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Ausgabe 5/2018

30 Fortbildung

30 Fortbildung Karlsruher Konferenz 2018 Aus der Praxis für die Praxis In der lichtdurchfluteten Gartenhalle beim Karlsruher Zoo eröffnete Prof. Dr. Winfried Walther, Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung, am 16. März die 33. Karlsruher Konferenz. Sie war in jeder Hinsicht etwas Besonderes, nicht nur weil ausschließlich niedergelassene Zahnärzte referierten. Auch das Spektrum war beachtlich: Vier Zahnmediziner, die eine Praxis mit ganz besonderem Profil aufgebaut haben, sprachen über „Integrierte Kompetenz – die besondere Praxis“. Dabei beleuchteten sie Themen wie biologisches Gewebsmanagement, CAD/CAM, Laserzahnheilkunde und die Behandlung von Behinderten und Pflegebedürftigen. In der Gartenhalle am Zoo, dem Ausweichquartier während des Umbaus der Karlsruher Stadthalle, waren rund 190 Zahnärztinnen und Zahnärzte versammelt, die der Einladung von Professor Walther gefolgt waren, um am Beispiel zu lernen: „Das kann man am besten von den Kolleginnen und Kollegen, von ihren Erfahrungen und ihrem Wissen“. Schon der Auftakt mit Dr. Sabine Hopmann, Lemförde, die Prof. Walther als „kämpferische Kollegin“ angekündigt hatte, zeigte, wie anspruchsvoll das wissenschaftliche Programm war, das dennoch immer Bezug zur Praxis hatte und auch betriebswirtschaftliche und organisatorische Aspekte nie aus den Augen verlor. In ihrem Referat „Biologisches Gewebsmanagement durch Replantation und Extrusion von Zahnsegmenten“ stellte Dr. Hopmann das Tissue Master Concept (TMC) nach Dr. Stefan Neumeyer vor, das im Wesentlichen darin besteht, resorptiven Prozessen entgegenzuwirken und „ein vitales Stück Zahn mit vitalem Faserapparat in Ruhe einheilen zu lassen“. Dem parodontalen Ligament auf der Wurzeloberfläche und dem supraalveolären Faserapparat kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu. Biologische Möglichkeiten. Das biologische Potenzial von intakter Alveole und Faserapparat kann durch Extrusions- und Replantationstechnik auch noch bei bereits als hoffnungslos eingestuften Zähnen genutzt werden. Die Referen- tin konnte an gut dokumentierten Patientenfällen zeigen, wie durch Anregung der körpereigenen Kompetenz neuer Knochen hinzugewonnen wird. Mit durchschnittlich drei Patienten pro Woche, die einer Extrusionstherapie zugeführt werden, hat sie im Laufe der Jahre genug Erfahrung gewonnen, um von langzeitstabilen und sehr vorhersagbaren Ergebnissen zu sprechen – und das bei Behandlungszeiträumen von maximal drei Monaten. Das Ziel der entsprechenden Maßnahmen ist, optimale anatomische Voraussetzungen für jegliche Weiterbehandlung zu schaffen und umfangreiche chirurgische oder augmentative Maßnahmen zu vermeiden. Verkannte Technologie. Nur fünf Prozent der Praxen arbeiten mit Lasern, stellte Dr. Manfred Wittschier, Landshut, zu Beginn seines Vortrages „Laser, eine verkannte Technologie“ fest. Er ist seit 1997 überzeugter Laseranwender und sieht einen Nachholbedarf bei dieser Nischentechnologie, die aber nach seiner Definition „keine eigene Zahnheilkunde generiert.“ „Laser ist ein Instrument, keine Therapie“ meinte der Praktiker, der große Chancen für eine Vervollkommnung Verantwortung. Prof. Dr. Winfried Walther wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass nur ein Berufsstand, der frei ist, in eigener Verantwortung zum Wohle der Patienten tätig werden kann. Compliance. Erfolgversprechende Betreuungskonzepte berücksichtigen die Wünsche des Patienten ebenso wie die Leistungsfähigkeit der Bezugspersonen und die Art der Unterbringung betonte Dr. Guido Elsäßer. Praxiserfolg. Dr. Sabine Hopmann unterstrich den Wert von Fortbildung und guter Teamführung, die entscheidend für den Erfolg ihrer Praxis sind, die seit 22 Jahren von einem Teamcoach betreut wird. ZBW 5/2018 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 31 der Therapie in der Laseranwendung sieht. Er riet dazu, Effekte wie Koagulation, Dekontamination (auch von Implantatoberflächen), Dehydration und Biostimulation zu nutzen, die im Gegensatz zur Ablation, die höchste Intensität erfordert, auch mit niederer Intensität zu erzielen sind. Vervollkommnung. In der Parodontologie oder der Endodontie kann der Laser als adjuvantes Mittel ergänzend zur konventionellen Therapie eingesetzt werden. Studien haben gezeigt, dass der Laser durch seinen dekontaminierenden Effekt die Keimlast, auch in mechanisch nicht erreichbaren Bereichen, deutlich senken kann. Der biostimulierende Effekt begünstigt durch eine gesteigerte Proliferation von Osteoblasten und eine vermehrte Anlagerung von Kollagen die Regeneration des Gewebes. Ein günstigerer Heilungsverlauf durch die Biostimulation ist auch gegenüber konventionellen chirurgischen Techniken festzustellen, was der Referent anhand der Durchtrennung eines Lippenbändchens oder bei der Entfernung eines Fibroms zeigte. Weil bei der Laserablation eine Koagulation und damit eine Blutstillung erreicht wird, ist eine Naht in den meisten Fällen nicht erforderlich. Nutzen erkennen. Gründe für die extreme Zurückhaltung, was den Einsatz von Dentallasern angeht, sieht Dr. Wittschier im fehlenden Grundlagenwissen, das postgradual erworben werden muss, in zu wenigen wissenschaftlichen Publikationen zum Thema, sodass Zahnärzte den Nutzen für die Erweiterung ihres Therapiespektrums nicht zu erkennen vermögen. Um Lasertherapien erfolgreich anwenden zu können, muss außerdem das Praxisteam von Anfang an einbezogen werden, die Praxisroutine auf die neuen Möglichkeiten abgestimmt und eine mittlere bis hohe Investition in Angriff genommen werden. Empathie entscheidend. Ein Vortrag, für den sich die weite Anreise gelohnt hat, so eine Stimme aus dem Auditorium, wurde von Dr. Guido Elsäßer, Kernen, geboten. Zu seinem Thema „Zahnmedizinische Ausweichquartier. Die Gartenhalle beim Karlsruher Zoo erwies sich als echter Glücksfall. Die rund 200 Gäste waren mit dem hellen Saal mehr als zufrieden und folgten aufmerksam und entspannt den inhaltsreichen Referaten ihrer Kollegen. Betreuung von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung“ hat der Referent im Arbeitskreis Alterszahnheilkunde und Behindertenbehandlung der Landeszahnärztekammer wertvolle Pionierarbeit geleistet. Er machte deutlich, dass es beim Umgang mit diesen speziellen Patienten noch viele Barrieren gibt, auch in Form von Wissensdefiziten, Hemmungen und Unsicherheiten. Außerdem müssen neben speziellen zahnmedizinischen Fragestellungen auch allgemeinmedizinische, psychologische, pädagogische, pflegerische, soziale, rechtliche und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt werden. Wie ein funktionierendes Praxiskonzept aussehen und wie man das Praxisteam zu einem emphatischen Umgang mit besonderen Patienten motivieren kann, zeigte der Referent, der sein auf Barrierearmut ausgelegtes Praxiskonzept präsentierte. Kommunikation. Doch es ging ihm nicht nur um bauliche und technische Aspekte, um Fragen des Transports und der Lagerung, sondern um einen offenen Umgang mit Patienten. Mit dem Patient auf Augenhöhe zu sprechen, ist Dr. Elsäßer wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Bei der Kommunikation ist einfache Sprache, eventuell unterstützt durch Bildtafeln, eine wichtige Voraussetzung. Um eine ruhige und stressfreie Behandlung zu gewährleisten, sollte seiner Ansicht nach ein Special-Care Tag eingeführt werden, an dem nur Menschen mit Behinderung behandelt werden. Dr. Elsäßer, der seit 22 Jahren neben dem üblichen Praxisbetrieb auch seine besonderen Patienten im Umkreis der Diakonie Stetten betreut, hat in diesem Zusammenhang einen speziellen Anamnesebogen vorgestellt, der sich auf das Wesentliche beschränkt und den man auszugsweise bei ZBW-Online abrufen kann. Er umfasst u. a. Fragen nach der Wohnform des Patienten, der stationär betreut, in Wohngruppen leben oder auch in die Familie integriert sein kann – auch um abzuschätzen, ob es Unterstützung bei der Mundhygiene gibt. Ferner ist zu klären wie es um die rechtliche Situation steht, da in bestimmten Fällen nur mit Unterschrift des gesetzlichen Betreuers eine Behandlung erfolgen darf. Erfasst wird außerdem die Fähigkeit zur Kommunikation. Wichtig ist außerdem festzuhalten, wer den Fragebogen ausgefüllt hat, ein pädagogischer Mitarbeiter der betreuenden Einrichtung, der gesetzliche Betreuer, der Hausarzt, ein Verwandter etc. Dies auch im Hinblick darauf, dass bei der Behandlung dieser Personengruppe ein Konsens zwischen allen Beteiligten (Patient, Zahnarzt, Hausarzt, Betreuer, Verwandte, Zahntechniker) hergestellt werden sollte und die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärzten, Bezugspersonen, Heilerziehungspflegern, Ergotherapeuten, Logopäden usw. intensiv sein muss, um individuell das Beste für den Patienten zu erreichen. High Tech. Das Beste für seine Patienten möchte auch Dr. Bernd Reiss, Malsch, erreichen, der zum Thema „Digitale Verfahren in der Fotos: Markus Lehr www.zahnaerzteblatt.de ZBW 5/2018

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