28 Berufspolitik Digitale Vertreterversammlung der KZBV am 1. und 2. Juli Aktive Selbstverwaltung in Krisenzeiten Foto: KZV BW Während man sich für die Vertreterversammlung im November 2019 noch in Berlin versammelte und mit Bundesgesundheitsminister Spahn den Promi im Gesundheitswesen im Saal begrüßen konnte, befanden sich die Delegierten der 17 KZVen dieses Mal an den Bildschirmen in den Zahnärztehäusern. Die Coronakrise, die nach den Worten von KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer Lebens- und Arbeitsbedingungen auf den Kopf gestellt habe, war auch bei der erstmals als Online-Konferenz ausgerichteten Vertreterversammlung das beherrschende Thema. Gleichwohl wurden auch andere wichtige Zukunftsfragen für den Berufsstand in den Blick genommen. Aktive Selbstverwaltung trotz Corona: Die Delegierten der KZV BW im Stuttgarter Zahnärztehaus bei der digitalen Vertreterversammlung. „Verunsicherung, Ratlosigkeit, fehlende Orientierung.“ Dies habe die Anfangszeit der Coronapandemie bestimmt, bei den Patient*innen genauso wie bei Zahnärzt*innen. In einer bis dato nicht dagewesenen Krisensituation habe es für die Zahnarztpraxen im Land wie für die zahnärztliche Selbstverwaltung gegolten, schnell Lösungen zu entwickeln, zu einem effizienten Krisenmanagement zu kommen und gleichzeitig Infektionsrisiken zu minimieren. Dies habe alle Beteiligten bis an die Grenzen der Belastbarkeit geführt – doch sei es gelungen die zahnärztliche Versorgung aufrechtzuerhalten. Dr. Wolfgang Eßer richtete seinen ausdrücklichen Dank an die Zahnärzt*innen sowie deren Mitarbeitenden: „Sie sind immer für Ihre Patient*innen da gewesen!“ Bis heute sei kein einziger Fall bekannt, dass aus einer zahnärztlichen Behandlung eine Infektion hervorgegangen sei. Auch habe man in kürzester Zeit ein bundesweites Netz von Behandlungszentren in 30 Kliniken und 170 Schwerpunktpraxen eingerichtet, um die Schmerz- und Notfallversorgung von infizierten und unter Quarantäne stehenden Patient*innen zu gewährleisten. Finanzielle Hilfen. Sehr frühzeitig habe die KZBV im politischen Raum die Notwendigkeit von Finanzierungshilfen für Zahnarztpraxen adressiert, um deren Existenzsicherung vor dem Hintergrund massiv einbrechender Fallzahlen zu gewährleisten und die Versorgung auch künftig wohnortnah und flächendeckend sicherstellen zu können. Bereits im März wurde ein dringender Appell an Minister Spahn gerichtet und die Systemrelevanz der vertragszahnärztlichen Versorgung herausgestellt. Das Ergebnis sei jedoch sehr ernüchternd gewesen. Dr. Wolfgang Eßer: „Wir können gut verstehen, dass die Enttäuschung bei vielen Kolleg*innen tief sitzt. Es vermittelt den bitteren Anschein, dass die Zahnärzteschaft mit ihren Praxisteams in bestimmten politischen Kreisen nicht den Stellenwert besitzt, den sie als systemrelevante Berufsgruppe und Teil der Daseinsvorsorge in unserem Land verdient.“ Eine Resolution unter dem Titel „Zahnärzte sind systemrelevant“ wurde mit großer Mehrheit angenommen. Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW, betonte die Notwendigkeit, bundeseinheitliche Regeln hinsichtlich der Systemrelevanz der Zahnärzteschaft zu erreichen, nicht zuletzt um klare rechtliche Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen. So sei die Frage der Notbetreuung für Kinder für viele Praxen wegen der fehlenden Anerkennung als systemrelevanter Bereich höchst problematisch gewesen. Zukunftsthemen. Doch während die Krisenbewältigung im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, gilt es für die Selbstverwaltung auch, andere Entwicklungen mit Konsequenzen für den zahnärztlichen Berufsstand nicht aus den Augen zu verlieren. Die Delegierten der KZV Baden-Württemberg stellten gemeinsam mit den Vertreter*innen der AG KZVen verschiedene wegweisende Anträge, die für die vertragszahnärztliche Berufsausübung von Bedeutung sind. Ein Antrag ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Berufspolitik 29 wandte sich gegen zusätzlichen Bürokratieaufwand durch das Patienten-Datenschutz-Gesetz, auch wurden neue Regelungen in Bezug auf die Telematik-Infrastruktur – etwa eine Anpassung der Betriebskostenpauschale zur Vermeidung von zusätzlichem finanziellen Aufwand für die Praxen – gefordert. Dr. Holger Simon-Denoix Info Eine Übersicht sämtlicher Beschlüsse der Vertreterversammlung finden Sie auf der Website der KZBV (https://bit.ly/3gGlSfM). Online-Konferenz. Bei der Vertreterversammlung der KZBV befanden sich die Delegierten der 17 KZVen dieses Mal an den Bildschirmen in den Zahnärztehäusern. Foto: F. Wahl Kommentar Zahnärztliche Kompetenz In schöner Regelmäßigkeit werden wir in den Fachmedien über Umfragen zur Zufriedenheit von Patient*innen mit ihren behandelnden Ärzt*innen und Zahnärzt*innen informiert. Wir stehen meistens in der Spitzenposition aller Arztgruppen. Wenn aber in Gesprächen über den Ruf der Zahnärzt*innen diskutiert wird, holt man gerne das Klischee des einen Sportwagen aus Stuttgart fahrenden Gutverdieners heraus, wobei aber gleich betont wird, dass „mein Zahnarzt“ natürlich nicht dazu gehört. Dieses Vorurteil aus den 70- er Jahren des vorigen Jahrhunderts hält sich hartnäckiger, als man vermutet. Dabei glaubten wir, dieses Zerrbild unseres Berufsstandes eigentlich hinter uns gelassen zu haben. Aber in Krisenzeiten scheint es, wie wir erfahren mussten, wieder hochzukommen. Ärzt*innen, andere Heilberufe und Krankenhäuser wurden finanziell unterstützt. Wir wurden mit einer Liquiditätshilfe mit vollständiger Rückzahlungsverpflichtung abgespeist, eine eklatante Ungleichbehandlung. Es drängt sich die Frage auf, was wir der Politik wert sind. Minister*innen und Abgeordnete weisen gerne auf unsere Erfolge in der Mundgesundheit für Jung und Alt hin und sparen nicht mit Lob für unser soziales Engagement. Aber wenn wir Unterstützung, gerade für junge Praxen, brauchen, welche die Versorgung auch in den schwierigen vergangenen Wochen sicherstellten, werden alte Klischees hervorgeholt. Es ist müßig, nur auf die SPD als Schuldige zu verweisen, eine Mehrheit in der Regierungskoalition hat die ursprünglich von Minister Jens Spahn versprochene echte finanzielle Unterstützung verhindert, ein Kredit hat zu reichen. Systemrelevanz wird nun eingefordert. Das ist zu wenig! Wir müssen die Betonung auf unsere ärztliche Kompetenz legen und dass die Mundgesundheit bei Eindämmung des Infektionsgeschehens extrem wichtig ist, dass wir ein wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge sind. Wir haben uns nicht einfach weggeduckt, sondern trotz hoher Gefährdung unserer Praxisteams und unserer eigenen Person flächendeckend die Versorgung sichergestellt. Das ist unser Selbstverständnis und dieses muss herausgestellt werden. Gleichzeitig müssen wir an der Korrektur dieses Zerrbildes unseres Berufsstandes arbeiten. Wir sind Ärzt*innen für Mundgesundheit, Heiler*innen und Helfer*innen und als Freiberufler*innen dem Allgemeinwohl verpflichtet. Dies muss die Kernbotschaft in einer bundesweiten Kampagne sein, die, wie zu hören ist, vorbereitet wird. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht selbst auf Ästhetikexpert*innen, Zahnkosmetiker*innen oder Wellnesszahnärzt*innen degradieren. Wer die Fortbildungsangebote der Dentalindustrie und leider auch anderer Fortbildungsinstitute verfolgt, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass es nur noch um Marketing geht. Um nicht missverstanden zu werden – wir dürfen und müssen auch über eine angemessene Honorierung offen und ehrlich reden und sie einfordern. Aber nicht nur die Standespolitik, sondern wir alle sind gefragt, zu einem positiven Ansehen in der Öffentlichkeit beizutragen. Dr. Hans Hugo Wilms www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz