22 Titelthema ein Team in guten und in schlechten Zeiten. Welche Schwierigkeiten wiegen für Ihren Berufsstand neben Corona am schwersten? Jochen Birk: Leider ist der Markt für Zahnersatz an einigen Stellen unfair. Jede/r darf Zahnersatz zum Beispiel aus China importieren, als Hersteller in Deutschland habe ich jedoch hohe bürokratische Auflagen zu erfüllen. Deshalb appelliere ich vor allem auch an die Zahnärzt*innen: lassen Sie Zahnersatz dort herstellen, wo wir gewerblichen Dentallabore Arbeitsund Ausbildungsplätze für die Menschen aus der Region anbieten. ble Versorgungsformen aus dem Portfolio und bewirbt diese in den Praxen oder für sich selbst mit Gewinnbeispielen, die verlockend aussehen. Doch die Patient*innen möchten Zahn- und Kopfgesundheit – und diese ist komplex. Sie ist nur von Routinier*innen und Foto: Schieweg Ralf Schieweg einen Laufzettel der Praxis mitbekommen, damit eine zuverlässige Rückverfolgung der Personen nachvollziehbar ist. Wir behandeln ausschließlich mit Mundschutz und Handschuhen, dies war jedoch schon vor der Coronakrise der Fall. Johannes Koch: Generell sind unsere Hygienestandards, wie in den Zahnarztpraxen auch, sehr hoch. Schwierig ist es lediglich, den Mindestabstand von 1,5 Metern im Arbeitsalltag einzuhalten. Wir haben daher während des Lockdowns zwei Teams gebildet und gehen heute noch in zwei Gruppen zum Frühstück und Mittagstisch. Seit der Pandemie haben wir noch weitere Stationen mit Desinfektionsmitteln in unserem Labor installiert. Mussten Sie Kurzarbeit anmelden? Johannes Koch: Ja, in den Monaten April und Mai mussten wir Kurzarbeit anmelden. Seit Juni arbeiten wir wieder voll und hoffen auf keinen zweiten Lockdown. Nadja Pauli-Köhler: Wir haben seit Mai Kurzarbeit angemeldet, da zu diesem Zeitpunkt der Umsatz weiter zurückging. Das Kurzarbeitergeld der Arbeitnehmer*innen haben wir aus unseren Rücklagen auf 100 Prozent aufgestockt, so dass keiner unserer Mitarbeiter*innen finanzielle Einbußen hat. Wir sind Hans-Werner Pauli: Die Dentalindustrie mit werkseitigen Inhouse- Fertigungen zu Dumpingpreisen sowie die Investoren der medizinischen Versorgungszentren, versuchen mit immer größerem Druck, den inhabergeführten Zahnarztpraxen und gewerblichen Laboren das Wasser abzugraben. Durch die Pandemie und den damit verbundenen Lieferengpässen in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen sollten wir uns darauf besinnen, dass viele Dinge nicht importiert, sondern in Deutschland gefertigt und gekauft werden sollten, um so die heimische Wirtschaft zu unterstützen und Arbeitsplätze zu erhalten. Dirk Bachmann: Bei dieser Krise wurde wieder einmal deutlich, in welcher Abhängigkeit unser Berufsstand sich gegenüber den Zahnärzt*innen befindet. Wir haben keine Möglichkeiten, durch ein Zusatzgeschäft fehlende Einnahmen zu kompensieren. Ralf Schieweg: Die Zahngesundheit wird immer mehr zu einem Gewinnoptimierungsmarkt. Das Gebilde aus Behandler*innen, Techniker*innen und Industrie ist im Auflösungsprozess. Heute mit der Digitalisierung springen ungleiche Partner in ein Becken auf der Jagd nach dem dicksten Fisch. So pickt sich zum Beispiel die Industrie vermeintlich renta- Foto: ZTI-Baden Johannes Koch Fachspezialist*innen zu erreichen. Die Patient*innen äußern immer den Wunsch, die Aufgabenteilung soll zum Wohl ihrer Gesundheit erfolgen. Jede*r Expert*in soll ihren/seinen Fachbereich erfüllen. Da liegen die Patient*innen ziemlich richtig mit ihrem Bauchgefühl. Zu den Personen Die Gespräche führte Cornelia Schwarz Dirk Bachmann, punktgenaue Zahntechnik GmbH, Bruchsal Jochen Birk, Obermeister der Zahntechniker-Innung Württemberg, Dentallabor Wolfgang Steinbach, Göppingen Johannes Koch, Labor für Dentaltechnik GmbH, Achern Hans-Werner Pauli, Nadja Pauli-Köhler, Katrin Pauli-Kästle, Pauli Priodent ® Zahntechnik GmbH, Mühlheim an der Donau Ralf Schieweg, Dentaltechnik Knebelsberger GmbH, Karlsruhe ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 23 Studie zum Einfluss von Corona Freiberufler*innen im Überlebenskampf Durch die Coronapandemie ging in vielen Zahnarztpraxen das Patientenaufkommen drastisch zurück. Kurzarbeit und finanzielle Einbußen waren die Folge. Auch Freiberufler*innen anderer Sparten, beispielsweise Kulturschaffende oder Selbstständige in beratenden Funktionen, sind durch Schließungen und den deutlichen Rückgang von Aufträgen in ihrer Existenz bedroht. Der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) beleuchtet in einer aktuellen Umfrage die negativen Auswirkungen von Corona für freiberuflich Tätige. Kleine und junge Unternehmen sind besonders bedroht. Im Auftrag des BFB wurden von Mitte Mai bis Anfang Juni 2020 vom Institut für Freie Berufe (IFB) mehr als 2600 Freiberufler*innen zu den wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass ihre Lage äußerst angespannt ist: Die Zahl der Aufträge ging bei jeder/jedem dritten um über die Hälfte zurück. Durch den wochenlangen Shutdown sind knapp zwei Drittel der Freiberufler*innen wirtschaftlich massiv beeinträchtigt. 24,5 Prozent trifft die Krise „sehr stark“, 37,3 Prozent sind „stark“ betroffen. Lediglich 4,5 Prozent spüren keine Auswirkungen. Im Ranking der Sparten geben drei von vier Angehörigen der Freien Kulturberufe an, „stark“ oder „sehr stark“ betroffen zu sein, dahinter folgen die Heilberufe mit rund zwei Dritteln. Kleine Unternehmen bedroht. Unter besonderem Druck stehen kleine Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeiter*innen. Von ihnen hat fast jedes vierte mehr als 75 Prozent seiner Aufträge verloren. 66,7 Prozent geben an, „stark“ oder „sehr stark“ durch die Coronamaßnahmen betroffen zu sein, für 32,2 Prozent sind die Folgen sogar „existenzbedrohend“. 13,7 Prozent fürchten, die nächsten sechs Monate nicht mehr zu überstehen, weiteren 9,2 Prozent droht das Aus im Jahr 2021. Ebenfalls existenzbedrohend ist die Lage bei Unternehmen mit sechs bis zehn Mitarbeiter*innen. Auch hier beklagen 63,0 Prozent „starke“ oder „sehr starke“ Auswirkungen. 400.000 Stellen in Gefahr. Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeiter*innen hoffen die Krise besser zu überstehen, müssen hierfür jedoch Stellen abbauen. Bisher wurden „nur“ 8,7 Prozent der Mitarbeiter*innen entlassen, besonders von Unternehmen mit zehn bis 49 Mitarbeiter*innen (15,6 Prozent). Kampagne. Der BFB hat die Kampagne „Mit System relevant. Wir helfen. Freie Berufe“ gestartet. Aber auch der Großteil der Unternehmen mit 50 Mitarbeiter*innen und mehr befürchtet, coronabedingt schon in naher Zukunft Stellen abbauen zu müssen. Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des BFB, warnt deshalb, dass insgesamt mindestens 400.000 weitere Stellen in Gefahr seien. Gründerkultur bröckelt. „Junge“ Freiberufler*innen, die seit 2019 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, sind besonders gefährdet: 81,0 Prozent geben in der Umfrage an, „stark“ oder Foto: BFB/Henning Schacht „sehr stark“ belastet zu sein. Oft fehlen ihnen Rücklagen, um die Krise bewältigen zu können, weshalb schon heute 72,3 Prozent um ihre Existenz kämpfen müssen. Staatliche Hilfe lückenhaft. Viele Freiberufler*innen mussten aufgrund des Shutdowns staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, also Soforthilfen der Länder (24,0 Prozent) oder des Bundes (22,1 Prozent), Steuerstundungen (19,5, Prozent) und Kurzarbeitergeld (14,7 Prozent). Weniger gefragt waren die verschiedenen KfW-Kredite, die nur vier Prozent der Freiberufler*innen beantragten. Zwar finden die Freiberufler*innen diese Unterstützung generell hilfreich, befürchten jedoch eine zweite Welle wirtschaftlicher Coronafolgen. Besonders gefährdet sind hiervon Unternehmen mit nachlaufender Rechnungslegung, deren Verluste erst mit Zeitverzug sichtbar werden. Der BFB fordert deshalb eindringlich, diese in der geplanten Überbrückungshilfe, welche die Koalitionsparteien anstelle der auslaufenden Soforthilfe vorgesehen haben, stärker zu berücksichtigen. Freiberufler*innen schützen. Der BFB fordert auf der Grundlage der aktuellen Studie die Bundesregierung auf, die Freien Berufe mit ihren besonderen Bedürfnissen stärker zu berücksichtigen. Nur so könne ihr wertvoller Beitrag zum Erhalt und zum Ausbau der Struktur und Kultur am Standort Deutschland erhalten werden. Kerstin Sigle Info Viele Freiberufler*innen standen als Helfer*innen im Kampf gegen Corona an vorderster Front: in Heilberufen, beratend oder zur Sicherung der Infrastruktur. Der BFB macht mit einer Kampagne auf ihre überragenden Leistungen für die Gesellschaft aufmerksam. https://www.freie-berufe.de/aktuelles/bfb-kampagne-mit-systemrelevant-wir-helfen-freie-berufe/. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020
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