Aufrufe
vor 2 Jahren

Tue Gutes und rede darüber

Ausgabe 12/2016

Titelthema 23 Haiti.

Titelthema 23 Haiti. Behandlungssaal der Zahnklinik in Port au Prince/Haiti. Behandlungsbedarf. Alle Überredungskünste sind gefragt, um die junge haitianische Patientin von der Behandlungsnotwendigkeit zu überzeugen. Jüngeren ist es besonders hilfreich, wenn sich jemand die Zeit nimmt, in kniffligen Situationen durch Rat und Tat Lösungswege aufzuzeigen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der gute Kontakt zu den Leuten vor Ort, den Verantwortlichen der Partnerorganisation, die mit der Mentalität vertraut sind und die dazu beitragen, dass sich die Freiwilligen besser auf die Umgebung und ihre Aufgaben einstellen können. Im Rahmen zahlreicher Gespräche lernen die Helfer Probleme kennen und sehen, wo Hilfe dringend gebraucht wird. Als Vorteil erwies sich auch, dass es in der Dominikanischen Republik eine ganze Reihe bereits bestehender Einrichtungen gibt, die mit deutscher Entwicklungshilfe – staatlicher genauso wie kirchlicher – aufgebaut wurden und für unsere Mission genutzt werden können. Hilfe für Waisen. Da weiterhin ein großer Hilfsbedarf besteht, kamen zahlreiche weitere Einsatzgebiete hinzu. So wurde zum Beispiel im Süden von Haiti eine komplette Zahnstation in einem Gesundheitsposten eingerichtet und gerade in letzter Zeit kamen vermehrt Kooperationen mit Waisenhäusern und Schulen in Haiti dazu. Hier besteht noch erheblicher Bedarf, anderseits hat die Arbeit mit Kindern allen Kolleginnen und Kollegen, die sich an dieser Aktion beteiligt haben, sehr viel Freude gemacht. Dabei ist der Behandlungsbedarf enorm und leider muss man als Helfer auch einiges erleben, das man so leicht nicht wieder vergisst. Denn die medizinische Versorgung haitianischer Waisenkinder hat keinerlei Priorität und die zumeist privaten Hilfseinrichtungen sind völlig auf sich allein gestellt. Gerade in den aktuell von Hurrikan Matthew schwer getroffenen Gebieten stehen wir mit mehreren Waisenhäusern in Kontakt, die fast wieder bei null anfangen müssen. Jamaika und Kuba. Ganz anders sind die Erfahrungen auf den Nachbarinseln Jamaika und Kuba. Auf Jamaika gibt es gerade mal 150 Zahnärzte, da es dort lange Zeit überhaupt keine zahnmedizinische Ausbildungsstätte gab. Dafür klappt die Zusammenarbeit umso besser. Auf Jamaika ist vor allem technische Hilfe und wissenschaftlicher Input gefragt. So bekam die Dental School ein Cerec-Gerät und den dazugehörigen Einführungskurs gestellt. Insgesamt gingen bisher fünf Cerec-Einheiten an Universitäten in jenen Ländern – allesamt Spenden aus Praxen aus dem Südwesten. An sich ist dies nichts Spektakuläres, aber für die Studenten vor Ort ist es ungemein wichtig, dass sie auch mit diesen Techniken vertraut gemacht werden. Internationale Aufmerksamkeit. Fast noch wichtiger ist es, dass solche Aktionen den Zahnärzten vor Ort zeigen, dass sie von der westlichen Welt nicht vergessen werden. Es ist meist die große Politik, die zwar gern das Wort von den „global inequalities“, den Ungleichheiten, die auch die zahnmedizinische Welt betreffen, in den Mund nimmt, die Ergebnisse aber sind, im Gegensatz zu den Spesen für große internationale Kongresse, recht überschaubar. Vielmehr sind es die kleinen Dinge, der persönliche Kontakt, der direkte Austausch von Zahnarzt zu Zahnarzt, die von den Menschen in den bereisten Ländern als besonders wohltuend empfunden werden, denn es zeigt ihnen, dass sie ernst genommen werden und ihre Anliegen gehört werden. Nochmal eine ganz andere Situation erlebt man als Helfer in Kuba: Der Kontakt zu kubanischen Zahnärzten entwickelte sich von Anfang an hervorragend, die Aufnahme und der gegenseitige Austausch ist sehr herzlich und der Wissensdurst der Kolleginnen und Kollegen vor Ort enorm. Eine Besonderheit in Kuba ist, dass von Anfang an ein Kontakt ins Gesundheitsministerium bestand und seitdem ein regelmäßiger Dialog stattfindet. Mittlerweile sind mehrere Tonnen an zahnärztlichen Geräten und Gütern nach Kuba transportiert worden und die Liste der gemeinsamen Aktivitäten ist lang. Die Langfassung des Beitrags finden Sie im Online-Angebot des ZBW. Tobias Bauer www.zahnaerzteblatt.de ZBW 12/2016

24 Titelthema Ein nachhaltiges zahnmedizinisches Hilfsprojekt für Afrika „Meine zweite zahnmedizinische Heimat ist Eritrea“ Das große Banner hinter dem Empfangstresen ist nicht zu übersehen. Auf zwei mal drei Metern lachen Kinder mit strahlend weißen Zähnen den Patienten und Besuchern der Praxis entgegen. „EHD – Eritrea Hilfswerk Deutschland” steht in großen Lettern über dem Banner. Schön, dass das Thema des ZBW-Redaktionsbesuchs gleich ins Auge sticht. Wir sind zu Gast bei Dr. Jens-Peter Würfel. Der Fellbacher Zahnarzt ist Initiator, treibende Kraft und Seele eines langjährigen Hilfsprojektes für Eritrea. Wenn das Land am Horn von Afrika heute als einziges afrikanisches Land die UN-Millennium-Ziele im Bereich Gesundheit erreicht, ist das auch sein Verdienst. Kariesprävention. Jährlich wurden 80.000 Zahnbürsten und Zahnpasta nach Eritrea geschickt. „Mir fielen die eritreischen Patienten als besonders freundliche und bescheidene Menschen auf“, erinnert sich Dr. Würfel. Er hat daraufhin gegoogelt, wo Eritrea eigentlich liegt. Neben der Lage im nordöstlichen Afrika am Roten Meer stieß er außerdem auf das Eritrea Hilfswerk Deutschland. 1976 als Verein mit Sitz in Plochingen von Eritreern gegründet, um Hilfe für das kriegsgeschüttelte Land zu leisten. An das EHD hat Dr. Würfel dann sein Hilfsangebot gerichtet und prompt Antwort erhalten: Eine eritreische Zahnärztin bittet um Hilfe beim Aufbau einer Zahnklinik. „Sie kam dann nach Deutschland, wir haben uns getroffen, die Grundrisse angesehen und geplant“. 1999 reiste Dr. Würfel zum ersten Mal nach Eritrea, in die Hauptstadt Asmara, und nahm den Rohbau der Zahnklinik unter die Lupe. Wieder in Deutschland plante er weiter – die Zahnklinik sollte mit drei Behandlungsstühlen, Absaugung, Kompressor, Röntgengerät … ausgestattet sein. Im August 1999 ist die erste Zahnklinik des Landes dann feierlich eingeweiht worden – zum überwiegenden Anteil finanziert durch das Gesundheitsministerium von Eritrea. „Aber schon damals gab es zahlreiche Sachspenden von deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzten und von Dentalfirmen“. Mit seinem Einwand gegen die sofortigen Planungen der Eritreer für den Bau weiterer Zahnkliniken, hob Dr. Würfel das Hilfsprojekt dann auf eine neue Ebene. „Ich war mir sicher, dass wir langfristig mit Prävention mehr erreichen würden“. Foto: Dr. Würfel Prävention. Der Zuckerkonsum in Eritrea ist extrem hoch. Schokolade, Cola … die süßen Errungenschaften aus dem Westen sind nicht nur bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland beliebt. Die Reinigungshölzer, die in Afrika zur Zahnreinigung verwendet werden, haben aber nur einen unzureichenden Putzeffekt. Zahnbürste und Zahnpasta sind nur Wenigen bekannt. Erste Untersuchungen von 600 12-jährigen Schulkindern in der Hauptstadt Asmara im Jahre 2001 bestätigten das bereits befürchtete Ergebnis: Die Kariesrate ist extrem hoch, bei jedem vierten 12-Jährigen ist mindestens einer der ersten Molaren komplett zerstört. 2003 initiierte Dr. Würfel deshalb das für die Gesundheitsvorsorge und Prävention, nicht nur der Zahngesundheit, nachhaltigste Projekt des Landes: Die Kariesprävention in Grundschulen. 80.000 Schüler und Lehrer in Asmara von der 1. bis zur 5. Klasse erhielten Zahnbürsten und Zahnpasta aus Deutschland. Biologielehrer übernahmen den Zahnputzunterricht in den Schulklassen. In den Folgejahren wird die Mundhygiene in die Lehrbücher aufgenommen, in den Schulen werden Zahnputzposter zur Anleitung der Zahnpflegemaßnahmen aufgehängt. Und ein Zahnmobil, das in Fellbach gebaut wurde, fährt von Grundschule zu Grundschule und einheimische Dental Therapists untersuchen die Kinder. „Heute wird an den Autobussen Werbung für Zahnpflege gemacht“, freut sich Dr. Würfel. „Und seit 2011 hat unser Zahnmobil sogar einen kleinen Bruder: das Hörmobil“. In diesen beiden Fahrzeugen sind mittlerweile Zahn-, HNO- und Augenärzte täglich unterwegs und untersuchen jährlich ca. 20.000 Schulkinder. 2018 feiert das Zahnmobil seinen 15. Geburtstag. Beeindruckend: Ein Zahnmobil aus Fellbach legt den Grundstein für Prävention und Gesundheitsvorsorge eines ganzen Landes! ZBW 12/2016 www.zahnaerzteblatt.de

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz