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Versorgungsbericht 2023 der KZV BW

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Ausgabe 8-9/2023

28_BERUFSPOLITIK

28_BERUFSPOLITIK ZBW_8-9/2023 www.zahnaerzteblatt.de MVZ-Regulierung. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch begrüßt die Delegierten auf der Vertreterversammlung in Mainz. Hoch steht bei der Forderung nach einer MVZ-Regulierung an der Seite der Zahnärzteschaft. Geschlossenheit. Die Zahnärzteschaft stimmt geschlossen für eine Stärkung der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung. Fotos: KZBV/Jan Knoff Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz. Diese seien noch nicht offiziell zugeleitet worden und die Zeit für Stellungnahmen erfahrungsgemäß knapp. „Viele der teils hoch konfliktären Gesetzesvorhaben haben zur Mitte der Legislaturperiode noch nicht das Licht der Welt erblickt, etwa die GKV-Finanzreform, das Versorgungsgesetz II und das Bürokratie-Entlastungsgesetz. Aus den Erfahrungen der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode wissen wir, dass die Zeitpläne des BMG mit großen Unwägbarkeiten verbunden sind“, kritisiert Hendges das „Ad-hoc-Gesetzgebungsverfahren“. PROTESTBEREIT Umso wichtiger sei es, dass die Zahnärzteschaft offensiv nach vorne gehe, „so wie wir es mit der Kampagne ‚Zähne zeigen‘ tun“. Er ruft alle Zahnärzt*innen im Land auf, sich engagiert an der Kampagne zu beteiligen. Wenn man die präventionsorientierte Parodontitisversorgung retten wolle, dann müsse man jetzt aktiv werden. In der anschließenden Diskussion wird klar: Die Zahnärzteschaft ist bereit, für ihre Interessen zu kämpfen. » Aber wir sind erst am Ziel, wenn das Bundesgesundheitsministerium die fachliche Gründungsbeschränkung miteinpreist.« Dr. Torsten Tomppert zum Bundesratsbeschluss bezüglich der Regulierung von MVZ SELBST GESTALTEN Unverständnis und Ärger unter den Delegierten gibt es auch beim Thema „Europäischer Datenschutzraum“, besser bekannt unter dem Kürzel EHDS (European Health Data Space). Die EU will damit Gesundheitsdaten für Patient*innen und die Forschung grenzüberschreitend in einer elektronischen Patientenakte (ePA) nutzbar machen. Viele Praxen sehen dabei Kosten und zusätzlichen Verwaltungsaufwand bei der Erhebung der Daten auf sich zurollen. Die Zahnärzteschaft müsse selbst definieren, welche Daten aus ihrer Sicht in die ePA sollen. Lauterbach lasse sich von diesem Digitalisierungsprojekt nicht mehr abbringen, sagt der Vorstandsvorsitzende Hendges. Christian Finster, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV BW, weist im Zusammenhang mit dem EHDS auf Datenschutz und Patientenrechte hin: „Diese Daten sind für Hacker wie der Honigtopf für die Bienen. Wichtig ist das Widerspruchsrecht der Patienten. Die Ausübung des Widerspruchsrechts muss einfach sein. Darauf müssen wir ein Augenmerk legen“. WICHTIGE BESCHLÜSSE Bereits im Vorfeld zur VV beriet sich die AG KZVen (eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen KZVen) unter Vorsitz der KZV BW. Dabei wurde unter anderem ein Antrag zur Budgetierung erarbeitet, der später von der VV beschlossen wurde. Darin wird die Bundesregierung „mit Nachdruck auf(gefordert), die Budgetierung in der zahnärztlichen Versorgung dauerhaft abzuschaffen“. „Zuerst einigt man sich auf eine zeitgemäße PAR-Richtlinie und anschließend werden die dafür erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung gestellt, das ist nicht akzeptabel. Für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort ist es wichtig, dass sämtliche vertragszahnärztliche Leistungen budgetfrei erbracht werden können“, sagte Dr. Peter Riedel, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KZV BW. In einem weiteren Antrag wird die Politik zu einem klaren Bekenntnis zur

ZBW_8-9/2023 www.zahnaerzteblatt.de 29_BERUFSPOLITIK Selbstverwaltung aufgerufen: „Die Vertreterversammlung der KZBV fordert die Bundesregierung daher auf, sich wieder eindeutig und klar zum besonderen Stellenwert der Selbstverwaltung und der Freiberuflichkeit für unser Gesundheitswesen zu bekennen und zu einem von gegenseitigem Vertrauen, Respekt und Kooperation geprägten Miteinander zurückzukehren. Dazu gehört auch, dass die systematische Ausgrenzung aus Entscheidungsprozessen und die in diesem Zusammenhang fortgesetzte Diffamierung der Selbstverwaltung und ihrer Vertreter als ‚Lobbyisten‘ ein Ende findet.“ Bei der Besetzung von Gremien und Regierungskommissionen sowie in Gesetzgebungsverfahren sei die Expertise der Selbstverwaltung, wie dies über Jahrzehnte gemeinsamer Konsens mit dem Bundesgesundheitsministerium war, wieder frühzeitig und ernsthaft einzubinden, sind sich die Delegierten einig. Alexander Messmer INFO Sämtliche Beschlüsse der 2. Vertreterversammlung der KZBV VV am 21. und 22. Juni 2023 finden Sie unter folgendem Kurz-Link oder indem Sie den QR-Code s c a n n e n : https://bit. ly/3NLTwmu. KOMMENTAR Dr. Hans Hugo Wilms Vorstandsreferent für Öffentlichkeitsarbeit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg Als neuer Vorstandsvorsitzender der KZBV hat es Martin Hendges nicht leicht. Das gesundheitspolitische Umfeld trägt nicht gerade zu einer positiven Aufbruchsstimmung am Beginn einer neuen Legislaturperiode bei. Die Folgen des sogenannten GKV-Finanzierungsstärkungsgesetz aus dem letzten Jahr schlagen sich in den einzelnen Länder-KZVen mit niedrigen Honorarabschlüssen und aktualisierten Honorarverteilungsmaßstäben (HVM) wegen der strikten Budgetierung kaum nieder, da drohen schon neue Gesetzesvorhaben aus dem Hause Karl Lauterbachs. Ein weiteres GKV-Finanzierungsstärkungsgesetz, GKV-Versorgungsgesetz I und II, Digitalisierungsgesetz, Datennutzungsgesetz und Bürokratieentlastungsgesetz hören sich für die in der Gesundheitspolitik unbedarften Bürger vielleicht gut an, bedeuten aber für uns in den Praxen weitere Restriktionen, Auflagen und Belastungen. Die Selbstverwaltung wird systematisch aus- und begrenzt, was inzwischen auch die Kassen gemerkt haben. Der Staat, der eigentlich für Rahmenbedingungen zuständig sein soll, mischt sich immer kleinteiliger in die Versorgung unserer Patienten ein und verstärkt den Kontrollwahn immer weiter. Großmäulig angekündigte Reformen entpuppen sich als reine Spargesetze und Schwächung der ambulanten Versorgung, sodass selbst angesehene Wirtschaftswissenschaftler und Kenner des GKV-Systems sich die Augen reiben und vor einer massiven Verschlechterung der Patientenversorgung warnen. Vor diesem Hintergrund kommt die Aussage einer Gesundheitsministerin aus dem Jahr 2005 fast einer Weissagung gleich: „Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit“, so Ulla Schmidt damals. Der amtierende Gesundheitsminister und damalige Chefberater im Gesundheitsministerium (BMG) scheint diese Forderung gnadenlos umzusetzen. Dazu passt auch die Aussage von Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, dass die Ärzte (Zahnärzte) Teil des Problems in unserem Gesundheitswesen seien. Was also soll und kann die KZBV tun? Abwarten? Nein! Beobachten? Nein! Oder mit maßgeblichen Gesundheitspolitikern reden und sie mit unseren guten Argumenten zu überzeugen versuchen, mit der gerade angelaufenen Kampagne uns laut zu Wort zu melden, um die Medien, die Öffentlichkeit zu „bearbeiten“ und die allgemeine Öffentlichkeit, die Patienten als Verbündete auf unsere Seite zu holen? Ja! Aber reicht das? In dieser Gemengelage meldete sich ein Vorstandsvorsitzender einer Krankenkasse zu Wort und schlug vor, die gesamte zahnmedizinische Versorgung aus dem Leistungskatalog der GKV herauszunehmen, um damit 13 Milliarden einzusparen. Dass Karl Lauterbach dieses Ansinnen sofort zurückwies – klar! Dass die KZBV dies als unsozial ebenfalls sofort zurückwies – eher voreilig! Darüber lässt sich zumindest nachdenken. Als Teil des GKV–Systems unterliegen wir seit Jahrzehnten zahlreichen Restriktionen (s. o.). Unsere Präventionserfolge, das AuB-Konzept, das Eintreten für vulnerable Bevölkerungsteile wird ständig als beispielhaft und wegweisend von der Politik wortreich anerkannt. Aber ändern tut sich deswegen nichts. Die Sparschraube wird weiter gedreht, der Kontrollwahn nimmt zu. Ist es nicht an der Zeit, über mehr Freiheiten im GKV-System nachzudenken? Müssen nicht weniger statt immer mehr Behandlungsbereiche in den Leistungskatalog der GKV? Lohnt es sich nicht, bei der Politik dafür zu werben, das Festzuschusssystem auf alle Versorgungsbereiche auszudehnen? Ist nicht gerade der zahnmedizinische Versorgungsbereich dazu geeignet, als Pilot für die Herausnahme von nicht unbedingt notwendigen Leistungen aus der solidarischen Finanzierung zur Verfügung zu stehen? Wenn wir unsere viel beschworene Freiberuflichkeit wieder vollständig zurückerhalten wollen, müssen wir auch mal eingefahrene Strukturschienen überdenken und unkonventionelle Modelle entwickeln. Wenn nicht jetzt, wann dann?

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