8 Titelthema Foto: imago/photothek Nach 171 Tagen steht die Bundesregierung Umfangreichster Koalitionsvertrag aller Zeiten Die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017 trägt einmalige, historische Züge: Noch nie hat sie so lange gedauert, exakt 171 Tage. Der Höchststand bisher waren 86 Tage nach der Bundestagswahl 2013. Und der Koalitionsvertrag liegt vor: Mit 177 Seiten und 8.355 Zeilen der bisher umfangreichste Vertrag, den Koalitionsparteien in rekordverdächtig kurzer Zeit formuliert und beschlossen haben. Ob nun Bundeskanzlerin Angela Merkel der SPD die Regierung geschenkt hat (BILD Zeitung), oder ob die Sozialdemokraten abgesahnt haben (Die Welt): Interessanter ist, was bedeutet der Koalitionsvertrag für die Zahnärztinnen und Zahnärzte. Die KZV BW und die LZK BW haben das Werk analysiert – im Einzelnen: Digitalisierung des Bonushefts. „Als erste Maßnahme schaffen wir die Möglichkeit, den Impfpass, den Mutterpass und das Untersuchungsheft digital zu speichern, das Zahnbonusheft digital zu verwalten sowie die Möglichkeiten von „Mobile Health“ zu nutzen.“ (Koalitionsvertrag) Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Die Politik kann auf Unterstützung bei der Digitalisierung des Bonusheftes zählen. Die Selbstverwaltung hat hier bereits erste Überlegungen angestellt und bringt diese gerne in die weitere Diskussion ein. Zahnersatz. Die Festzuschüsse für Zahnersatz werden von bisher 50 Prozent auf 60 Prozent erhöht. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Es ist abzuwarten mit einer fundierten Einschätzung, wie dieser Schritt in die Versorgung ge- bracht werden soll und inwiefern er sich auf das schon lange bewährte Bonussystem auswirkt. Approbationsordnung. Die Novellierung der Approbationsordnung für Zahnärzte wird zügig abgeschlossen werden. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Die Verabschiedung einer neuen Approbationsordnung ist ein notwendiger und ZBW 4/2018 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 9 längst überfälliger Schritt. Dass die Erneuerung der ZApprO nach mehr als 60 Jahren nun zeitnah erfolgen soll, ist eine gute Nachricht für die Zahnmedizin. Die angehenden Zahnmediziner können hoffentlich bald nach den aktuellen wissenschaftlichen Anforderungen studieren. Zugleich soll damit die Gleichwertigkeitsprüfung für ausländische Zahnärzte geklärt werden. G-BA. Damit medizinische Innovationen schneller in die Regelversorgung gelangen, sollen die Verfahren des G-BA beschleunigt werden, indem Aufgabenkatalog und Ablaufstrukturen gestrafft werden. Auch über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden soll zukünftig schneller entschieden werden. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Abwarten – nicht zu früh freuen! Freie Berufe. Verankert im Koalitionsvertrag sind das Bekenntnis zu Freien Berufen und der Einsatz für die Belange der Freien Berufe. Man wolle darauf hinwirken, dass die hohen Qualitätsstandards und die Unabhängigkeit freiberuflicher Dienstleistungen auch im europäischen Kontext angemessen berücksichtigt werden. (Koalitionsvertrag, Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen: Seite 61, Zeile 2798; Seite 62, Zeile 2822) Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Dass sich der Koalitionsvertrag für Erhalt und Stärkung der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung ausspricht, zeigt das begründete Vertrauen in die gut funktionierenden Strukturen aus freier Arztwahl und Therapiefreiheit. Dadurch wird der hohe Qualitätsstandard des Gesundheitssystems in Deutschland gesichert. Es gilt in den Koalitionären auch Mitstreiter gegen europäische Bestrebungen zu finden, die eine Gefahr für unsere hohe medizinische Qualität und fachliche Unabhängigkeit darstellen. Ausbildung der Gesundheitsfachberufe. Das Schulgeld in allen Gesundheitsberufen soll abgeschafft werden. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Richtiger Schritt im Hinblick auf Fachkräftemangel. Gesetzliche/Private Krankenversicherung. Sowohl die ambulante Honorarordnung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (EBM), als auch die Gebührenordnung der Privaten Krankenversicherung (GOÄ) sollen so reformiert werden, dass sie dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung und dem Stand des medizinischen Fortschritts gerecht werden. Dazu soll eine wissenschaftliche Kommission entsprechende Vorschläge bis Ende 2019 erarbeiten. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Zu einem solch riskanten Experiment mit der Versorgung unserer Patienten hat sich die Zahnärzteschaft immer klar ablehnend positioniert – und daran ändert sich auch jetzt nichts: In zahnärztlichen Praxen gibt es keine Zwei-Klassen-Medizin und Scheindebatten um vermeintlich „gerechte“ Honorarordnungen lösen keines der Probleme, die das Gesundheitssystem hat. Die Zahnärzteschaft geht zudem davon aus, dass in die einzusetzende wissenschaftliche Kommission der ärztliche und zahnärztliche Sachverstand eingebunden wird. Kassenbeiträge. Ab 1. Januar 2019 werden die Beiträge zur Krankenversicherung wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet. Der bisherige Zusatzbeitrag wird paritätisch finanziert. Für ALG-II-Bezieher sollen kostendeckende Beiträge schrittweise eingeführt und aus Steuermitteln finanziert werden. (Koalitionsvertrag, Gesundheit und Pflege: Seite 101, Zeile 4773) Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Schafft zwar mehr Gerechtigkeit, hat jedoch das Ansteigen der Lohnzusatzkosten zur Folge. Krankenversicherung für kleine Selbstständige. Die Mindestkrankenversicherungsbeiträge von heute 2283,75 Euro werden auf 1150 Euro gesenkt. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Hilft kleinen Selbstständigen vor explodierenden Beiträgen, vor allem im Alter. Bedeutet jedoch auch eine Ausweitung der GKV-Versicherten. Stärkung des Medizinischen Dienstes. Die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung sollen gestärkt, deren Unabhängigkeit gewährleistet und für bundesweit einheitliche und verbindliche Regelungen bei ihrer Aufgabenwahrnehmung Sorge getragen werden. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Das kann das Ende des Gutachterwesens, wie wir es kennen, bedeuten! E-Health. Die elektronische Patientenakte für alle Versicherten soll in dieser Legislaturperiode eingeführt werden. Der Pflegebereich soll in die Telematikinfrastruktur einbezogen werden. Die gespeicherten Daten werden weiterhin als Eigentum der Patienten deklariert. Deutschland soll zum Vorreiter bei der Einführung digitaler Innovationen in das Gesundheitssystem werden. Bewertung aus Sicht der Zahnärzteschaft: Grundsätzlich richtig, wenn Datenschutz gewahrt bleibt. Es darf weder zu einer gläsernen Praxis noch zu einem gläsernen Patienten kommen. Bei dem Desaster mit der eG-Card fehlt das Vertrauen in die digitale Zukunftsfähigkeit einer neuen Großen Koalition. Forschung und Innovation. Die Gesundheitsforschung soll ausgebaut werden, Hochschulmedizin, insbesondere auch die Versorgungsforschung und die Medizininformatik sollen gestärkt werden. Die neue Bundesregierung beabsichtigt, eine Roadmap zur Entwicklung und Umsetzung www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2018
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