28 Fortbildung Universitätsklinikum Antiseptikum Bonn ProntOral ® Octenidol ® Essen z.B. - Betaisodona ® Octenisept ® Frankfurt* ProntOral ® Octenidol ® Chlorhexamed ® Frequenz 3 x tägl. 2-3 x tägl. Greifswald Octenidol ® 2 x tägl. Heidelberg Chlorhexamed ® Fluid 3 x tägl. Homburg im Saarland Octenidol ® Köln Octenidol ® - Lübeck ProntOral ® Octenidol ® Chlorhexidin- Mundspüllösung Magdeburg PVP - Iodlösung (z. B. Betaisodona ® ) Chlorhexidin-Mundsspüllösung (2%??) (z. B. Chlorhexamed ® ) Marburg Octenidol ® - Rostock Chlorhexidin (0,12%) Octenidol ® Tübingen Chlorhexidin (0,4%??) Octenidol ® 3 x tägl. 3 x tägl. 3 x tägl. 2 x tägl. 1 x tägl. Gegenüberstellung. Sanierungskonzepte verschiedener Universitätskliniken mit antibakteriellen Mundspüllösungen im Mund-Rachen-Bereich (*:Link aktuell nicht mehr aufrufbar) (Tabelle 1). Unterschiede gibt. Einige Universitätskliniken veröffentlichen keine eigenen Sanierungskonzepte, andere wiederum verweisen auf MRSA-Portale (MRSA-net. de, eursafety.eu) oder Empfehlungen des jeweiligen Bundeslands. Nur wenige publizieren ein eindeutiges Schema, wie sie bei MRSA-besiedelten Patienten vorgehen. Möglicherweise existieren auch nur über Intranet abfragbare Konzepte. Konkretes Konzept. Das Augenmerk der Recherche lag speziell auf Universitätskliniken, die ein konkretes Konzept vorweisen. Auf eine Anfrage bei 35 Unikliniken in Deutschland erhielten wir von nur zwölf eine Rückmeldung oder konnten Verweise auf ein Sanierungskonzept auf der jeweiligen Internetseite entdecken. Alle Universitätskliniken favorisieren folgende antiseptische Mundspüllösungen: chlorhexidinhaltige wie z. B. Chlorhexamed ® oder Octenidol ® , ProntOral ® oder Betaisodona ® . Die Unikliniken Frankfurt, Lübeck, Heidelberg, Magdeburg, Rostock und Tübingen verweisen in ihren Sa- nierungskonzepten auf chlorhexidinhaltige Mundspüllösungen. Octenidol ® wird in den Unikliniken Bonn, Homburg, Essen, Frankfurt, Greifswald, Köln, Lübeck, Marburg, Rostock und Tübingen zur Bekämpfung gegen MRSA vorgeschlagen. Auffallend ist, dass viele Unikliniken eine Auswahl an Antiseptika zur Sanierung der Mundhöhle aufzählen und sich auf keine Mundspüllösung festlegen. Chlorhexidin, der Wirkstoff verschiedener Präparate, besitzt eine bakterizide und bakteriostatische Wirkung. CHX ist noch bis zu zwölf Stunden nach Anwendung in der Mundhöhle gegen Bakterien wirksam und gilt daher in seiner 0,1- bis 0,2-prozentigen Konzentration als der Goldstandard der antibakteriellen Mundspülprodukte in der Zahnmedizin 10 . Der Speichel selbst hat nach der Anwendung fünf Stunden lang eine antibakterielle Wirkung 10, 11 . Durch die elektrostatische Anziehung zwischen dem kationischen Chlorhexidin-Molekül und der anionischen Oberfläche der Bakterienzelle kommt es durch Austritt des Zytoplasmas zum Zelltod. Die Mundspüllösung ist gegen verschiedene gramnegative und grampositive Bakterien wirksam, sodass sie auch gut bei MRSA als Antiseptikum genutzt werden kann. 97 Prozent der Bakterien sind kurz nach der Anwendung von chlorhexidinhaltigen Antiseptika in der Mundhöhle nachweislich eliminiert 11, 12 . Octenidol ® besitzt den Wirkstoff Octenidin, welches zu der Substanzgruppe der quartären Ammoniumverbindungen gehört. Es verfügt über eine bakterizide und fungistatische Wirkung. Die erstgenannte Eigenschaft trifft sowohl auf grampositive als auch auf gramnegative Bakterien zu. Auch Viren werden durch Octenidin abgetötet. Octenidin wird für den Gebrauch auf der Haut und der Schleimhaut genutzt 13 . Sowohl Chlorhexidin als auch Octenidin konnten in vitro gegenüber MRSA oder anderen nosokomialen Keimen antibakterielle Wirkung zeigen. Es handelt sich dabei aber um In vitro-Studien, die keine einheitlichen Hinweise auf eine einwandfreie Wirkung in der In vivo- Anwendung geben würden 14, 15, 16 . Daneben gibt es – auch gemäß der Herstellerempfehlung – keine klaren Konzepte, was die Häufigkeit des täglichen Gebrauchs betrifft. Es gibt einen Spielraum zwischen einer einmaligen bis dreimaligen Anwendung pro Tag. Die Konzentrationen der Wirkstoffe der Mundspüllösungen variieren ebenso. Dabei liegen keine verifizierten Angaben von wissenschaftlichen Studien vor, die den größten Erfolg einer bestimmten Vorgehensweise bestätigen. Zeiträume. Auch über den Zeitraum der Sanierung gibt es unterschiedliche Ansichten. Hierbei bestehen Zeitspannen von fünf bis sieben Tagen. Leider gibt es auch hier keine Studien, die den besten Effekt bei einem der Zeiträume belegen könnten. Eine Studie, die das Potenzial verschiedener kommerzieller Mundspülprodukte in vitro aus oral entnommenen MRSA-Isolaten untersuchte, schlussfolgerte, dass keines der untersuchten kommerziellen Mundspülprodukte in der Lage sei, ZBW 3/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 29 MRSA-Biofilme abzutöten 17 . Interessanterweise wird nur in zwei Klinik-Konzepten (Magdeburg, Essen) Povidon-Jod empfohlen, ein antibakterieller Wirkstoff, der häufig bezüglich Wirkung gegen Staph. aureus/MRSA untersucht wurde und in mehreren Studien seine Wirkung bei der Reduktion oder Eradikation des Keimes zeigen konnte 14, 15, 18, 19 . Es ist zu vermuten, dass aufgrund von möglichen Allergien bzw. von Verfärbungen bei der oralen Bekämpfung des Keimes in verschiedenen Kliniken keine jodhaltigen Produkte, sondern entweder Chlorhexidin- oder auch Octenidin-Mundspüllösungen empfohlen werden. MRSA in der Zahnarztpraxis. Bisher wurden die Vorgehensweisen der Unikliniken erläutert, aber wie sollte der Ablauf mit MRSA-infizierten Patienten in den Zahnarztpraxen aussehen? Hier kommen immer wieder Fragen der niedergelassenen Kollegen auf, was nun bei einem MRSA-Patienten zu beachten sei oder ob eine Infektionsgefahr bestehe. Meist sind Patienten, die wirklich an einer MRSA-Infektion erkrankt sind, stationär im Krankenhaus oder nicht in der Lage, zahnmedizinisch behandelt zu werden. Wahleingriffe sollten dann erst nach überstandener Infektion und bakterieller Sanierung durchgeführt werden. Patienten mit bekannter Kolonisation oder einer Infektion mit MRSA sollten möglichst direkt und ohne Aufenthalt im Wartezimmer behandelt werden. Ebenso wäre es empfehlenswert, diese Patienten am Ende eines Behandlungstags einzubestellen, um im Anschluss alle Flächen und Gegenstände in Ruhe desinfizieren zu können. Basishygiene. Zu Anfang jeder Behandlung soll eine antiseptische Mundspülung erfolgen. Für die Wahl der Mundspüllösung wären – wie zuvor diskutiert – für den zahnmedizinischen Bereich weitere Studien über Antiseptika notwendig, um diese auch wissenschaftlich fundiert empfehlen zu können. Unter Beachtung der Basishygiene besteht für das Personal und weitere Patienten keine besondere Infektionsgefahr. Hier gilt das Prinzip, dass alle Patienten mit dem gleichen Hygienekonzept behandelt werden, da von allen Patienten ein Infektionsrisiko (ob bekannt oder nicht bekannt) ausgehen könnte. Die Maßnahmen einer Basishygiene sollten in jeder Zahnarztpraxis bekannt sein, werden aber im Folgenden noch einmal erläutert. Bei medizinischem Kontakt zu MRSA-Patienten werden Schutzkittel und -brille, Einmalhandschuhe und Mund-Nasen-Schutz angelegt, welche nach Abschluss der Behandlung sachgerecht entsorgt oder aufbereitet werden sollen. Eine konsequente Händedesinfektion nach jedem Patientenkontakt ist ebenso wichtig. Die Arbeitsflächen müssen zu Anfang einer Behandlung von desinfektionsbehindernden Gegenständen freigehalten und sofort im Anschluss einer Behandlung mit geeigneten Produkten desinfiziert werden. Auch zahntechnische Arbeiten und verwendete Hilfsmittel sollen unmittelbar nach Gebrauch mit geeigneten Produkten desinfiziert werden. Die Aufbereitung der Medizinprodukte erfolgt nach der RKI-/KRINKO-Empfehlung. Werden diese Hygienepunkte in den Zahnarztpraxen eingehalten, ist die Behandlung von MRSA-infizierten Patienten in Zahnarztpraxen unbedenklich und es kann zu keiner Weitergabe des Erregers kommen 20, 21 , wobei eine klassische MRSA-Sanierung des Patienten, am besten mit Rücksprache des Hausarztes, dennoch angeraten wäre. Fazit. Zur Orientierung für alle Universitätskliniken und Zahnarztpraxen wären Studien notwendig, die sich mit der Effektivität und dem Vergleich von Mundspüllösungen in vivo beschäftigen sowie die Besiedlung von parodontalen/periimplantären Taschen und deren Sanierung zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Studien könnten den Kliniken deutschlandweit zur Anfertigung eines einheitlichen Sanierungskonzepts dienen. In diesem Sanierungskonzept müsste dazu festgehalten werden, welches Produkt in den medizinischen Einrichtungen zur Dekolonisierung sich als das Effektivste herausgestellt hat, sowie ggf. intraorale, parodontologische Maßnahmen empfohlen werden. Außerdem in welcher Konzentration, für welchen Zeitraum und wie häufig die ausgewählte Mundspüllösung Anwendung finden sollte. Da es Hinweise gibt, dass der Staphylococcus aureus bzw. MRSA nicht nur bevorzugt die Rachenschleimhaut besiedelt, sondern vor allem in parodontalen Taschen oder an Implantaten eine Nische findet, wäre eine Parodontitis- Therapie oder Oberflächen-Reinigung an Implantaten sinnvoll und müsste in klassischen Sanierungskonzepten als Therapiemaßnahme aufgenommen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man sich bei der Bekämpfung des Staphylococcus aureus und seiner resistenten Form (MRSA) am besten an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientieren. Für die Zukunft wäre es wünschenswert, wenn bundesweit und womöglich auf internationaler Ebene ein konkretes Sanierungskonzept für MRSA existieren würde, um eine weitere Übertragung der Resistenz zu verhindern. Das Literaturverzeichnis finden Sie unter www.zahnaerzteblatt.de oder kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14, Fax: 0711/222966-21 oder E- Mail: info@zahnaerzteblatt.de. ZÄ Kathrin Chmiela, Michelle Bender, Prof. Dr. Nicole Arweiler ZÄ Kathrin Chmiela Prof. Dr. Nicole Arweiler Wissenschaftliche Mitarbeiterin Klinik für Parodontologie des Zentrums für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Gießen und Marburg Ordinaria und Direktorin Klinik für Parodontologie des Zentrums für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Gießen und Marburg www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2017
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