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Ausgabe 8-9/2020

14 Titelthema

14 Titelthema Zahnärztinnen schildern ihre Erfahrungen in der Coronakrise Corona, Praxisalltag und Familie Seit mehreren Monaten hält uns die Coronapandemie in Atem. Nahezu kein Bereich des alltäglichen Lebens bleibt von den Auswirkungen der Einschränkung aufgrund des Coronavirus unberührt. Gerade in der Zeit des kompletten Lockdowns und den damit verbundenen Schul- und Kindergartenschließungen hatten insbesondere Familien zusätzliche Herausforderungen zu meistern. Wie funktionierte der Alltag für Zahnärztinnen und Zahnärzte mit minderjährigen Kindern, wenn diese statt in der Schule oder Kita zuhause waren? Welche Probleme traten auf und was bereitete Sorgen? Wir haben mit drei Kolleginnen gesprochen. Alle drei führen eine eigene Praxis und haben Kinder. Sie berichten uns über ihre Zeit im Lockdown und geben uns einen Einblick in ihren Familien- und Praxisalltag während dieser Zeit. ZBW: Wie hat sich die Corona- Krise auf Ihre familiäre Situation und auf Ihren Praxisalltag ausgewirkt? ohne Panik ausgeführt. Denn wir Zahnärzt*innen sind ja in Sachen Hygiene und PSA so gut aufgestellt wie sonst nur wenige. Konnten Ihre Mitarbeiter*innen wie zuvor arbeiten oder mussten sie zuhause Kinder betreuen? Dr. Veronika Werle: Eine meiner Mitarbeiterinnen hat eine 3½-jährige Tochter. Sie konnte nicht mehr im gewohnten Umfang arbeiten. Da aber die Patient*innenzahl stark zurückgegangen war, sind wir mit dem restlichen Team und den verkürzten Zeiten ganz gut hingekommen. Dr. Anna-Maria Smaczny: Die Coronakrise hat unseren Alltag in unserer Freiburger Praxis ganz schön durcheinander gebracht. Meinen Vater/Sozietätspartner habe ich in den Zwangsurlaub geschickt. Die Betreuung unserer dreijährige Tochter hat glücklicherweise unser Babysitter übernommen. Unsere Praxis war lediglich vormittags geöffnet und wir waren erstaunt, wie dankbar unsere Patient*innen über die Notfallbesetzung in dieser Zeit waren. Leonie Wälder: Als selbstständige Zahnärztin und alleinerziehende Mutter habe ich mich schon vor der Coronakrise doppelt und dreifach abgesichert, was die Betreuung meiner Kinder angeht. Es gab also zunächst wenig Auswirkungen. Der Praxisalltag lief aber trotzdem nicht wie zuvor, da meine Mitarbeiterinnen durch die Schul- und Kitaschließungen familiär stark eingebunden waren und die Patient*innen zunächst wegblieben. Foto: B. Giesbrecht Leonie Wälder, niedergelassene Zahnärztin in Stuttgart, hat zwei Kinder im Alter von viereinhalb und sechs Jahren. Dr. Veronika Werle: Mein Mann wurde zunächst dankenswerterweise von seinem Arbeitgeber freigestellt, so dass die Betreuung unserer Kinder für die erste Zeit sichergestellt war. Dann kamen die Kinder in die Notbetreuung bis 15.30 Uhr. Ich passte die Praxiszeiten den Betreuungszeiten an. Ab Mitte März hatten wir schlagartig fast keine Patient*innen mehr, da die Bevölkerung massiv verunsichert war. So waren wir gezwungen im April Kurzarbeit anzumelden. Gleichzeitig hatten und haben wir jedoch durchgehend einen Sicherstellungsauftrag. Diesen haben wir auch gerne und Leonie Wälder: Für meine Mitarbeiter*innen war die ganze Situation viel schwieriger als für mich. Zwei von ihnen haben Kinder im schulpflichtigen Alter. Die mussten zusehen, dass sie die Aufgaben zuhause erledigt bekommen. Durch die Kurzarbeit hatten sie zwar mehr Zeit für die Kinder – das Homeschooling hat aber auch eine Menge Stress bedeutet. Und wenn sie bei mir gearbeitet haben, mussten sie während der Arbeitszeit für ihre Kinder teils erreichbar bleiben. Eine andere Mitarbeiterin konnte gar nicht kommen, da ihr die Betreuung weggebrochen ist, sie allerdings nicht als systemrelevant anerkannt wurde. Wie muss man sich Ihren Tagesablauf während der Schließung der Schulen, Kitas und Horte vorstellen? Dr. Veronika Werle: Seitdem die Kinder in der Notbetreuung sind, fährt mein Mann morgens früh zur Arbeit und ich bringe die Kinder vor der Praxis in den Kindergarten und hole sie anschließend ab. Ich bin sehr froh, dass ZBW 8-9/2020 www.zahnaerzteblatt.de

Titelthema 15 meine Kinder noch nicht in der Schule sind. Denn die Anforderungen, die derzeit vor allem berufstätigen Eltern von Schulkindern gestellt werden, sind nicht leistbar. Leonie Wälder: Wenn man keine Betreuung hat und die Kinder den halben Tag mit in die Praxis nehmen muss, steht man ein bisschen zwischen Patient*in und Kind. Das bringt den Ablauf immer etwas durcheinander, auch wenn ich extrem liebe Kinder habe. Ich habe ein tolles Team hier, das mich extrem unterstützt und ein Umfeld, das die Sache so leicht wie möglich macht. Was sahen Sie als besondere Herausforderung an? Was kostete am meisten Kraft, Zeit, Nerven? Was bereitete Sorgen? Dr. Anna-Maria Smaczny: Zu Anfang war es notwendig, den Mitarbeiter*innen etwas die Angst zu nehmen, sie aufzuklären und ihnen zu verdeutlichen, dass die Praxis im Grunde genommen ein sicherer Ort ist. Nun liegt die Herausforderung darin, der Lethargie, die sich unter den Mitarbeiter*innen breit gemacht hat, wieder entgegenzuwirken. Das kostet unheimlich viel Kraft. Unser Personal muss wieder motiviert werden, richtig anzupacken und mit Freude zu arbeiten. Keine leichte Aufgabe! Manchmal träume ich von Urlaub am Meer… Dr. Veronika Werle: Die größte Herausforderung aus meiner persönlichen Sicht war, den Kindern nicht zu schaden mit unserem neuartigen Verhalten. Ich machte mir wirklich Sorgen, was es mit der Entwicklung kleiner Kinder macht, die wochenlang isoliert werden, nicht mit ihren Freunden spielen dürfen. Ich versuchte meinen Kindern zu vermitteln, dass sie weiter unbekümmert Kind sein dürfen – ohne Angst. Und auch, dass eine Umarmung nichts Schlimmes ist! In Bezug auf die Praxis wird die schwerste Zeit wohl noch kommen. Wenn wir nämlich wieder mehr zu tun haben, haben wir auch wieder volle Kosten. Gleichzeitig haben wir dann aber wenige Einnahmen, da wir ja derzeit kaum Prothetik- und weniger KCH-Umsätze erzielen. Wie sich der Privatumsatz entwickelt, kann ich noch nicht abschätzen. Ich hoffe, dass meine Rücklagen ausreichen. Leider konnte ich noch nicht allzu viele Rücklagen schaffen, da es in den letzten Jahren ständig Dr. Veronika Werle, niedergelassene Zahnärztin in Mannheim, hat zwei Kinder im Alter von fünf und zweieinhalb Jahren. Investitionsbedarf gab – auch dank der Hygienevorschriften. Außerdem zahle ich noch immer Kredite aus der Zeit der Praxisübernahme ab. Leonie Wälder: Zusätzlich zu den Problemen durch das Homeschooling und die verwirrende Nachrichtenlage, kamen noch wirtschaftliche Sorgen durch die Einführung von 50 Prozent Kurzarbeit. Der Arbeitsaufwand war gleichzeitig für alle in der Praxis höher als vor der Coronakrise: Coronafragebögen, zusätzliche Telefonate mit Patient*innen, zusätzliches Desinfizieren, die Extraplanungen von Behandlungszeiten, damit keine Wartezeiten entstehen. Eine Mitarbeiterin war nur damit beschäftigt Desinfektionsmittel und Schutzausrüstung zu besorgen. Dazu kam eben, dass die Mitarbeiter*innen – was ich sehr gut verstehen kann – nicht hundertprozentig nur mit dem Kopf bei der Arbeit sein konnten, weil die Kinder von zuhause angerufen haben. Und trotzdem möchte ich sagen: Meine Mitarbeiter*innen haben das wirklich exzellent gemacht, ich bin mächtig stolz auf meine Leute. Foto: privat Können Sie der Krise auch etwas Positives abgewinnen? Für das Zusammenleben in der Familie? Für das Miteinander in der Praxis? Dr. Veronika Werle: Nein, kann ich leider nicht. Dr. Anna-Maria Smaczny: Unsere Praxis hatte eine Whats- App-Gruppe eingerichtet. Jeder hat mal etwas Lustiges eingestellt, sei es ein Video oder einen witzigen Spruch. Das war wirklich nett und hat unser Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Wir hatten unsere Praxis jeden Tag geöffnet. Die Arbeit hat mich abgelenkt. Ich denke, es wäre schlimmer gewesen, untätig zu Hause zu sitzen. Unsere Tochter hat es genossen, dass ich mehr Zeit für sie hatte. Auch wenn ich erschöpfter war als sonst, ich konnte mehr Zeit mit ihr verbringen. Die Fragen stellte Jenny Dusche www.zahnaerzteblatt.de ZBW 8-9/2020

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