20 Titelthema Foto: Störkel Communication Die Auswirkungen der Coronakrise auf die Dentallabore Blick über den Tellerrand In der Regel agieren sie im Hintergrund. Für das Gros der Patient*innen in den zahnmedizinischen Praxen sind sie zwar meistens unsichtbar, unverzichtbar sind sie dennoch nicht. In den letzten Monaten waren sie ebenso von den Ängsten um den Arbeitsplatz oder das eigene Labor betroffen wie die Zahnärzteschaft. Das ZBW hat in einigen Laboren in Baden und Württemberg angerufen und sich erkundigt, wie die vergangenen Monate verliefen. ZBW: Werfen wir einen gemeinsamen Blick auf Ihren Laboralltag an einem Arbeitstag im März, im Mai und im Juli dieses Jahres – worin unterschieden sie sich? Dirk Bachmann träge noch sehr gut beschäftigt. Der Juni war der schlechteste Monat, weil die Zahnärzte im April und Mai aufgrund des Fernbleibens der Patient*innen keine Heil- und Kostenpläne gemacht haben. Die Versorgung mit Zahnersatz hat ja immer einen gewissen Vorlauf. Deswegen brachen die Aufträge weg. Seit den Pfingstferien geht es deutlich aufwärts. Für den Juli erwarte ich daher wieder relativ normale Umsätze. Ab Anfang Juli hilft uns zudem sicherlich auch die Absenkung der Mehrwertsteuer von sieben auf fünf Prozent. Dirk Bachmann: Nach einem sehr guten Start in das Jahr 2020 hatten wir im März eine gute Auslastung. Die ankommende Pandemie haben wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrgenommen. Die angefangenen Aufträge wurden in Vollbeschäftigung bis in die zweite Aprilwoche ausgeführt, danach kam der große Einbruch. Im Mai waren wir im zweiten Monat in Kurzarbeit, im Labor waren etliche Arbeitsplätze verwaist. Wir freuten uns über jede Arbeit und hofften auf schnelle Rückführung in den Alltag. Unsere Kunden unterstützen wir durch Aufklärungsarbeit in sozialen Netzwerken, außerdem halfen wir bei der Besorgung von Schutzmasken und Desinfektionsmitteln. Im Juli ist die Auftragslage deutlich stärker, jedoch ist davon auszugehen, dass der Vorjahresumsatz nicht erreicht werden kann. Allerdings befinden wir uns seit diesem Monat nicht mehr in Kurzarbeit. Foto: ZIW Ralf Schieweg: Anfang Mai hatten wir schon fast wieder eine gewisse Routine in der Krise. Alle arbeitsstützenden Maßnahmen waren eingeleitet und griffen so gut sie konnten. Auffällig war das Dilemma, in das die Frauen mit Kindern gerieten: Sie waren und sind die großen Verliererinnen der Kurzarbeit. Sie erfuhren zwar Entlastung durch Kurzarbeit, mussten aber zuhause den Ausfall von Kindergartenbetreuung und Schulunterricht abfangen. Hier ist gesellschaftspolitisch weder während noch danach das richtige Instrument vom Staat gefunden worden. Wir als Arbeitgeber hatten hier nur die beschränkten Möglichkeiten, durch KuG100 die Mitarbeiterinnen zu unterstützen. Vergleichen wir die Auftragsbücher vom Vorjahr mit den gleichen Monaten in diesem Jahr. Wie fällt die Bilanz aus? Jochen Birk Jochen Birk: Anfang März war die Welt noch in Ordnung. Wir waren mit dem Abarbeiten der alten Auf- Ralf Schieweg: Wir hatten einen Umsatzeinbruch von 70 Prozent am Anfang der Pandemie. Der gleich starke Bilanzeinbruch konnte jedoch durch Kurzarbeit und Unterstützung des Staats teilweise abgefedert werden. In den Monaten Juni und Juli befanden wir uns wieder deutlich auf dem Weg nach oben. Es verbleibt aber derzeit weiterhin eine Einbuße von ca. 25 Prozent. Dirk Bachmann: April minus 50 Prozent – Mai minus 30 Prozent – Juni minus 40 Prozent. Welche Unterstützung half Ihnen während der Hochphase der Coronakrise am meisten? ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 21 Johannes Koch: Wir mussten im April und Mai Kurzarbeit anmelden. Unser Personal hat diese Entwicklung außerordentlich solidarisch und loyal mitgetragen. Es wurden Plusstunden abgetragen und Urlaub genommen. Das war eine große Hilfe. Jochen Birk: Mir war vor allem der Austausch zwischen den Zahntechniker-Innungen in Deutschland und mit meinen Obermeister- Kollegen wichtig. So haben wir zum Beispiel gemeinsam mit der Zahntechniker-Innung Düsseldorf tausende von FFP2-Masken für unsere Innungsmitglieder besorgt. Diese haben die Masken dann überwiegend an ihre Kund*innen weitergegeben, damit Patient*innen behandelt werden konnten. Hans-Werner Pauli: Die Unterstützung in der Coronakrise vonseitens der Politik war sehr dürftig, der Berufsstand des Zahntechnikers ist offenbar zu klein und nicht bedeutend genug. Persönliche Briefe meinerseits an die Politiker von Land und Bund blieben unbeantwortet. Eine Ausnahme bildete Minister Guido Wolf, der sich telefonisch bei uns meldete und der zumindest ein offenes Ohr für die Zahntechniker*innen hatte. Ihn durften wir auch in den vergangenen Tagen bei uns begrüßen, da ihn die Situation vor Ort interessierte. Ralf Schieweg: Finanziell hilfreich war ganz klar das Kurzarbeitergeld, das in seiner novellierten Form mit 60 bzw. 67 Prozent des Lohns Mitarbeiter*innen und Arbeitgeber*innen eine Brücke zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses und des Betriebes auf recht unkomplizierte Weise ermöglichte. Die Innung und die Handwerkskammer versorgten den Betrieb mit aktuellen Informationen zu finanziellen, steuerlichen und hygienischen Maßnahmen. Nicht zu vergessen ist die einmalige Soforthilfe. Alles zusammen war es ein Paket, das den politischen Entscheidungsträgern respektvoll angerechnet werden sollte. Persönlich war der Auftragslage. Während der Coronakrise wurden deutlich weniger hochwertige Arbeiten in Auftrag gegeben und auch die Zahl der Reparaturen wurde weniger. Austausch mit Kolleg*innen und zahnärztlichen Praxen förderlich, jede/r half der/dem anderen durch Informationen, wo es noch Masken oder Desinfektionsmittel gab. Zum Beispiel besorgte eine Hans-Werner Pauli, Nadja Pauli-Köhler, Katrin Pauli-Kästle Praxis PET-Folien, wir druckten sowohl die passenden Halter für die Gesichtsschilder auf unseren 3D- Druckern als auch Filteraufnahmen für Mundschutzmasken. Gab es spezielle Aufträge, die nicht mehr angefragt wurden? Jochen Birk: Die Struktur der Aufträge hat sich natürlich gerade im April, Mai und Juni arg verändert, große und hochwertige Foto: Pauli Zahntechnik GmbH Arbeiten sind deutlich weniger geworden. Auch die Zahl der Reparaturen wurde weniger, da ältere Patient*innen eher das Risiko scheuten, in die Praxen zu gehen. So wurde nur das an Reparaturen gemacht, was wirklich nicht mehr ging. Katrin Pauli-Kästle: Es gab viele spezielle Aufträge, die in dieser Zeit nicht mehr angefertigt wurden, der Grund lag an der Verunsicherung der Menschen, die jegliches Risiko scheuten in eine zahnmedizinische Praxis zu gehen. Schuld an dieser Misere waren meiner Meinung nach die vielen Negativberichte der Presse, obwohl alle meine Kund*innen die gesetzlichen Hygienevorschriften beachteten. Johannes Koch: Natürlich wurden sämtliche Eingriffe, die nicht wirklich dringend waren, aufgeschoben, darunter vor allem Neuanfertigungen. Der Bereich Kunststoff/ Prothetik fiel bei uns während dieser Zeit komplett weg. Haben sich die Hygiene- und Schutzmaßnahmen in Ihrem Betrieb durch die Coronakrise verändert? Dirk Bachmann: Im Arbeitsablauf nicht, dort hatten wir schon immer hohe Standards, da wir eine Hygieneschleuse betreiben und unsere Mitarbeiter*innen nur mit desinfizierten Werkstücken, Abdrücken etc. in Berührung kommen. Im Moment müssen Patient*innen Foto: Pauli Zahntechnik GmbH www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020
Laden...
Laden...
Informationszentrum Zahn- und Mundgesundheit Baden-Württemberg (IZZ)
Haus: Heßbrühlstraße 7, 70565 Stuttgart
Post: Postfach 10 24 33, 70200 Stuttgart
Telefon: 0711 222 966 0
Fax: 0711 222 966 20
presse@izzbw.de
Eine Einrichtung der Kassenzahnärztlichen
Vereinigung Baden-Württemberg
& der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg
© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz