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Soziales Engagement

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Ausgabe 11/12 2023

46_PROPHYLAXE

46_PROPHYLAXE ZBW_11-12/2023 www.zahnaerzteblatt.de ZFZ-Fortbildungsveranstaltung in Sindelfingen MOTIVIERENDE PROPHYLAXE Anfang Oktober 2023 konnten sich Zahnärztinnen, Zahnärzte und ihre Praxisteams in der Sindelfinger Stadthalle oder im Live-Stream im Bereich Prophylaxe auf den neuesten Stand bringen lassen. Die Fortbildungsreihe „Update-Prophylaxe“ des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrum Stuttgart (ZFZ) lieferte diesmal aktuelle Informationen aus Wissenschaft und Praxis zu den Bereichen Karies- und Parodontalprophylaxe. Präsenzveranstaltung. Rund 100 Teilnehmende verfolgten interessiert das Prophylaxe-Update 2023 in der Stadthalle Sindelfingen. Die Direktorin des ZFZ, PD Dr. Yvonne Wagner, machte gleich bei ihrer Begrüßung deutlich, wie wichtig die Prophylaxe in der Zahnarztpraxis ist. Einer repräsentativen infas-Befragung im Juli 2023 zufolge, führen Defizite im Wissen und Handeln bei den Eltern zu einer nachlässigen Zahnpflege bei den Kindern: So erlauben 18 Prozent nach dem Zähneputzen noch kleine Snacks, 14 Prozent halten Fruchtsäfte vor dem Einschlafen für unbedenklich, 19 Prozent lassen das Zähneputzen der Kinder manchmal ausfallen und sogar 23 Prozent halten Fluorid für schädlich. Die Prophylaxe ist somit ein wichtiges Arbeitsfeld in der Zahnarztpraxis, nicht nur zur Verhinderung von Karies, sondern auch zur Verhinderung von Gingivitis und Parodontitis. Die Fortbildungsveranstaltung soll daher die aktuellsten Erkenntnisse der Karies- und Parodontalprophylaxe vorstellen und den Teilnehmenden praxisgerechte Anwendungstipps liefern. KARIESPROPHYLAXE Prof. Dr. Stefan Rupf vom Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg berichtete im ersten Vortrag über die neue S3-Leitlinie zur Kariesprävention bei bleibenden Zähnen. Sie ist derzeit in Bearbeitung bzw. noch nicht abgestimmt, sodass sich Prof. Rupf in erster Linie auf einen Vergleich der wichtigsten Punkte mit der noch gültigen Leitlinie aus dem Jahr 2016 konzentrierte. Die mechanischen Verfahren zur Reduzierung des Biofilms wurden entsprechend den neuesten Erkenntnissen zur Zahnputzfrequenz, Zahnputzdauer, Zahnputztechnik, Art der Zahnbürste, Zahnputz-Zeitpunkt und Hilfsmittel zur Interdentalraumpflege angepasst. Bei der chemischen Beeinflussung des Biofilms wurde insbesondere die Verwendung von Chlorhexidin hervorgehoben. Sinnvoll ist der Einsatz bei KFO-Behandlungen oder bei älteren Patienten mit freiliegenden Wurzelbereichen. Die Fluoridierungsmaßnahmen wurden hinsichtlich fluoridhaltiger Zahnpasta, Fluoridlack, Fluoridgel, fluoridhaltigem Speisesalz, fluoridhaltiger Spüllösungen und Fluoridtabletten überarbeitet. Hier Fotos: Claudia Richter zeichnet sich ab, dass eine größere Zahnpastamenge oder eine höhere Fluoridkonzentration in der Zahnpasta effektiver wirken. Auch die Ernährungsempfehlungen wurden entsprechend den neuesten Studien zur Wirkungsweise von Zucker, vegetarischer Ernährung, Zuckerersatz- und Zuckeraustauschstoffen sowie Probiotika aktualisiert. Die Wirksamkeit der Fissurenversiegelung wird weiterhin bestätigt. Hier ist ebenfalls eine neue Leitlinie in Arbeit. Die neue S3-Leitlinie wird aufzeigen, dass es einen hohen Beratungsbedarf zum Putzen (Bürsten, Technik, Dauer) und zu Mundpflegeprodukten (Pasten, Spülungen) gibt. Es besteht außerdem ein hoher Beratungsbedarf bei vulnerablen Gruppen, zu denen Kinder und Erwachsene gehören können sowie bei Menschen mit Sprach- und sozialen Barrieren. In der Zukunft wird, laut Prof. Dr. Rupf, die individualisierte Zahnmedizin eine immer größere Rolle spielen, hin zur Präzisionsprophylaxe sowie zur personalisierten Prävention und weg vom Gießkannenprinzip. MOTIVATION Jeder Mitarbeitende in der Zahnarztpraxis kennt das Problem: Es gibt jede Menge Möglichkeiten, die Mundhygiene zu verbessern, doch wie kann ich die Patientinnen und Patienten davon überzeugen? Eine Expertin in Sachen Patientenkommunikation und Patientenmotivation ist die Dentalhygienikerin Ulrike Kremer vom ZFZ Stuttgart. Ihr Vortrag zum Thema Mundhygiene: „Wie motiviere ich meine Patienten, wie sage ich es meinen Patienten?“ enthielt viele wichtige Informationen zum zielgruppengerechten und altersspezifischen Umgang mit den Patientinnen und Patienten in der Praxis. Fakt ist: Die Patientinnen und Patienten haben ein Wissensdefizit bei der Mundhygiene, wie eine Befragung zeigte. So wis-

ZBW_11-12/2023 www.zahnaerzteblatt.de 47_PROPHYLAXE sen z. B. 30 Prozent nicht, dass Plaque aus Bakterien besteht und an den Zähnen haftet. 50 Prozent wissen nicht, dass Zahnpasten auch eine antibakterielle Wirkung haben und über 90 Prozent der Befragten denken, dass sie eine gute Mundhygiene betreiben. Doch wie klärt man sie in der Praxis darüber auf? Jede Generation, ob Babyboomer, Generation X, Generation Y/ Millenials, Generation Z oder Generation Alpha hat ihre eigene Sprache und ihre eigenen technischen Kenntnisse. Ältere Menschen reden lieber von Angesicht zu Angesicht, die ganz junge Generation ist hauptsächlich digital unterwegs. Dies muss bei der Kommunikation von Prophylaxeinformationen berücksichtigt werden. Wie man Patientinnen und Patienten motivieren kann, zeigte Ulrike Kremer anhand einiger Beispiele auf. Möglichkeiten, die Motivation anzukurbeln, sind Hilfsmittel, die bei Gesprächen eingesetzt werden können, z. B. ein Prophylaxe-Atlas, Schautafeln oder Schaukästen. Sehr motivierend ist die intraorale Kamera, mit der man der Patientin oder dem Patienten die eigenen Problemzonen direkt zeigen kann. Auch das Einfärben der Zahnbeläge wirkt Wunder: Wenn man das Problem sieht, geht man anders damit um. Für das Erlernen der effektiven Putztechnik oder des Umgangs mit Interdentalbürstchen bzw. Zahnseide empfiehlt Ulrike Kremer die Vier-Stufen-Methode: 1. Vorstellen des Problems, 2. schrittweises Vorführen der Technik (was macht man wie und warum), 3. Patienten nachmachen lassen und 4. Patienten üben lassen. Inzwischen kann man auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz gegen Karies vorgehen und sich z. B. Problemzonen anzeigen lassen. Wissenschaft und Praxis. ZFZ-Leiterin PD Dr. Yvonne Wagner mit Prof. Dr. Stefan Rupf, Prof. Dr. Christian Graetz und DH Ulrike Kremer (v. l.) BIOFILMMANAGEMENT Zum Thema Paradontalprophylaxe informierte Prof. Dr. Christian Graetz vom Universitätsklinikum Schleswig- Holstein in Kiel. Sein Vortrag war in die Unterbereiche mechanische Biofilmentfernung (manuell/maschinell) sowie in die chemische Biofilmentfernung unterteilt. Doch zuerst nahm Prof. Graetz die Biofilme genauer unter die Lupe und stellte die Frage, ob sie Freund oder Feind des Menschen seien. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Plaque ein physiologischer und symbiontischer Bestandteil unserer Mundhöhle ist. Sie ist ein funktionierendes Ökosystem und erst eine „ökologische Katastrophe“ macht Plaque pathogen. Gingivitis und Parodontitis sind demnach biofilmassoziierte, multifaktorielle Entzündungserkrankungen des Zahnhalteapparats, die unbehandelt zum Zahnverlust führen. Somit liegt der Therapieansatz zuerst in der Plaqueentfernung (Prophylaxe) und danach in der Wiederherstellung und Erhaltung von Rahmenbedingungen (physiologische Plaque). Prof. Graetz empfiehlt dabei, nach der S3-Leitlinie zur Behandlung von Parodontitis vorzugehen. MECHANISCHE ENTFERNUNG Unter dem Titel „Professionelles mechanisches Biofilmmanagement – simpel oder doch komplexer als gedacht?“ ging Prof. Graetz auf die effektive Instrumentierung und umfassende Biofilmentfernung ein, um eine bioakzeptable Wurzeloberfläche zu erreichen. Dafür steht eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente zur Verfügung, die sich hinsichtlich ihrer Effektivität, ihres Destruktionspotenzials, des Zeitaufwandes und in ihrer Anwendung unterscheiden. Prof. Graetz empfahl, die Instrumente individuell je nach Patient auszuwählen und kombiniert einzusetzen, um zu einem optimalen Behandlungsergebnis bei akzeptabler Destruktion der Zahnhartsubstanz in den verschiedenen Phasen einer Parodontalbehandlung zu kommen. In Sachen Effektivität besteht kein Unterschied zwischen Handinstrumentierung und Maschine, jedoch entfernt die Maschine schneller. Handinstrumente haben eine hohe Taktilität, führen aber systemimmanent zu mehr Substanzverlust. Maschinelle Scaler sind in Furkation und enger Knochentasche effektiver. Am effektivsten ist derzeit das Pulver-Wasserstrahl-Modell. Letztendlich endscheidet die Abwägung der Kosten und des Nutzens. CHEMISCHE ENTFERNUNG Der zweite Vortrag von Prof. Graetz mit dem Titel „Professionelles chemisches Biofilmmanagement – bedingt die Vielfalt den Erfolg?“ stellte die medikamentöse Behandlung der Parodontitis in den Vordergrund. Idealerweise sollte mit einer parodontalen Therapie nicht nur eine akute Beseitigung der Entzündung einhergehen, sondern auch die Destruktion des Attachments gestoppt werden, um langfristig eine parodontale Stabilität aufrechtzuerhalten. Dies ist insbesondere für Diabetiker wichtig, denn eine Parodontitis kann den Blutzucker entgleisen lassen, was wiederum die Parodontitis befeuern kann. Idealerweise führt die Parodontitistherapie bei einem Diabetiker auch zu einer Absenkung des HbA1c-Langzeitwerts. Prof. Graetz ging der Frage nach, ob zwingend adjuvante Maßnahmen wie der Einsatz von Antiseptika, Laser, Probiotika, Plasma oder Antibiotika nötig sind oder ob sich ein Erfolg auch nach rein mechanischer Instrumentierung einstellen kann. Die Herausforderungen liegen seiner Ansicht nach nicht nur darin, herauszufinden, welche Mittel „State of the Art” sind, sondern wie die vermeintlich Richtigen für die Patientin oder den Patienten individualisiert auszuwählen sind. FAZIT Wie bereits im Vorjahr bot das ZFZ das Prophylaxe-Update als Hybridveranstaltung an. Die Fortbildung wurde also gleichzeitig gestreamt. Dennoch liegt der Schwerpunkt inzwischen wieder auf der Präsenz der Teilnehmenden. Bei Fortbildungsveranstaltungen spielt insbesondere der Erfahrungsaustausch untereinander eine große Rolle, wie die vielen Fragen und angeregten Diskussionsbeiträge nach den Vorträgen auch zeigten. Claudia Richter

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