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Verantwortung – in der Politik wie im Gesundheitswesen

Ausgabe 12/2019

8 Berufspolitik

8 Berufspolitik Vertreterversammlung am 13. und 14. November in Berlin „Fan der Selbstverwaltung“ zu Gast bei der KZBV Foto: KZBV/Spillner Nur wenige Kilometer Luftlinie sind es vom Ellington-Hotel in Berlin-Charlottenburg bis zum Reichstagsgebäude. Und dorthin musste Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am 13. November nach gut 90 Minuten Rede und intensiver Debatte mit den Delegierten der KZBV-Vertreterversammlung sehr schnell zurück „bevor ich zitiert werde“, wie der Minister scherzhaft betonte. Die 7. Vertreterversammlung der KZBV hatte mit seinem Auftritt indessen einen hochpolitischen und kontroversen Einstieg erlebt, der auch in den weiteren Beratungen stets spürbar war. KZBV-Vertreterversammlung in Berlin. Engagierte Debatte mit dem Gesundheitsminister. Bilanz. 24 Gesetze in nur 19 Monaten habe die Bundesregierung allein im Gesundheitsressort vorgelegt, so der Minister, wobei es ihm nicht um Quantität, sondern um Qualität gehe. Spahns Credo und gleichermaßen der Anspruch an seine Arbeit lautet, den Bürgerinnen und Bürgern durch konkrete Entscheidungen in ihrer jeweiligen Lage zu helfen und dadurch Vertrauen zurückzugewinnen. Lösungen für bestehende Probleme anzubieten, dies wolle er gemeinsam mit der Selbstverwaltung, insbesondere auch mit der Zahnärzteschaft erreichen, woraufhin der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer in seiner Erwiderung, unabhängig von diversen Kontroversen in der Sache, bestätigte: „Dialogbereit sind Sie.“ Auch habe man mehrfach gut zusammengearbeitet und einige Themen etwa die Degression abgeräumt. Doch gerade das Verhältnis des Ministers zur Selbstverwaltung war in der Diskussion und während des gesamten Kongresses immer wieder Gegenstand von Kritik. Selbstverwaltung. Applaus bekam Spahn, als er sich als „großer Freund der Selbstverwaltung“ bezeichnete und nebenbei von seinem britischen Amtskollegen berichtete, der in einem staatlichen Gesundheitswesen für jedes einzelne Krankenhaus zuständig sei. Staatliche Systeme sind nicht praxisnah, wie Spahn betonte. Zudem sei auch die Akzeptanz größer, wenn die Selbstverwaltung Verantwortung übernehme. Spätestens jetzt hatte der Minister die Aufmerksamkeit des ganzen Saales, denn die diversen Attacken auf die Selbstverwaltung und ihre Kompetenzen waren stets präsent. Und so ging ein kollektives Raunen durch den Saal, als er betonte, er habe kein Gesetz gemacht, in dem nicht auch die Selbstverwaltung durch zusätzliche Aufgaben gestärkt worden sei. Die Vorstandsvorsitzende der KZV Baden-Württemberg Dr. Ute Maier wiederum nahm diese Ausführungen zum Anlass, um den Minister auf das für eine erfolgreiche Arbeit der Selbstverwaltung nötige Grundvertrauen aufmerksam zu machen: „Die Aufgaben werden mehr, aber sie sind in der Regel immer mit Sanktionen bewehrt. Selbstverwaltung braucht aber das Vertrauen, dass sie eigenverantwortlich die Dinge regelt und nicht nur aufgrund von Sanktionen.“ Digitalisierung. Passend zur gesundheitspolitischen Agenda Spahns prägte dann auch das Thema Digitalisierung weite Teile von Vortrag und Diskussion. Gewohnt eloquent prangerte Spahn die jahrelange Hängepartie bei der elektronischen Gesundheitskarte den „Berliner Flughafen des Gesundheitswesens“ an, zeigte sich entschlossen, bis ins kommende Jahr alle „Leistungserbringer“ an das sichere Netz angeschlossen zu haben, um die Vorteile der elektronischen Patientenakte für die Versorgung nutzbar zu machen und forderte die Zahnärzteschaft auf, den Prozess der Digitalisierung mitzugestalten. An den Sanktionen für nicht angeschlossene Praxen will der Minister festhalten. Daran änderten auch der Appell aus der Versammlung sowie ein später einstimmig beschlossener Antrag zur Ablehnung der Sanktionen wenig. „Man müsse die Leute ZBW 12/2019 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 9 AG Frauenförderung. KZV-Vorstandsvorsitzende Dr. Ute Maier arbeitet für eine bessere Repräsentanz von Frauen in der Selbstverwaltung. in den Praxen, die bisher nur erlebt haben, was alles nicht funktioniert, mitnehmen.“ Sanktionen seien „unangemessen, kontraproduktiv und demotivierend“, so die einhellige Meinung. Spahn hingegen betonte, technische Probleme seitens der Hersteller seien für ihn kein Argument, schließlich reiche der Nachweis der Bestellung. Überdies sei der Konnektor, die „Kiste mit Plastikverkleidung“, ohnehin nur eine Übergangslösung, die bald schon durch eine Softwarelösung ersetzt werden solle. Datensicherheit. Mehr Zustimmung gab es dann schon für die Bestrebungen, im Bereich der Datensicherheit eine eigene Infrastruktur in Deutschland aufzubauen, um sich nicht abhängig von Internetgiganten wie Apple, Google und Amazon zu machen, die derzeit Milliarden ins Gesundheitswesen investieren. Ein anderes Modell sei die staatliche Kontrolle von Daten auch im Gesundheitsbereich, wie sie in China praktiziert werde. Anstelle des chinesischen wie auch des amerikanischen Weges müsse klargestellt sein, dass Gesundheitsdaten in Deutschland im Besitz des Individuums sind, pflichtete auch Dr. Eßer bei. Bei der Erarbeitung entsprechender Richtlinien seien auch die KZBV und die KZVen gefragt. Man müsse gemeinsam dafür arbeiten, Datensicherheit im digitalen Bereich auf hohem Niveau zu gewährleisten, um auf dieser Basis Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten zu erzielen, etwa im Bereich telemedizinischer Angebote. Foto: Simon-Denoix Investoren-MVZ. Von Minister Spahn nicht angesprochen wurde dagegen die Problematik der investorgeführten zahnmedizinischen Versorgungszentren (Z-MVZ), die Dr. Eßer in die Debatte brachte. Zwar sei die KZBV dankbar, dass im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ein Passus zur Regulierung der Gründung von MVZ aufgenommen wurde, doch gebe es weiterhin Fehlsteuerungen durch den Markteintritt von fachfremden und offenkundig nur an größtmöglicher Rendite orientierten Investoren. Im ärztlichen Bereich seien bereits ganze Leistungsbereiche von Investoren aufgekauft worden. Den Investitionsplänen von Private-Equity-Gesellschaften im zahnärztlichen Bereich müsse man sich deutlich entgegenstemmen. „Versorgung ist kein Spekulationsobjekt“ mit dieser griffigen Formulierung bekräftigte Dr. Eßer die Linie, mit der bereits im vergangenen Jahr für eine stärkere Regulierung geworben wurde. Gleichzeitig sei es entscheidend, nicht nur verhindern zu wollen, sondern aktiv aufzutreten und die bewährten Praxisformen wettbewerbsfähiger gegenüber den MVZ zu machen, um die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht an Investoren zu verlieren. Dazu gehörten attraktive Arbeitsbedingungen und eine echte Willkommenskultur in den Praxen. Vor allem aber gelte es, die Niederlassung in freiberuflicher Praxis zu fördern, den Wünschen dieser Generation zu entsprechen und die Selbstständigkeit aus deren Sicht attraktiv zu gestalten. Was hatte der Minister zu diesem Thema zu sagen? Viel war es nicht. Die Regelung im TSVG ist im Mai in Kraft getreten, für eine abschließende Bewertung sei es deutlich zu früh. Generell verteidigte er die Versorgungsform MVZ, schließlich entspreche sie dem Wunsch vieler junger Zahnärztinnen und Zahnärzte, in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten was freilich auch in der Einzelpraxis oder BAG möglich ist und zuletzt auch noch erleichtert wurde. Man werde jedoch miteinander beobachten, wie das TSVG wirke. Außerdem, so erklärte Spahn, habe das Ministerium entsprechende Gutachten dazu beauftragt ohne genauer zu spezifizieren, was da untersucht werden solle. Positionierung. Mit diesen zentralen Feldern und dem in einem separaten Tagesordnungspunkt aufgerufenen Thema Erhöhung der Beteiligung von Frauen in der Standespolitik war auch die strategische Positionierung der 7. Vertreterversammlung der KZBV abgesteckt. Sowohl in den Bereichen Digitalisierung, Datenschutz und Telematik, bei den zahnmedizinischen Versorgungszentren als auch bei den weiteren relevanten Aspekten zur Sicherstellung der Versorgung wurden die Forderungen von Vorstand und Delegierten in verschiedenen Anträgen zu Papier gebracht und jeweils in großer Geschlossenheit verabschiedet. Angesichts der bestehenden Dynamik und der zahlreichen offenen Fragen ist zu erwarten, dass diese Themen auch weiterhin die standespolitische Arbeit prägen werden. Frauenförderung. Ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung be- www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2019

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