des erosiven Geschehnisses für Erwachsene sowie die entsprechende Therapieempfehlung für Erwachsene (Tabelle 1). können zum Beispiel Produkte wie Joghurt einerseits einen niedrigen pH-Wert besitzen, jedoch aufgrund ihres hohen Gehalts an Kalzium nicht erosiv auf die Zahnhartsubstanz wirken. Diese Gegebenheit macht sich auch die Lebensmittelindustrie zunutze, indem sie primär erosive Getränke wie zum Beispiel Orangensaft mit Kalzium versetzt und somit das erosive Potenzial massiv reduziert [12]. Die Gefahr aufgrund einer beruflichen Säureexposition erosive Zahnhartsubstanzverluste zu erleiden, ist in der westlich industrialisierten Welt glücklicherweise durch entsprechende Sicherheitsauflagen massiv zurückgegangen. Jedoch kann ein entsprechendes Freizeitverhalten mit extremer körperlicher Belastung gepaart mit einem hohen Konsum an säurehaltigen Sportgetränken zu einem erhöhten Risiko für erosive Geschehnisse führen. Auch vermehrte Weinverkostungen, sei es in der Freizeit oder im Rahmen einer beruflichen Ausübung, führen aufgrund des niedrigen pH-Wertes der Weine sowie dem zugehörigen Trinkverhalten zu vermehrtem Auftreten erosiver Beschwerden. Therapie. Hinsichtlich der geeigneten individuellen Therapie muss ebenso wie in der Diagnostik zwischen dentaler Erosion und erosiven Zahnhartsubstanzdefekten differenziert werden. In jedem Fall muss jedoch an erster Stelle die Ausschaltung oder zumindest die Reduktion der Ursachen für das erosive Geschehnis stehen. Bei allgemeinmedizinischen Gründen müssen diese insbesondere auch aus allgemeinmedizinischer Sicht von entsprechenden FachärztInnen (InternistInnen, PsychiaterInnen) therapeutisch betreut werden. Mundhygieneinstruktionen sollten in jedem Fall, auch bei PatientInnen ohne bestehende Risikofaktoren für erosive Erkrankungen gegeben werden und die Wahl der Zahnpasta mit den PatientInnen den Bedürfnissen entsprechend erörtert werden. Anhand des Ernährungsprotokolls und auch des Verhaltens im Beruf und in der Freizeit müssen die PatientInnen über ihr Risiko aufgeklärt werden und entsprechende Änderungsvorschläge gemacht werden. Bei rechtzeitigem Erkennen der Risikofaktoren und entsprechendem Einschreiten sowie engmaschigen Kontrollen können somit das Auftreten, aber auch die Progression beginnender erosiver Zahnhartsubstanzdefekte verhindert werden. Ist es bereits zu erosivem Zahnhartsubstanzverlust gekommen, sollte die Therapie neben dem bereits dargelegten Vermeiden der Risikofaktoren, entsprechend dem errechneten BEWE-Wert, eingeleitet werden [5]. Obwohl der BEWE-Wert bei Erwachsenen und Kindern gleich berechnet wird, wird die Therapie bei Kindern bereits früher eingeleitet [6]. Die folgenden Therapieempfehlungen richten sich sowohl an Erwachsene als auch an Kinder, wobei die BEWE-Werte für Kinder jeweils in Klammer geschrieben sind. Bei BEWE-Werten von unter 3 (Kinder: unter 3) werden jährliche Kontrollen sowie eine entsprechende Aufklärung der PatientInnen empfohlen. BEWE-Werte zwischen 3 und 8 (Kinder: 3 bis 6) entsprechen einem geringen Schweregrad und bedürfen zusätzlich zur jährlichen Kontrolle und Aufklärung einer entsprechenden Mundhygieneinstruktion sowie der Empfehlung von Prophylaxemaßnahmen wie zinnhaltigen Fluoridprodukten, einer detaillierten Ernährungsanamnese, Fotodokumentation sowie einer Abklärung intrinsischer und extrinsischer Risikofaktoren. Durch offene Dentintubuli schmerzende Areale sollten versiegelt werden. Bei BEWE-Werten zwischen 9 und 13 (Kinder: 7 bis 10) spricht man von einem mittleren Schweregrad, wobei die Kontrollen bereits halbjährig durchgeführt werden sollen und zu den bereits erwähnten Vorkehrungen minimalinvasive Restaurationen angedacht werden können. Ein BEWE-Wert von über 14 (Kinder: über 11) entspricht einem hohen Schweregrad und erfordert zusätzlich eine spezielle Betreuung sowie restaurative Maßnahmen. Restaurative Maßnahmen. Die Ausführung restaurativer Maßnahmen sollte möglichst minimalin- ZBW 2/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 107 vasiv mithilfe adhäsiver Techniken vonstatten gehen. Bei entsprechenden BEWE-Werten, bzw. wenn die PatientInnen aufgrund verminderter Ästhetik oder durch eine erhöhte Dentinüberempfindlichkeit es verlangen, sollten Kompositfüllungen durchgeführt werden. Sogar bei bereits bestehendem Verlust der vertikalen Gesichtshöhe aufgrund eines fortgeschrittenen erosiven Zahnhartsubstanzverlustes kann mithilfe adhäsiven Materialien eine Rekonstruktion der Okklusalflächen bewerkstelligt werden. Hierbei wird entweder eine mittels Wax-up hergestellte Schiene [13], oder ein Silikonschlüssel [14] verwendet und dieser mit Komposit gefüllt und zum Aufbau der Zähne verwendet. Bei noch weiter fortgeschrittener Zerstörung der Zähne, die sich auf die gesamte Zahnanatomie ausdehnt, sind schlussendlich nur mehr größere prothetische Versorgungen angebracht [15]. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei der Diagnostik und Therapie erosiver Geschehnisse besonders die Früherkennung von RisikopatientInnen im Vordergrund stehen sollte, um entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung und Progression einleiten zu können. Bei bereits fortgeschrittenem erosiven Zahnhartsubstanzverlust sollten so lange als möglich adhäsive Techniken angewendet werden, um zusätzlichen iatrogenen Zahnhartsubstanzverlust zu vermeiden. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www. zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966- 21 oder E-Mail: info@zahnaerzteblatt.de. Dr. Barbara Cvikl, Prof. Dr. Adrian Lussi Dr. Barbara Cvikl Prof. Dr. Adrian Lussi Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin, Zahnmedizinische Kliniken der Universität Bern, Schweiz, Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie, Medizinische Universität Wien, Österreich Klinik für Zahnerhaltung, Präventiv- und Kinderzahnmedizin, Zahnmedizinische Kliniken der Universität Bern, Schweiz Anzeige

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