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Ausgabe 8-9/2020

42 Fortbildung Abb. 2a

42 Fortbildung Abb. 2a Abb. 2b Orbitaepithese. Versorgung einer Patientin nach Exenteratio orbitae rechts und Spalthautdeckung der Orbita mit einer implantatgetragenen, magnetfixierten Orbitaepithese auf zwei Implantaten (Epithetiker: Dennis Wahl). Ägypten zurück. Nach dem 2. Weltkrieg kamen die Kunststoffe Polymethylmethacrylat (PMMA) und Silikone zur Anwendung und verdrängten aufgrund ihrer bahnbrechenden Vorteile alle vorangegangenen Werkstoffe. Heutzutage werden Epithesen praktisch ausnahmslos aus medizinischen Silikonen hergestellt, die eine Reihe vorteilhafter Eigenschaften aufweisen: Sie sind biokompatibel, hautverträglich, weich, flexibel und wärmekonduktiv. Sie lassen sich durch Beimischung von Farbpigmenten, durch feine Oberflächengestaltung sowie die Einarbeitung von Wimpern und Augenbrauen optimal den individuellen Gegebenheiten anpassen und durch das hauchdünne Ausziehen der Ränder annähernd unsichtbar in die Defektregion integrieren. Nachteile der Silikone sind ihre Angreifbarkeit durch äußere Einflüsse wie UV-Strahlung, (Zigaretten-)rauch und mechanische Belastung, was auch ihre Hygienefähigkeit reduziert. Silikonepithesen sollten deswegen üblicherweise alle zwei Jahre neu angefertigt werden. In aktuellen Studien wird daran gearbeitet, den Silikondruck in die Epithesenherstellung zu implementieren 10 . Epithesenbefestigung. Es lassen sich vier grundsätzliche Formen der Epithesenbefestigung unterscheiden: 1. Die anatomische Verankerung, bei der die Epithese an anatomischen Gegebenheiten wie Unterschnitten oder Perforationen zu Hohlräumen (Nasennebenhöhlen) Halt findet. 2. Die mechanische Befestigung, z. B. an einer Brille oder an einem Haarreif. In Situationen, bei denen über einen Oberkieferdefekt eine Kommunikation zur Mundhöhle besteht, kann die Gesichtsepithese auch an einer Obturatorprothese fixiert werden. 3. Die adhäsive Befestigung durch einen medizinischen Hautkleber. 4. Die chirurgische Verankerung durch operativ eingebrachte Halteelemente. Alle genannten Fixationsmöglichkeiten besitzen ihre Berechtigung und spezielle Indikationen. So haben die drei erstgenannten Optionen die Vorteile noninvasiv und ohne Vorlaufzeit anwendbar zu sein. Sie sind jedoch jeweils auch mit Nachteilen behaftet und deshalb in der Standardversorgung nicht die erste Wahl. Als Nachteile sind ein suboptimaler Sitz und ein eingeschränkter Halt der Epithese, bei der anatomischen Retention die Gefahr der Bildung von Druckstellen und im Fall der adhäsiven Retention ein Risiko für Hautirritationen bis hin zu allergischen Reaktionen auf den Hautkleber zu nennen. Auch verlangt die Positionierung einer geklebten Epithese den Patient*innen relativ viel manuelles Geschick ab und setzt sowohl ausreichenden Visus als auch Einsehbarkeit des Defekts voraus. Aufgrund der genannten Einschränkungen treten diese drei Verfahren gegenüber der chirurgischen Verankerung deutlich in den Hintergrund. Chirurgische Epithesenbefestigung. Bei der chirurgischen Befestigung dominiert heutzutage die Variante der von kraniofazialen Implantaten getra- ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 43 Abb. 3a Abb. 3b Ohrepithese. Versorgung eines Patienten nach Ablatio auris links mit einer implantatgetragenen, magnetfixierten Ohrepithese auf 3 Implantaten. genen Epithese, die letztlich auf den in der dentalen Implantologie wohlbekannten Schweden Per-Ingvar Brånemark zurückgeht, der in den 1950er Jahren die Biokompatibilität von Titan beschrieb und den Begriff „Osseointegration“ prägte. Seit Ende der 1970er Jahre wurden dann kraniofaziale Titanimplantate zur Befestigung von Hörgeräten und von Epithesen herangezogen. In der Klinik der Autor*innen sind zwei Drittel der betroffenen Patient*innen auf diese Weise versorgt. Eine 2015 erschienene europaweite Multicenter-Analyse von Thiele et al. kommt zu dem Ergebnis, dass in 92 Prozent der befragten Zentren Implantate zur Epithesenbefestigung verwendet werden. In 32 Prozent der befragten Zentren werden auch Titanplatten verwendet 8 . Suprakonstruktionen. Als Verbindungselemente zwischen dem knochenverankerten Implantat und der Epithese kommen sowohl Stegsysteme als auch Magnete infrage, wobei Stege wegen erschwerter Reinigung und aufwändigerem Handling immer mehr an Bedeutung verloren haben 6 . In speziellen Situationen können jedoch gerade auch individuell angefertigte Stegkonstruktionen eine elegante Lösung darstellen. Die Verwendung von Magneten als Retentionselement zwischen Implantat und Epithese wird aufgrund der mannigfaltigen Vorteile auch in der Klinik der Autor*innen bevorzugt: Eine Parallelität der Implantate zueinander ist bei dieser Versorgung entbehrlich. Das Einsetzen der Epithese durch den/die Patient*in ist denkbar einfach, da diese durch die magnetischen Kräfte in die richtige Position gezogen wird und sich sicher reproduzierbar fast von selbst eingliedert. Das Geräusch der aufeinandertreffenden Magnete und Kontermagnete ist den Patient*innen nach kurzer Zeit ein vertrautes und einfaches Kontrollinstrument für den korrekten Sitz. Die einzelnstehenden Implantate sind leicht zu reinigen. Vor allen Dingen aber bietet diese Retentionsform einen sicheren Epithesenhalt und dem/der Träger*in die dringend benötigte Sicherheit. Die implantatgetragene und magnetfixierte Epithesenretention kann man aus den genannten Gründen bereits seit langem als Goldstandard bezeichnen. Implantate, Epithese und Radiotherapie. Bei dem überwiegenden Teil der Patient*innen liegt dem epithetischen Bedarf eine Tumorerkrankung zugrunde, und nicht selten ist neben chirurgischen Maßnahmen auch eine Radiotherapie indiziert. Es hat sich dabei auch im Hinblick auf die Verlustrate der Implantate als günstig erwiesen, diese bereits bei der Tumorresektion und vor der Radiotherapie zu inserieren 7 . Nach Abschluss der Radiotherapie sollte bei Verwendung des in unserer Klinik üblichen Implantatsystems (Vistafix 2 von Cochlear) zur möglichst vollständigen Osseointegration sechs Monate (statt üblicherweise drei bis vier Monate) mit der Implantatfreilegung und der Belastung gewartet werden. Leider stellt eine Bestrahlung jedoch auch bei diesem Vorgehen einen Risikofaktor für einen Implantatverlust dar 2 . Eine hyperbare Sauerstofftherapie kann die Verlustrate senken 4 . www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020

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