Aufrufe
vor 1 Jahr

Sind Sie attraktiv?

Ausgabe 3/2017

12 Berufspolitik

12 Berufspolitik Landeskongress Gesundheit 2017 Zusammenarbeit ist unverzichtbar „Aktive Versorgungssteuerung – Wie sehen die Behandlungsprozesse der Zukunft aus?“ war das Thema des zweiten Landeskongresses Gesundheit Baden-Württemberg, der Ende Januar in Stuttgart stattfand. Unter der Regie der Bezirksärztekammer (BÄK) Nordwürttemberg hatten sich Vertreter verschiedener Interessengruppen im Gesundheitswesen zusammengefunden, um „produktiv zu arbeiten“, wie es sich BÄK-Präsident Dr. Klaus Baier wünschte. Das Publikum war aufgefordert, aktiv teilzunehmen und auf digitalem Weg Fragen an die Vortragenden zu stellen. Für den direkten Austausch gab es im „World Cafe“ Gelegenheit. Netzwerken war erwünscht, auch mit dem Ziel, gemeinsam neue Ansätze zu finden und den Landeskongress als „Ideenschmiede“ für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens zu etablieren. Vernetzung. Der Austausch der Akteure – digital per Chatfunktion und im persönlichen Gespräch – war ein wesentlicher Teil des Landeskongresses Gesundheit. In Rundtischgesprächen wurden aktuelle Themen aufgegriffen, wobei sich auch die KZV BW aktiv einbrachte: Dr. Ute Maier leitete zusammen mit dem Juristen Prof. Konrad Stolz drei Gesprächsrunden zur Rolle des Patientenfürsprechers in der Versorgungssteuerung. „Wir haben es mit einem hochkomplexen und ebenso komplizierten System zu tun, das der Einzelne nur noch schwer durchschauen kann“, beschrieb Dr. Klaus Baier das Gesundheitswesen. Der Vorwurf, es sei zu teuer und ineffektiv, treffe nicht zu. Vielmehr bewege es sich auf „höchstem Niveau“ und sei für unsere Verhältnisse sogar preiswert. Aber viele Jahre „der Überregulierung und Bürokratisierung, des Sparwahns, der Überforderung, und der Ausbeutung der dort Tätigen“ machten es notwendig, zukunftstaugliche und konsensfähige Lösungen zu entwickeln. „Das wird nicht einfach“, so der BÄK-Präsident. „Da heißt es: über Schatten springen, Kröten schlucken, Mut haben.“ Anliegen. Mit drei Botschaften wandte sich Bärbl Mielich, Staatssekretärin im baden-württembergischen Ministerium für Soziales und Integration, an die rund 250 Zuhörer: „Wir brauchen endlich eine sektorenübergreifende Versorgung.“ Ihre zweite Botschaft: „Wir müssen wegkommen von einer arztzentrierten Versorgungsstruktur.“ Mit ihrem dritten Anliegen traf sie den Nerv der Zeit: „Wir müssen natürlich den Weg der Digitalisierung gehen.“ Zwei eindrucksvolle Beispiele, wie dies in der Praxis aussehen könnte, schlossen sich unmittelbar an: Irmtraut Gürkan, stv. Vorstandsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg, erläuterte das Konzept einer „besseren Versorgung durch vernetzte Strukturen“. Prof. Dr. Matthias Schwab, Leiter des Dr. Margarete Fischer-Bosch-Instituts für Klinische Pharmakologie in Stuttgart, sprach über die „Stärkung der ambulanten Patientenversorgung mittels innovativer telemedizinischer Ansätze“. Eine Art Rundumblick lieferte Lutz Stroppe, Staatssekretär im BMG, der in Vertretung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe erschienen war. Auch er sieht Handlungsbedarf hinsichtlich der sektorenübergreifenden Versorgung, wobei er nicht nur Arztpraxen und Krankenhäuser, sondern auch Pflege- und Reha-Einrichtungen im Blick hat. Nachfrage. Als größtes Hindernis im Bereich Pflege beklagte Stroppe den Mangel an Kräften und berichtete in diesem Zusammenhang von dem wenig erfolgreichen Versuch, die Akademisierung in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen voranzutreiben: So habe es das BMG ermöglicht, in den Universitäten Modellstudiengänge einzurichten. In fünf Jahren sei dies lediglich in einem einzigen Fall, nämlich von der Universität Halle, umgesetzt worden. Stroppe berichtete über den aktuellen Stand beim aus GKV-Mitteln finanzierten Innovationsfonds, der in den Jahren 2016 bis 2019 jährlich 300 Millionen Euro für die Förderung neuer Versorgungsformen (225 Millionen) und die Förderung der Versorgungsforschung (75 Millionen) zur Verfügung stellt. Ein wichtiges Kriterium für die Genehmigung der über 60 Projekte, die aus 550 Förderanträgen ausgewählt wurden, sei die Perspektive, dass diese später in die Regelversorgung überführt werden könnten. ZBW 3/2017 www.zahnaerzteblatt.de

Berufspolitik 13 Keine Entwarnung. Mit der Verabschiedung des Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes (GKV-SVSG) ist die Diskussion über die Finanzkontrolle seitens des Bundes noch nicht abgeschlossen, wie Dr. Ute Maier mit ihrer Handy-Anfrage eruierte. Fotos: Köthe ob die Ausweitung der Prüfrechte des Bundesrechnungshofs, die ursprünglich im Gesetzentwurf enthalten war und nach Protesten der Selbstverwaltung in letzter Minute gestrichen wurde, endgültig vom Tisch sei (siehe nebenstehende Abbildung). Stroppe versicherte: „Beim Bundesrechnungshof haben Sie mich auf Ihrer Seite.“ Die eigentliche Frage könne er aber nicht beantworten; diese werde zunächst auf parlamentarischer Ebene diskutiert. Es würde nun darum gehen, zusammen mit Mitgliedern des Haushaltausschusses ins Gespräch zu kommen, um zu sehen, wie man mit dem Maßgabebeschluss weiter umgehe. „Es gibt beim Thema ,Ausweitung der Prüfrechte‘ also keinerlei Entwarnung“, so das Resümee von Dr. Ute Maier. Die Zahnärzteschaft werde weiterhin dagegen ankämpfen. » schildhauer@meduco.de Datenverkehr. Auch im Bereich Telemedizin habe man den „Durchbruch in Richtung GKV“ versucht. Die Telematikinfrastruktur sei ein wichtiger Teil, „aber drum herum muss mehr geschehen“, so der Staatssekretär. Es müsse zu einer Selbstverständlichkeit werden, über räumliche Entfernungen hinweg miteinander zu kommunizieren, wie es zum Beispiel in dem von Irmtraut Gürkan vorgestellten Projekt realisiert wurde. Wenn die Kommunikation hier und auch über sehr große Entfernungen möglich ist, so Stroppe, „dann sollten wir versuchen, es auch in Deutschland hinzubekommen“. Dass angesichts dieser Entwicklungen Diskussionsbedarf besteht, machten vor allem die Fragen der Teilnehmer deutlich. „Wie stehen Sie zur Telediagnostik in dem Ausmaß, dass die Beurteilung von radiologischen Aufnahmen im Akkord in indischen Kliniken zu günstigen Preisen in europäischen Nachtzeiten im großen Stil durchgeführt wird?“, fragte einer der Zuhörer, der zu bedenken gab, dass „irgendwann eine ärztliche, diagnostisch arbeitende Berufsgruppe in ihrer Existenz bedroht“ sein könnte. Hier seien, gegebenenfalls auch gesetzlich, klare Grenzen für Verlagerungsmöglichkeiten zu setzen, erklärte der Staatssekretär. Gleichzeitig sei die Sicherheit der Ergebnisse zu gewährleisten: „Wir werden gerade in der Bundesrepublik Deutschland keine Akzeptanz für Digitalisierung finden, wenn wir nicht auch für die Sicherheit der Daten sorgen.“ Die deutschen Ansprüche an Datensicherheit sind vergleichsweise hoch, was Stroppe mit einem Hinweis auf die Gegebenheiten in Österreich illustrierte. Er erinnerte an den Hackerangriff auf die Internetrouter der Telekom in Deutschland im vergangenen November, der Hunderttausende Geräte zum Absturz brachte. Während hierzulande für das Gesundheitswesen eigens gesicherte Kommunikationskanäle innerhalb der Telematikinfrastruktur geschaffen wurden, sind in den Arztpraxen unseres Nachbarlands laut Stroppe genau diese angreifbaren Standardrouter im Einsatz. GKV-SVSG. Auch die aktuelle Politik beschäftigte die Anwesenden. Stroppe hatte zwar das in den vorangegangenen Wochen viel diskutierte Thema „Selbstverwaltungsstärkungsgesetz“ bewusst aus seinem Keynote-Vortrag herausgehalten. Jedoch nutzte Dr. Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der KZV BW, die Möglichkeit, digital nachzufragen, Konstruktive Zusammenarbeit Die Initiierung des Landeskongresses Gesundheit war nicht leicht, wie BÄK-Präsident Dr. Klaus Baier berichtete, und nur durch die aktive und wohlwollende, konstruktive Mitarbeit vieler Köpfe möglich. Als Partner beteiligten sich neben der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg auch in diesem Jahr die Landesärztekammer Baden- Württemberg, die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Als Unterstützer fungierten die Kassenzahnärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, die Bezirkszahnärztekammer Stuttgart, die Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg, die AOK Baden-Württemberg, die Barmer, die DAK-Gesundheit, der BKK Landesverband Süd, die IKK classic, die Knappschaft und die TK. Gesponsert wurde der zweite Landeskongress von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Baden-Württemberg sowie DocMorris. Die Schirmherrschaft hatte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident des Landes Baden- Württemberg, übernommen. www.zahnaerzteblatt.de ZBW 3/2017

Ausgaben des Zannärzteblatt BW

© by IZZ Baden-Württemberg - Impressum - Datenschutz