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Umfangreichster Koalitionsvertrag aller Zeiten

Ausgabe 4/2018

12 Titelthema Der seit

12 Titelthema Der seit Anfang Februar vorliegende 177-seitige Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist eine Auflistung umfangreicher Aufgaben und Absichtserklärungen einer alten neuen Großen Koalition, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Die Trias Koalitionsvertrag Viel guter Wille – nur was bringt die Wirklichkeit? Kommentar von Dr. Torsten Tomppert aus neuem Aufbruch, neuer Dynamik und neuem Zusammenhalt für Deutschland klingt insgesamt vielversprechend, insbesondere auch für das Gesundheitssystem. Grundsätzlich begrüßenswert sind für mich alle Vorhaben, die die (zahn-)medizinische Versorgung der Bevölkerung substanziell verbessern und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Immer wieder erfrischend ist das traditionelle Bekenntnis zur Stärkung der Freiberuflichkeit und zu den Heilberufen in Form des Erhalts der freien Arztwahl und der Therapiefreiheit. Als Lackmustest wird sich aber zeigen, inwieweit die neue Bundesregierung den Freien Berufen zur Seite stehen wird, wenn die Ergebnisse der aktuellen Trilog-Verhandlungen der europäischen Institutionen zum EU-Dienstleistungspaket, Stichwort Verhältnismäßigkeitsprüfung, auf dem Tisch liegen. Die Intention der neuen Bundesregierung, die noch aus dem Jahr 1955 stammende zahnärztliche Approbationsordnung zügig zu novellieren und zu verabschieden, ist nicht nur zu begrüßen, sie ist meines Erachtens Pflicht. Denn hier besteht schon lange dringender Handlungsbedarf, um endlich die notwendige Voraussetzung für eine zahnärztliche state-of-the-art- Ausbildung nach neuestem wissenschaftlichen und pädagogischen Stand zu schaffen, was politisch doch gewollt ist. Auch die geplanten Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind richtig und wichtig, um dem ausufernden Dokumentationswahn Einhalt zu gebieten und um mehr Zeit zur Behandlung unserer Patienten zu haben. Insofern ist das geplante Bürokratieabbaugesetz sicherlich nicht falsch. Aber ein Gesetz allein löst die Probleme nicht. Bereits 2015 hat dazu der Nationale Normenkontrollrat der Bundesregierung in einer Studie konkrete Handlungsempfehlungen und Maßnahmen erarbeitet, Stichwort Negativdokumentation, die leider bis heute nicht in die Praxis umgesetzt worden sind. Hier sollte man als erstes dranbleiben. Weniger begrüßenswert ist für mich die Schaffung eines modernen Vergütungssystems auf Basis der bestehenden und zu reformierenden ambulanten Honorarordnung der Gesetzlichen Krankenversicherung (EbM) wie auch der Gebührenordnung der ärztlichen Privaten Krankenversicherung (GOÄ), weil diese eher Probleme verursachen als lösen würde. Die für diese Mammutaufgabe einzurichtende wissenschaftliche Kommission soll bis Ende 2019 sorgfältig unter Berücksichtigung aller medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen Vorschläge erarbeiten. Warten wir mal ab, was dabei rauskommt. Wir Zahnärzte sitzen derzeit (noch) nicht im Boot und sollten die Arbeit dieser Kommission gerade deshalb sehr aufmerksam begleiten. Der Autor ist Präsident der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg ZBW 4/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 13 Auch wenn ich mir eine Jamaika- Koalition gewünscht hätte, ist es gut, dass Deutschland nun wieder eine Bundesregierung hat. Im Bereich Gesundheit und Pflege ist der neuen Regierung in ihrem Koalitionsvertrag jedoch leider kein wirklich großer Wurf gelungen. Koalitionsvertrag Kein großer Wurf gelungen Kommentar von Manfred Lucha Er bleibt teilweise deutlich hinter den drängenden Anforderungen zurück. Natürlich gibt es auch Positives. Beim Thema der Sektorenübergreifenden Versorgung beispielsweise haben sich CDU/CSU und SPD an einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz orientiert, der auf Initiative Baden-Württembergs eine Bund-Länder-Reformkommission gefordert hat. Dies ist zumindest ein erster Schritt. Wichtig ist jetzt vor allem, diese Kommission zügig einzurichten und Baden- Württemberg mit an den Tisch zu nehmen. Denn beim Thema einer besseren Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Pflege sowie Reha-Zentren und anderen medizinischen Einrichtungen sind wir durch eigene Modellprojekte auf einem guten Weg und führend in der Bundesrepublik. Ebenso ist es richtig und notwendig, den Krankenhaus-Strukturfonds für weitere vier Jahre fortzuschreiben. Leider bleiben die Gerechtigkeitsdefizite bei der Finanzierung des Krankenversicherungssystems weiterhin bestehen. Auch für die Belange von Patientinnen und Patienten und deren bessere Beteiligung hat der Koalitionsvertrag kaum etwas vorzuweisen. Richtig enttäuscht bin ich aber beim Thema Pflege. Obwohl wirklich allen Beteiligten klar sein müsste, wie dringend die Situation in der Pflege verbessert werden muss, bleiben die Pläne der Bundesregierung weit hinter den notwendigen Weichenstellungen zurück. Das versprochene Sofortprogramm mit 8.000 neuen Stellen ist viel zu gering. Vor allem wenn man betrachtet, dass es über 13.000 Pflegeeinrichtungen in der Bundesrepublik gibt und laut einer neuen Studie 17.000 Stellen in den Pflegeheimen unbesetzt sind. Und selbst bei den genannten 8.000 neuen Stellen ist noch nicht klar, woher sie kommen sollen. Hingegen unterstütze ich die Bundesregierung bei der Novellierung der Approbationsordnung für Zahnärzte. Sie stammt aus dem Jahr 1955 und sollte dringend modernisiert werden, um den angehenden Zahnärztinnen und Zahnärzten eine zeitgemäße Ausbildung bieten zu können und um den Patientinnen und Patienten die bestmögliche Versorgung zu garantieren. Der Autor ist Minister für Soziales und Integration Baden-Württemberg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 4/2018

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