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Verantwortung – in der Politik wie im Gesundheitswesen

Ausgabe 12/2019

48 Praxis

48 Praxis ZFZ-Prophylaxesymposium in Sindelfingen Empfehlungen für den Einsatz von Fluoriden Foto: Krutsch/ZFZ Seit einiger Zeit sorgt die Diskussion um den Einsatz der Fluoride in der Zahnmedizin in der Öffentlichkeit für große Verunsicherung. Die Diskussionen reichen von rechtlichen Einwänden über toxikologische Bedenken bis hin zu Publikationen, in denen der Nutzen der Fluoridierung generell angezweifelt wird. Für weitere Verwirrung sorgt, dass es eine Leitlinie aus dem Jahr 2013 gibt und parallel dazu neue, davon abweichende Empfehlungen von Fachgesellschaften. Was gilt denn nun? Das Prophylaxesymposium des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums (ZFZ) Stuttgart, das im Oktober in Sindelfingen stattfand, trug zur Aufklärung bei. Gemeinsame Aufklärung. Die Expertin und Experten des Prophylaxesymposiums (v. l.) Prof. Dr. Katrin Bekes, Prof. Dr. Elmar Hellwig, Prof. Dr. Johannes Einwag und Prof. em. Dr. Adrian Lussi verrmittelten die aktuellen Empfehlungen zur Fluorid-Anwendung im Rahmen der Kariesprophylaxe. dukte. Prof. Dr. Johannes Einwag, Leiter des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart, sieht deshalb einen aktuellen Aufklärungsbedarf, um Schaden von der Zahngesundheit der Bevölkerung abzuwenden. Aus diesem Grund initiierte er das Prophylaxesymposium in Sindelfingen, zu dem knapp 300 interessierte Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter gekommen waren. Basiswissen. Grundlagen zur chemischen Wirkungsweise von Fluorid im Rahmen der Kariespro- Die Verwirrung ist komplett: Die Zahnarztpraxen empfehlen ihren Patienten die Fluoridierung auf der Basis der aktuellen Kommunikation der Fachgesellschaften, während die meisten Informationsbroschüren zum Einsatz von Fluoriden zur Kariesprophylaxe davon abweichende (veraltete) Angaben enthalten. Wie wirken diese unterschiedlichen Infos auf die Patientinnen und Patienten? Im Zusammenspiel mit kritischen Medienberichten zu Fluoriden verzichten verunsicherte Patienten im schlimmsten Fall komplett auf den Gebrauch fluoridhaltiger Prophylaxe vermittelte Prof. em. Dr. Adrian Lussi aus Bern. Er erläuterte, wie Zahnschmelz und Dentin im Detail aufgebaut sind, was bei einem Säureangriff chemisch mit den Zähnen passiert und wie Fluoride die Remineralisierung fördern bzw. die Demineralisierung hemmen. Er kam zu dem Schluss, dass bei der Kariesprophylaxe in erster Linie die lokale Fluoridapplikation mit fluoridhaltigen Zahnpasten von Bedeutung ist. Eine wachsende Bedeutung haben Fluoridverbindungen auch im Rahmen der Erosionsprophylaxe. In diesem Zusammenhang stehen vor allem die „Gegenionen“ des Fluorids (z. B. das Zinn im Zinnfluorid) im Mittelpunkt. Anwendung von Fluoriden. Die allgemeinen Grundlagen zur wirksamen und sicheren Anwendung fluoridhaltiger Produkte übermittelte Prof. Dr. Elmar Hellwig aus Freiburg. Er zeigte auf, dass Fluorid überall in der Natur verbreitet ist und mit dem Trinkwasser und der Nahrung täglich aufgenommen wird. Diese Fluoridkonzentration reicht aber nicht aus, um eine kariespräventive Wirksamkeit zu entfalten. Fluorid muss posteruptiv an der Zahn oberfläche vorliegen, um präventiv gegen Karies wirken zu können. Prof. Hellwig verwies auf zahlreiche internationale Leitlinien, in denen die Evidenz für die Fluoridwirkung insbesondere von fluoridhaltigen Zahnpasten beschrieben wird. Aus einem neuen Review der Cochrane Library geht deutlich hervor, wie wichtig das Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta ist. Unabhängig davon kann bei kariesaktiven Patienten die Applikation von fluoridhaltigen Gelen, Lacken oder Mundspüllösungen empfohlen werden. Vor allem Patienten mit Wurzelkaries oder mit festsitzenden kieferorthopädischen Geräten empfiehlt sich ZBW 12/2019 www.zahnaerzteblatt.de

Praxis 49 die tägliche Anwendung hochkonzentrierter Zahnpasten zur Prävention. Bezüglich der möglichen Nebenwirkungen einer Fluoridapplikation zeigen zahlreiche Studien, dass Fluorid keine Allergien auslöst, dass Fluorid kein ätiologischer Faktor für Tumorerkrankungen oder Allgemeinerkrankungen ist, nicht die Sterblichkeitsrate erhöht und somit in den empfohlenen Dosierungen unbedenklich angewandt werden kann. Allerdings zeigt sich auch, dass die Applikation von fluoridhaltigen Kariostatika bei hohem Zuckerkonsum die Karies nicht vollständig verhindern kann. Zur Kariesprävention zählt somit auch eine bewusste Ernährung mit reduzierten Zuckermengen. Fluoride bei Kindern. Prof. Dr. Katrin Bekes aus Wien präsentierte in ihrem Referat „Wirksame und sichere Anwendung fluoridhaltiger Produkte Spezielle Maßnahmen bei Kindern“ die neuen Fluoridierungsempfehlungen für diese Altersgruppe. Für Kinder gibt es seit dem letzten Jahr neue Empfehlungen für den Gebrauch fluoridhaltiger Zahnpasten, die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) und der Deutschen Gesellschaft für Präventive Zahnmedizin (DGZPM) sowie weiteren Experten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden verabschiedet wurden. Diese sehen vor, dass bereits ab dem Durchbruch des ersten Milchzahnes zweimal täglich mit einer erbsengroßen Menge einer Zahnpasta mit 500 ppm oder mit einer reiskorngroßen Menge einer Zahnpasta mit 1.000 ppm geputzt wird. Vom zweiten bis zum sechsten Lebensjahr sollte dann zweimal täglich eine Zahnpasta mit 1.000 ppm in einer erbsengroßen Menge verwendet werden. Anlass für die Neustrukturierung ist die Tatsache, dass der Kariesrückgang im Milchgebiss im Vergleich zu den bleibenden Zähnen deutlich geringer ausfällt. Darüber hinaus werden international schon längst Zahnpasten mit höherer Fluoridkonzentration für Alter Konzentration Häufigkeit Menge Ab Durchbruch des ersten Zahnes bis zum 2. Geburtstag Vom 2. bis zum 6. Geburtstag Empfehlung für Kinderzahnpasten. Die Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ), der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ), dem Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) neue Empfehlungen für Kinderzahnpasten beschlossen und diese in einer Pressekonferenz am 27.09.2018 der Öffentlichkeit vorgestellt. Kinder bis zum sechsten Geburtstag empfohlen. Eine weitere Neuerung gibt es im Bereich der Applikation von Fluoridlacken im Kleinkindalter. Das Auftragen dieser Lacke ist für Kinder zwischen dem 6. und 34. Lebensmonat seit diesem Jahr eine Kassenleistung geworden. Der Anspruch besteht zweimal je Kalenderhalbjahr, unabhängig davon, ob bei den Kindern eine (initial-) kariöse Läsion vorliegt. Kinder zwischen dem 34. Lebensmonat und dem vollendeten 6. Lebensjahr haben weiterhin unverändert Anspruch auf Fluoridierung bei hohem Kariesrisiko. Prophylaxe-Broschüre. Abschließend gab es für die Teilnehmer/innen noch einen besonderen Service: Das ZFZ hatte die Teilnehmer/innen im Vorfeld des Symposiums gebeten, die häufigsten Fragen ihrer Patienten (FAQ) und auch des Praxisteams zum Thema Fluoride mitzuteilen. Dutzende Fragen gingen ein, wurden gesichtet, in fünf Bereiche (Grundlagen, Wirkungsweise, Nutzen, Risiken und Anwendung) strukturiert, beantwortet und in der Broschüre „D-A-CH Prophylaxe Update 2019“ für den Praxisalltag zusammengefasst. 500ppm 2 mal tgl. erbsengroß Prof. Dr. Johannes Einwag stellte diese Broschüre zum Abschluss des Symposiums in einer Fragestunde „Wie sag ich’s dem Patient was sag ich dem Patient“ vor. Sämtliche Fragenkomplexe wurden nochmals detailliert erläutert, sodass die Teilnehmer/innen am Ende ein gut gefülltes Informationspaket mit nach Hause nehmen konnten bzw. gut gewappnet sind für die effektive Kariesprophylaxe in ihrer Praxis. » richter@lzk-bw.de Info alternativ 1000 ppm 2 mal tgl. reiskorngroß 1000 ppm 2 mal tgl. erbsengroß Zusätzlich fluoridiertes Speisesalz mit Beginn der Teilnahme des Kindes an der Familienverpflegung Die FLA-Fluoridlackanwendung zur Zahnschmelzhärtung (14 Punkte) hat folgenden Leistungsinhalt: • Anwendung von Fluoridlack einschließlich Beseitigung von sichtbaren weichen Zahnbelägen und der relativen Trockenlegung der Zähne • Die FLA kann bei Kindern vom 6. bis 33. Lebensmonat zweimal pro KH abgerechnet werden. • Ab dem 34. Lebensmonat ist die zweimalige Abrechnung je KH nur bei hohem Kariesrisiko möglich. Quelle: DGPZM www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2019

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