46 Im Blick 100 Jahre Zahnmedizinische Aus- und Fortbildung in Karlsruhe Das erste Fortbildungsinstitut entsteht Abb.: Bildarchiv Akademie Karlsruhe Auf eine 100-jährige Geschichte blickt die Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe in diesem Jahr zurück. Aus diesem Anlass erscheinen in regelmäßiger Folge Beiträge zur Geschichte dieser Lehrinstitution. In den vorangegangenen Beiträgen (ZBW 03/2020, 07/2020) haben wir die Eröffnung des Dentistischen Instituts, anfängliche Schwierigkeiten und den ersten Umzug in die Sophienstraße in den Mittelpunkt gestellt. Eine besonders bemerkenswerte Phase des Instituts ist die Umwandlung des Dentistischen Lehrinstituts zum ersten Fortbildungsinstitut der deutschen Zahnärzteschaft. Abb. 1 Kurse. Blick in den Ausbildungsbetrieb – man fühlt sich an die technisch-propädeutischen Kurse in der Vorklinik erinnert. Alles begann mit dem von einigen Standespolitikern eingeschlagenen Weg zur Überwindung des Dualismus zwischen Zahnärzt*innen und Dentist*innen. Die ganz entscheidende Zutat war aber der Pioniergeist und Mut von Direktor Walther Engel. Während die anderen dentistischen Lehrinstitute alle schließen, setzt er gegen Widerstände seine Idee der Gründung des ersten zahnärztlichen Fortbildungsinstituts durch. Ein weiterer Meilenstein zur Umwandlung des Instituts zur Akademie, wie sie viele Zahnärzt*innen in der Sophienstraße in Erinnerung haben, war der große Umbau 1978- 1981. Die Akademie wuchs und wurde auf den technisch neuesten Stand gebracht. Prof. Dr. Michael Heners trat in der runderneuerten Akademie am 28. März 1981 sein Direktorat an. Auf dem Weg zum Einheitsstand. In den ersten 40 Jahren durchlaufen am Karlsruher Lehrinstitut 4000 Absolvent*innen erfolgreich die Ausbildung zur/zum staatlich geprüften Dentistin/Dentisten (Abb. 1). Betrachtet man das Foto aus dem laufenden Lehrbetrieb, fühlt man sich unmittelbar an die eigene Studien zeit mit den technisch-propädeutischen Kursen der Vorklinik erinnert. Es gab von 1880 bis 1960 zwei Berufsstände in Deutschland, die mit der Behandlung der Zähne betraut waren: Dentist*innen und Zahnärzt*innen. Jedoch hatten schon in der Weimarer Republik einzelne Standespolitiker die Absicht, den Dualismus zwischen Dentist*innen und Zahnärzt*innen zu überwinden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden solche Bestrebungen unterbunden. Das Bonner Abkommen der beiden Standesvertretungen im Jahr 1948 stellt die entscheidenden Weichen 1 . Auf der Hauptversammlung des Verbandes der Deutschen Zahnärztlichen Berufsvertretungen und des Verbandes Deutscher Dentisten e. V. am 13. November 1948 wurde beschlossen, Verhandlungen über die Beseitigung des Dualismus zu führen. Im Ergebnispapier steht, dass die Vertreter anerkennen, dass Mängel in der Berufsausbildung beider Stände vorhanden sind, die durch eine neue einheitliche Studienordnung beseitigt werden müssen. Auch die von einem auf zwei Jahre verlängerte Berufsausbildung an den Lehrinstituten ist im Abkommen festgehalten 2 . Das Jahr 1952 markiert für die beiden Berufsstände, die sich der Zahnheilkunde widmen, eine Zäsur. Im Frühjahr des Jahres 1952 beschließt der Deutsche Bundestag einstimmig das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde. Es beendet formal den Dualismus zwischen den Berufsständen. Das Gesetz vom 31. März 1952 enthält 24 Paragrafen. Es regelt die Bestallung als Zahnarzt/ Zahnärztin und die Eingliederung der Dentist*innen. Es regelt somit den Übergang der Dentist*innen in einen einheitlichen zahnärztlichen Berufsstand. Die Vollendung des Einheitsstandes sollte bis 1960 dauern, da auch den Anwärter*innen des Dentistenberufes, die bei Inkrafttreten des Gesetzes die ordnungsgemäße Ausbildung begonnen hatten, die Bestallung als Zahnärzt*in ermöglicht werden sollte, wenn sie nach einer viersemestrigen Ausbildung 1 Groß, Dominik (2015). Die Lösung der „Dentistenfrage“. Zahnärztliche Mitteilungen vom 16.11.2015, 105 (22a): 78-82 2 Maretzky, Kurt & Venter, Robert (1974). Geschichte des deutschen Zahnärzte-Standes. Bundesverband der Deutschen Zahnärzte e. V., Köln ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Im Blick 47 an einem zugelassenen Institut die Prüfung vor einer staatlichen Prüfungskommission bestanden haben. In unserer digitalen Festschrift zum Jubiläum erzählt die Zahnärztin Liselotte Koelges-Friebolin in einem Zeitzeugeninterview von dieser Zeit. Laut ihrem Studierenden-Ausweis hatte sie sich am 8. April 1957 eingeschrieben (Abb. 2). Das Institut erfindet sich neu. Alle dentistischen Lehrinstitute wurden 1960 geschlossen. Nur Karlsruhe machte weiter. Der Direktor, Walther Engel, wollte sein Institut nicht schließen, sondern als Fortbildungsinstitut weiterführen (Abb. 3). Diesen Plan verfolgte er sehr zielstrebig. Zunächst einmal immatrikulierte er sich an der Universität Heidelberg, machte das zahnärztliche Staatsexamen und schließlich auch seine Promotion. Der Respekt der Zahnärzt*innen war ihm somit sicher. Wann genau der Plan entstand, aus dem Lehrinstitut ein Fortbildungsinstitut zu machen, ist heute nicht mehr genau zu bestimmen. Den ersten Hinweis fanden wir in einem Brief aus dem Jahr 1954. Direktor Engel setzt die Stadt Karlsruhe davon in Kenntnis, er habe mit dem Präsidenten des BdZ gesprochen und es sei beiderseitig der Wunsch ausgedrückt worden, aus dem Karlsruher Institut eine „großzügige Fortbildungsstätte für die deutschen Zahnärzte zu schaffen“. Es gab aber wohl auch andere Pläne. Ein Zeitungsbericht der Badischen Neuesten Nachrichten aus dem Jahr 1958 berichtet darüber, man beabsichtige, Anwärter*innen auf das Zahnmedizinstudium ein Vorbereitungsjahr vor Studienbeginn im Institut zu ermöglichen. Die Idee, ein Fortbildungsinstitut zu gründen, setzte sich durch. Im Juni 1959 berichtete Walther Engel der Delegiertenversammlung der LZK Baden-Württemberg von seinen Plänen. Das neue Institut sollte ein Haus für praktische Fortbildung werden, die Lerngruppen sollten klein sein und die Poliklinik erhalten werden, um auch sie für die Fortbildung einzusetzen. Eine durchaus kontroverse Diskussion entspann sich, denn einige Kolleg*innen waren skeptisch. So wurde infrage gestellt, ob die Kollegenschaft überhaupt einen entsprechenden Bedarf habe und ob das Abb. 2 Ausweis. Mit der Bestallung zum/zur Zahnärzt*in endet in den Jahren 1956 bis 1960 nach vier Semestern die Ausbildungszeit am Lehrinstitut. Ganze zu finanzieren sei. Am Ende kam es zum Beschluss „Das Lehrinstitut des BdZ in Karlsruhe wird nach Beendigung seiner Tätigkeit als Ausbildungsstätte im März 1960 als Fortbildungsinstitut weitergeführt.“ (Quelle: Protokoll Delegiertenversammlung vom 20. Juni 1959). Dieser Beschluss ließ jedoch die Details offen. Walther Engel musste noch viele Probleme aus dem Weg räumen bevor seine Vision Wirklichkeit werden konnte. Am 24. März 1960 gab es eine Feier im Restaurant Erbprinz, in der Walther Engel die Umwidmung des Lehrinstituts in ein Fortbildungsinstitut bekannt gab. Die ZM-Ausgabe 9/1960 überschrieb ihren Bericht mit „Im Zeichen der Wiedergeburt“. Abb. 3 Live-OP durch Direktor Walther Engel in den frühen 60er Jahren. Erste Bilanz. Das erste Kursprogramm des Sommerhalbjahres 1960 umfasste 12 Fortbildungskurse. Walther Engel bilanziert für die ersten Jahre des Fortbildungsinstitutes: „Im Berichtszeitraum vom 01. April 1960 bis zum Ende des Winterhalbjahres 1965/66 wurden 274 Kurse durchgeführt. […] An diesen 274 Kursen nahmen insgesamt 7043 Zahnärzte teil, davon kamen 41,3 Prozent aus Gebieten außerhalb von Baden-Württemberg.“ (Quelle: ZM- Ausgabe 19/1966). Die Botschaft ist unmissverständlich: Dieses Institut ist keine Totgeburt – die Kollegenschaft nimmt das Angebot eines umfassenden Fortbildungsprogramms an. Direktor Engel war es gelungen, ein neues Kapitel der zahnärztlichen Fortbildung aufzuschlagen. In der Einleitung seiner zahnärztlichen Dissertation schreibt der Kollege Dr. Joachim Aurnhammer über den Institutsdirektor Walther Engel: „Es ist sicher nicht übertrieben, wenn man Walther Engel als den Vater Abb.: Liselotte Koelges-Friebolin Abb.: Dr. Rüdiger Engel www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020
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