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Ausgabe 3/2017

30 Fortbildung

30 Fortbildung Winterakademie 2017 des ZFZ Stuttgart Wann ist in der Zahnheilkunde weniger mehr? Die Winterakademie des Zahnmedizinischen Fortbildungszentrums Stuttgart (ZFZ) hat Ende Januar 2017 mit dem Thema „Minimalinvasive Zahnheilkunde – Ein Win-Win-Modell für alle Beteiligten“ rund 500 Zahnärztinnen und Zahnärzte ins Stuttgarter Mövenpick Airport Hotel gelockt. Der Praxisalltag zeigt: Die Zahnmedizin befindet sich in einem stetigen Wandel. Durch moderne Diagnoseverfahren können Zahnschäden inzwischen frühzeitig erkannt werden. Dies hat entsprechende therapeutische Konsequenzen: Die Behandlungstechniken ändern sich ebenfalls. Vieles, was gestern Standard war, ist heute „old school“. Die Winterakademie bot ihren Teilnehmern die Möglichkeit, sich auf den neuesten Stand zu bringen. Motivation. Die Bereitschaft zur Fortbildung ist in Baden-Württemberg groß. Mit rund 500 Teilnehmern war die ZFZ-Winterakademie auch in diesem Jahr wieder sehr gut besucht. Die neuen Zauberworte heißen „atraumatisch“ oder „minimalinvasive Behandlung,“ d. h. sie erfolgen ohne oder mit nur sehr geringer Verletzung von Körpergewebe. So versucht die moderne Füllungstherapie nur irreversibel erkranktes Gewebe zu entfernen. Eine moderne Parodontitistherapie zeichnet sich in erster Linie durch konservatives, geschlossenes Vorgehen und nicht durch chirurgische Maßnahmen aus. Beim Zahnersatz kommen substanzschonende, moderne Klebetechniken zum Einsatz und selbst bei der Implantologie kann weniger manchmal mehr Erfolg versprechen. Bevor die fünf Referenten der Winterakademie diese Bereiche beispielhaft vorstellten, kam zuerst die Standespolitik zu Wort. Dr. Konrad Bühler, der die Bezirkszahnärztekammer Stuttgart (BZK) 16 Jahre lang als Vorsitzender geprägt hatte, war gleichzeitig als Vorsitzender des Verwaltungsrats des ZFZ an der Entwicklung der zahnmedizinischen Fortbildungslandschaft beteiligt. Für seine Verdienste im ZFZ wurde er von Prof. Dr. Johannes Einwag geehrt. Anschließend bekam Dr. Eberhard Montigel, der Dr. Bühler in beiden Ämtern nachfolgte, von seinem Vorgänger symbolisch den Staffelstab überreicht. Kariestherapie. Prof. Dr. Hendrik Meyer-Lückel, Aachen, stellte in seinem Vortrag die Fragen: Muss alle Karies entfernt werden? Wann sollte man weniger bohren? Auf der Grundlage, dass Karies keine Infektion, sondern eine „ökologische Katastrophe“ sei, rät er zuerst zu einem defensiven Verhalten, gestützt durch Aufklärung und Compliance. Heal & Seal lautet anschließend die Devise, die mit Basisprophylaxe, Fissuren-/Approximalversiegelung und Kariesinfiltration zuerst alle non-invasiven Möglichkeiten ausschöpft. Dies funktioniert z. B. gut bei Läsionen im Schmelz. Ansonsten rät Prof. Meyer-Lückel, einkratzbares Dentin pulpennah zu belassen, ansonsten sondenhart zu exkavieren. Eine „Überkappung“ sei nur bei sehr geringer Dentinrestdicke angesagt. Ansonsten zuerst einzeitiges Vorgehen und abwarten, ob der Zahn es überlebt. Bei rasch voranschreitenden Defekten kann ein zweizeitiges Vorgehen ratsam sein. „Wenn aber eine Kavität vorliegt, muss letztendlich auch gebohrt werden“, so Prof. Meyer-Lückel. Wie invasiv die Therapie sein soll, sei immer ein Abwägungsprozess und hänge auch vom Kariesrisiko des Patienten ab. Füllungstherapie. PD Dr. Tobias Tauböck, Zürich, versuchte anhand der Fragestellung „Sind Inlays/Onlays noch zeitgemäß?“ die Grenzen der direkten Füllungstherapie aufzuzeigen. Durch stetige Verbesserung der Kompositmateralien sowie Fortschritte in der Adhäsivtechnologie sei das Indikationsspektrum zunehmend erweitert worden. Ausgedehnte Zahnhartsubstanzdefekte ließen sich inzwischen mit direkter Adhäsivtechnik über lange Zeit versorgen. Auch bei Höcker- und Kauflächenersatz sei Komposit zumindest mittelfristig eine Alternative zu indirekten Restaurationen. Nach Dr. Tauböck gebe es keine wirklichen Grenzen bei der Therapie, aber je größer die Kavität, desto höher sei auch das Risiko. Komposit sei letztendlich das Mittel der Wahl bei maximaler Erhaltung der gesunden ZBW 3/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 31 Teamplayer. Dank der Verantwortlichen der Winterakademie und ihrer namhaften Referenten war die Fortbildungsveranstaltung wieder einmal ein Win-Win-Modell für alle Beteiligten. Zahnhartsubstanz, guter Reparierbarkeit und verhältnismäßig geringen Behandlungskosten. Parodontitistherapie. Dr. Wolfgang Westermann, Emsdetten, stellte die Frage „Geht‘s in der Parodontologie auch ohne Chirurgie?“ und beantwortete sie sofort mit einem „Ja“. Wenn man die Patienten von Beginn an richtig einordne, könne man bei der Therapie nicht viel falsch machen. Eine Parodontitis mit horizontal verlaufendem Knochenabbau sei leicht zu behandeln, im Gegensatz zu Fällen mit Knochenabbau, die im Röntgenbild eine Zickzack-Linie aufweisen. Aggressive Parodontitisfälle zeichneten sich oft ohne großartige Symptomatik aus, oder anders: wenig Plaque, viel Krankheit. Hier seien letztendlich die zehn Prozent aller Fälle zu finden, die man chirurgisch behandeln müsse. Grundsätzlich seien 90 Prozent der Parodontitispatienten langfristig aber erfolgreich behandelbar. Je nach Schweregrad müsse der Patient regelmäßig alle drei bis zwölf Monate die Plaque entfernen lassen. In der Praxis behandelt Dr. Westermann alle Fälle mit einer Sondierungstiefe bis zu vier Millimeter mit Deep Scaling und Root Planing, ab sechs Millimeter Taschentiefe werden bei engmaschiger Kontrolle zusätzlich Antibiotika gegeben. „Biofilmmanagement“ heißt bei der PAR-Therapie das Zauberwort. Zahnersatz. Prof. Dr. Matthias Kern, Kiel, präsentierte sich als Fachmann des minimalinvasiven Zahnersatzes. Er stellte Möglichkeiten vor, um fehlende Zähne ohne Substanzverlust der Nachbarzähne zu ersetzen. So seien einflügelige Adhäsivbrücken zum Einzelzahnersatz von Frontzähnen und Prämolaren sowie Adhäsivattachments zur Verankerung von Teilprothesen besonders innovativ. Voraussetzung für eine Adhäsivbrücke sei ein kariesfreier Nachbarzahn mit intaktem Zahnschmelz. Die Klebefläche gelte als sehr stabil und könne sehr hohe Belastung aushalten. In der Regel halten Klebeprothesen nicht ganz so lang wie herkömmliche Brücken. Sie haben aber den ent- scheidenden Vorteil, dass sie sich problemlos immer wieder ankleben lassen. Implantologie. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie, Prof. Dr. Frank Schwarz, Düsseldorf, stellte die Frage: „Wieviel Implantate braucht der Mensch?“ Er beantwortete sie unter Bezugnahme auf die S3-Leitlinie „Periimplantäre Infektionen an Zahnimplantaten, Behandlung“. Je mehr Implantate, desto stabiler sei die Versorgung, so Prof. Dr. Schwarz. Im Oberkiefer empfahl er bei festsitzendem Zahnersatz mindestens sechs Implantate, bei herausnehmbarem mindestens vier. Im Unterkiefer seien bei festsitzendem Zahnersatz vier bis sechs Implantate empfehlenswert, bei herausnehmbarem zwei bis vier. Hier müsse man auf anantomische Beschränkungen durch sensible Nervenbahnen wie den anterioren Loop des Nervus mentalis Rücksicht nehmen. Fazit. Mit ihrer inzwischen 24. Auflage ist die Winterakademie des ZFZ eine echte Institution im Fortbildungskalender. ZFZ-Direktor Prof. Dr. Johannes Einwag und sein Team hatten erneut eine informative und kurzweilige Veranstaltung auf die Beine gestellt, die den Teilnehmern konkrete Tipps zur Umsetzung in der Zahnarztpraxis mit auf den Weg gab. » claudia.richter@izz-online.de Ehrung. ZFZ-Direktor Prof. Dr. Johannes Einwag (l.) dankte Dr. Konrad Bühler (2. v. l.) für seine langjährigen Verdienste als Vorsitzender des Verwaltungsrats des ZFZ. Fotos: Wosilat www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2017

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