Fortbildung 39 A.a. T.f. E.c. P.i. P.i. P.n. Amoxicillin + + ++ Metronidazol ++ + + ++ Ciprofloxacin + + Doxycyclin + + Tetracyclin + + + Clindamycin ++ + Metronidazol & Amoxicillin* + ++ ++ + ++ Metronidazol & Ciprofloxacin* + ++ + + + ++ +: 10 1 -fach, ++: 10 2 -fach, +++: 10 3 -fach * von Einzelwerten abgeleitet A.a.: Actinobacillus actinomycetemcomitans; T.f.: Tanerella forsythensis; E.c.: Eikenella corrodens; P.g.: Porphyromonas gingivalis; P.i.: Prevotella intermedia; P.n.: Prevotella nigrescens Antibiotikakonzentrationen in der Gingivalflüssigkeit bei systemischer Verabreichung. Ausgedrückt in Vielfachen der in vitro ermittelten minimalen Hemmkonzentration (MHK 90) (Tabelle 1). die Keimzahl parodontopathogener Bakterien in der parodontalen Tasche über die Wirkung des mechanischen Debridements hinweg zu verringern oder wenn möglich, die parodontopathogenen Bakterien aus der Mundhöhle zu eliminieren. Um der Gefahr einer Resistenzbildung parodontopathogener Keime (22) vorzubeugen, sollen hierbei geeignete, das Spektrum parodontopathogener Keime abdeckende Antibiotika zum Einsatz kommen (13, 21, 23, 24). Darüber hinaus soll die intra- und extraorale physiologische Keimflora jedoch möglichst wenig verändert werden, damit es nicht zur Superinfektion mit anderen pathogenen Keimen kommt. Indikationen. Für die unterstützende systemische Antibiotikagabe zur Therapie von Parodontitiden soll eine niedrige Risiko- und Kosten-Nutzen-Relation gewahrt bleiben. Die Grundlage für die Entscheidung zur adjuvanten systemischen Antibiose stellt allein das klinische Bild. Deshalb beschränkt sich die Indikation zur unterstützenden Antibiotikatherapie in der Regel nur auf folgende Erkrankungen: • aggressive Parodontitis (25) • schwere chronische Parodontitis • Parodontitiden, die trotz vorangegangener Therapie progrediente Attachmentverluste aufweisen (12) • Parodontalabszess mit Tendenz zur Ausbreitung in die benachbarten Logen, Fieber und/oder ausgeprägter Lymphadenopathie (12) • nekrotisierende ulzerierende Gingivitis oder Parodontitis mit ausgeprägter Allgemeinsymptomatik (Fieber und/oder ausgeprägter Lymphadenopathie) (12) • mittelschwere bis schwere Parodontitis bei systemischen Erkrankungen oder Zuständen, die die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen. Hierbei ist besonders auf eine potentielle antibiotika-induzierte Superinfektion durch andere Erreger, wie z. B. Candida zu achten (11). Bei plaqueassoziierter Gingivitis sowie leichten und mittelschweren chronischen Parodontitiden bei systemisch gesunden Personen, die bei weitem die überwiegende Mehrzahl der Parodontalerkrankungen darstellen, hat eine unterstützende antibiotische Behandlung gegenüber der alleinigen mechanischen Parodontitistherapie (supra- und subgingivales Debridement und eventuell Parodontalchirurgie) keinen zusätzlichen Nutzen (26-28). Antibiotika sind also in der Parodontitistherapie immer nur als Unterstützung und nicht als Ersatz von supra- und subgingivalem Debridement anzusehen. Zeitpunkt der Antibiotikatherapie. Die alleinige Anwendung von Antibiotika zeigt meist nur eine geringe klinische Wirkung (17, 29), da Antibiotika aufgrund der Biofilm-Struktur der Plaque nur eingeschränkt in die Plaque penetrieren (30) können und die im Biofilm enthaltenen Bakterien eine höhere Antibiotikaresistenz aufweisen (31 bis 33). Ein supraund subgingivales Debridement führt zur temporären Desintegration des Biofilms und somit zur Erhöhung der Wirksamkeit der eingesetzten Antibiotika (34, 35). Daher sollten Antibiotika mit supra- und subgingivalem Debridement kombiniert werden, um der Kolonisation mit parodontopathogenen Keimen klinisch erfolgreich entgegenzuwirken. Um eine möglichst effiziente Wirkung zu erreichen, ist es daher notwendig, die Antibiotika unmittelbar nach Abschluss des supraund subgingivalen Debridements zu verabreichen (36 bis 39). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2016
40 Fortbildung Wirkstoff Tetracyclin 250 mg Doxycyclin 100 mg Metronidazol 400 mg Metronidazol 400 mg und Amoxicillin 500 mg Metronidazol 400 mg und Ciprofloxacin 250 mg Amoxicillin 500 mg Ciprofloxacin 250 mg Clindamycin 300 mg Dosierung (Erwachsene) 4 x 250 mg/die, 21 Tage 1 x 200 mg/die, 1 Tag 1 x 100 mg/die, 18 Tage 3 x 400 mg/die, 7 Tage 3 x 400 mg/die, 7 Tage 3 x 500 mg/die, 7 Tage 2 x 400 mg/die, 7 Tage 2 x 250 mg/die, 7 Tage 3 x 500 mg/die, 14 Tage 2 x 250 mg/die, 10 Tage 4 x 300 mg/die, 7 Tage Dosierung. Empfohlene Dosierungsschemata antibiotischer Wirkstoffe (per os) im Rahmen der adjuvanten Antibiotikatherapie (Tabelle 2). Auswahl der Antibiotika. Das Vorkommen parodontopathogener Bakterien ist bei Patienten mit Parodontitis individuell unterschiedlich (21, 40) und die Wirksamkeit von Antibiotika auf einige Bakteriengruppen eingeschränkt. Deshalb soll durch eine mikrobiologische Analyse das intraorale parodontopathogene Erregerprofil bestimmt und die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums daraufhin ausgerichtet werden (21). Die mikrobiologische Diagnostik sollte vor Beginn der Therapie durchgeführt werden, damit das Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik zum Abschluss des supra- und subgingivalen Debridements (Initialtherapie) vorliegt und eine auf die intraorale Kolonisation mit parodontopathogenen Keimen ausgerichtete adjuvante Antibiotikagabe direkt nach Abschluss des Debridements ermöglicht wird (siehe Abb. 1). Der Nachweis der bisher bekannten, eng mit der Ätiologie der Parodontitiden assoziierten Bakterien (Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis, Eikenella corrodens, Prevotella intermedia, Prevotella nigrescens und Treponema denticola) ist hierfür nach heutigem Wissensstand in der Regel ausreichend. Zur mikrobiologischen Diagnostik werden möglichst repräsentative Proben der supra- und subgingivalen Plaqueflora von erkrankten Parodontien benötigt. Je mehr Proben pro Patient für die mikrobiologische Analyse gesammelt werden, umso repräsentativer ist das Ergebnis für die pathogene intraorale Mikroflora (41). Für die klinische Routinediagnostik bietet hierfür die Entnahme supra- und subgingivaler Plaqueproben von der jeweils tiefsten parodontalen Tasche in jedem Sextanten (42) bei einfacher Durchführung eine hohe Sensitivität (42, 43). Die supra- und subgingivale Plaque wird mit einer Kürette oder sterilen Papierspitzen, die bis zum Fundus der parodontalen Tasche vorgeschoben werden und dort für etwa 10 Sekunden verbleiben, entnommen. Eine vorhergehende Reinigung oder ein Trockenlegen des Abnahmeortes ist nicht nötig. Um die Kosten für die mikrobiologische Analyse niedrig zu halten, werden die Plaqueproben meist in einer auf die geplante Methode ausgerichteten Transportlösung zusammengelegt (Poolprobe). Im Gegensatz zum Nachweis mittels Kultivierung oder Enzymtests, bei denen vitale Keime benötigt werden, muss die Analyse mit molekularbiologischen und immunologischen Verfahren nicht zeitnah zur Probenentnahme erfolgen. Molekularbiologische Verfahren (z. B. PCR) zum Zwecke des Erregernachweises erscheinen aus ökonomischer und technischer Sicht der Kultivierung überlegen. Entscheidend für die Auswahl von systemischen Antibiotika ist nicht die exakte Lokalisation eines parodontopathogenen Erregers, sondern der qualitative intraorale Nachweis innerhalb der Mundhöhle. Eine quantitative Bestimmung ist in der Regel nicht notwendig. Der parodontalen Infektion entsprechend, werden das Antibiotikum oder die Antibiotikakombination ausgewählt, für die gute antimikrobielle und klinische Wirkungen beschrieben wurden. Bei den Fällen, in denen das nicht eindeutig möglich ist, müssen weitere klinische Studien zur Klärung beitragen. Bei ungesicherter klinischer Datenlage soll aber zumindest denjenigen Antibiotika der Vorzug gegeben werden, für die bei systemischer Applikation Wirkstoffkonzentrationen im Gingivalsulkus beschrieben wurden, die höher sind als die in vitro ermittelten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK90) (siehe Tabelle 1) (14, 15, 18, 21, 24, 44-52). Der Nachweis einer Antibiotikaresistenz resp. die Anfertigung eines Antibiogramms ist erst nach einer vorausgegangenen klinisch nicht erfolgreichen Antibiotikatherapie sinnvoll. Da dies in der Regel erst frühestens 12 Monate nach Abschluss der parodontalen Basistherapie festzustellen ist, erscheint die klinische Relevanz einer zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Resistenztestung unsicher. Die allgemeinen Kontraindikationen für Antibiotika und deren Interaktionen mit anderen Medikamenten sind zu beachten. Verabreichungsform. Bei systemischer Verabreichung von Antibiotika werden alle parodontalen Taschen und auch die anderen bakteriellen Nischen der Mundhöhle erreicht. Deshalb ist die systemische Gabe insbesondere bei den generalisierten Formen der oben genannten Parodontitiden in den allgemein empfohlenen Dosierungen angezeigt (siehe Tabelle 2). Subinhibitorische Dosierungen sind therapeutischen Dosierungen oberhalb der MHK im Hinblick auf das klinische Ergebnis eindeutig unterlegen und können Resistenzen induzieren (16, 43). Zur lo- ZBW 12/2016 www.zahnaerzteblatt.de
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