26 Fortbildung Umgang mit MRSA-infizierten Patienten in der Zahnarztpraxis Sanierung der Rachen- und Mundschleimhaut Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Keime stellen deutsche Krankenhäuser zunehmend vor größere Herausforderungen. Dabei ist die Zahl der übermittelten MRSA-Infektionen 2013 im Vergleich zu 2012 zwar leicht gesunken, es ist jedoch auffällig, dass die Universitätskliniken kein einheitliches Konzept in der Bekämpfung des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Keimes führen 1 . Daneben sind die zahnärztlichen Kollegen in der täglichen Praxis mit der Frage konfrontiert, wie man mit MRSA-infizierten Patienten am besten umgeht. Staphylococcus aureus (Staph. aureus) und vor allem seine Methicillin-resistente Form (MRSA) stellen eine Gefahr für betroffene Patienten dar. Beide Formen sind Problemkeime bei nosokomialen Infektionen. Unter dem Begriff nosokomiale Infektionen versteht man Erkrankungen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme ins Krankenhaus noch nicht vorhanden waren. Diese Krankenhausinfektionen verlängern den Aufenthalt im Krankenhaus, belasten den Patienten und können sogar zum Tod führen 2 . 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung tragen das Bakterium Staphylococcus aureus auf der Haut oder im nasalen und oropharyngealen Bereich. Der Hals-Rachen-Raum gilt dabei als typische Kolonisationsnische des Menschen, weshalb Abstriche in diesem Bereich genommen werden. Hierbei löst es keinerlei Beschwerden aus, sondern kolonisiert lediglich den Patienten 3 . Diese Träger sind also nicht akut erkrankt und müssen daher nicht mit einer Intensivversorgung (etwa mit Antibiotika) therapiert werden. Auch wenn solche Keimträger selbst nicht erkrankt sind, sind sie durch die Übertragung eine Gefahr für Dritte. Da die Bakterien manchmal bereits Resistenzen gegen wichtige Antibiotika entwickelt haben könnten, ist es schwierig, die Keimträger keimfrei oder zumindest keimarm zu machen. Dagegen kann das Bakterium bei Patienten mit einem generell schwachen Immunsystem oder zum Beispiel nach operativen Eingriffen schwerwiegende Komplikationen und Infektionen hervorrufen. Auch Patienten, die dialysepflichtig sind oder an Diabetes mellitus leiden, sind für Staphylococcus aureus-Infektionen prädisponiert 4 . Implantate als Besiedlungsnische? Neuere Studien geben Hinweise darauf, dass Bakterien und möglicherweise auch Staph. aureus zu Titanoberflächen, wie zum Beispiel bei oralen Implantaten, eine besondere Affinität aufweisen. Diese hohe Affinität entsteht aufgrund der rauen Oberfläche des Titans 5 . Aus diesem Grund stellen neben den parodontalen Taschen auch die immer häufiger in der Mundhöhle vorkommenden Implantate sowie die periimplantären Taschen eine optimale Brutstätte für solche Bakterien dar. Bisher beziehen sich jedoch alle Untersuchungen auf den Nasen-Rachen-Raum. Parodontale Taschen, die prinzipiell ebenfalls eine ideale Brutstätte für Keime und Mikrobiome darstellen, sind – nach Wissen der Autoren – bisher nicht bei Staph. aureus-Trägern explizit auf die Kolonisation mit Staph. aureus untersucht worden. Biofilm. Sowohl in parodontalen Taschen und Zahnoberflächen als auch – wie hier dargestellt – auf Implantaten bildet sich ein sehr komplexer Biofilm, der auch Staphylococcus aureus enthalten kann (Abb. 1). Mundspülungen. Unterschiedliche Präparate, die in Universitätskliniken zur Anwendung kommen (Abb. 2). Fotos: Prof. Dr. Nicole Arweiler ZBW 3/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 27 Sanierungskonzepte. Jeder Patient fürchtet sich vor MRSA, weitläufig bezeichnet als Krankenhauskeim. Allerdings ist nur wenigen bewusst, dass es sich dabei um die Methicillin-resistente Form des Staphylococcus aureus handelt. Theoretisch müsste man Staph. aureus, wenn er in zu hohen Mengen vorhanden ist, bereits bekämpfen, bevor er resistent wird. Dies ist prinzipiell bei den erwähnten Brutstätten auch mit antiseptischen Lösungen möglich, welche auch bei den Sanierungskonzepten zur Dekolonisierung von MRSA genutzt werden. Es sollte hier beachtet werden, dass der Keim – auch wenn er gegen Antibiotika resistent ist – durchaus durch Antiseptika, die einen anderen Wirkmechanismus haben, abgetötet werden kann. Das gilt natürlich nur für solche Besiedlungsorte, die lokal, also mit antiseptischen Lösungen oder Salben zu erreichen sind. Antibiotikaresistenzen. Um Staphylococcus aureus systemisch abzutöten, wird in der Regel ein β-Lactamase-festes Penicillin (z. B. Methicillin) eingesetzt. Einige Bakterien sind allerdings aufgrund einer chromosomal kodierten Resistenz immun gegen diese Antibiotika, sodass die Antibiotika nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Staphylococcus aureus mit dieser Resistenz werden als Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) bezeichnet 6, 7 . Hinsichtlich der Infektionsprävention ist daher schon die lokale Dekolonisierung von MRSA-infizierten Patienten von großer Bedeutung. Allerdings gibt es immer wieder Unklarheiten bezüglich geeigneter Sanierungskonzepte. In Deutschland sind vor allem die Behandler an den Kliniken mit der Frage konfrontiert, welches Vorgehen gegen MRSA am geeignetsten ist. Übertragung verhindern. Des Weiteren besteht vor allem bei reinen Trägern (also Nicht-Erkrankten) das Ziel, die Übertragung des Keims auf andere – auch das Praxisteam – zu verhindern. Zum Standardverfahren der Sanierung einer MRSA-Besiedlung in Kliniken gehören Maßnahmen im nasopharyngealen Bereich und auf der Haut. Zusätzlich sollte eine Isolation der mit MRSA infizierten Patienten in Einzelzimmern erfolgen. Bei nasalen Besiedlungen wird in der Regel das topische Antibiotikum Mupirocin als Nasensalbe genutzt. Mupirocin ist das am besten untersuchte topische Antibiotikum. Zur Reduktion oder Eradikation des Keims auf der Haut werden antiseptische Ganzkörperwaschungen durchgeführt. Bei Befall des Rachens und der Mundhöhle wird der Gebrauch von desinfizierenden Mundspülungen empfohlen 8 . Gerade dieser Bereich ist für das zahnärztliche Behandlungsteam von großer Bedeutung. Es liegen jedoch zurzeit keine In vivo-Studien vor, die sich mit der Wirksamkeit von Dekolonisierungsmaßnahmen für den oralen und pharyngealen Bereich beschäftigt haben, obwohl es sich bei diesem Bereich um einen häufigen MRSA-Kolonisationsort handelt. Auch dem Thema Implantate und deren Taschen, die sich möglicherweise auch als Kolonisationsorte herausstellen, muss man immer mehr Beachtung schenken. Kolonisationsort. Seit jeher gilt der Nasen-Rachen-Raum als typischer Kolonisationsort des Bakteriums Staphylococcus aureus (Abb. 3a). Implantate. Möglicherweise sind auch Implantate mit ihrer rauen Oberfläche Prädilektionsstellen für den Staphylococcus aureus und seine resistente Form (Abb. 3b). Mundspülungen. Angesichts der sehr dürftigen Datenlage werden häufig Produkte eingesetzt, die in das Portfolio von Kliniken gehören, die aber höchstens auf In vitro-Studien basieren oder es werden Wirkstoffe herangezogen, die nur prinzipiell antibakteriell oder bakterizid wirken. Im praktischen Gebrauch kommen zur Dekolonisierung Mundspüllösungen mit Wirkstoffen wie Octenidin, Triclosan oder Chlorhexidin zur Anwendung, wobei in der Literatur kein direkter klinischer Vergleich bezüglich der Effektivität zu finden ist. Interessant ist die Tatsache, dass in neueren Studien auch in bestimmten ätherischen Ölen (z. B. Teebaumöl) ein vielversprechender Wirkstoff gegen MRSA gesehen wird, deren Effektivität sich allerdings bisher nur in vitro nachweisen ließ 9 . Im Rahmen der Recherche wurden die Sanierungskonzepte verschiedener Universitätskliniken mit antiseptischen Mundspüllösungen im Mund-Rachen- Bereich gezielter untersucht und gegenübergestellt. Im Folgenden sind diese in Tabelle 1 dargestellt. Dabei wird deutlich, dass es vor allem bei der Auswahl und Anwendungsfrequenz der Mundspülprodukte www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2017
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