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Resümee der Landtagswahl

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Ausgabe 5-6/2021

36 Fortbildung rote

36 Fortbildung rote Thrombus entsteht. Viele DOAKs nutzen die zentralen Punkte in diesem Endweg und hemmen entweder die Entstehung von Faktor Xa (Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban) oder die von Faktor IIa (Dabigatran). Behandlung antikoagulierter Patient*innen. Der antikoagulierte Patient gehört heute zum Alltag in der zahnärztlichen Praxis. Die enorme Zunahme an verschriebenen Antikoagulantien und differenzierten kardiovaskulären Therapiestrategien stellen uns vor erhöhte zahnärztliche Herausforderungen im Umgang mit diesen Patient*innen. Wir müssen uns in der heutigen Zahnmedizin auf dieses Patientengut vorbereiten. Welche Optionen hat man in seinem Praxisalltag? Bei der Betrachtung der isolierten Antikoagulation ohne Berücksichtigung des aktuellen Gesundheitszustandes der/des Patient*in ist für uns aus zahnärztlicher Sicht das Blutungs- und Nachblutungsrisiko der führende Aspekt. Jedoch werden die Patient*innen durch die antikoagulative Therapie vor lebensbedrohlichen kardiovaskulären Ereignissen wie z. B. Schlaganfällen, Embolien und Herzinfarkten geschützt. Es handelt sich um eine Risikoabwägung zwischen einem höheren Blutungsrisiko unter unserer Behandlung bei laufender antikoagulativer Medikation und ernsthaften bis lebensbedrohlichen gesundheitlichen Schäden der/des Patient*in durch Absetzten dieser Therapie bei bedingt niedrigerem Blutungsrisiko. Im Rahmen der Risikoabwägung sollte immer über das Grundleiden des Patient*innen nachgedacht werden, denn dieses begründet zumeist die antikoagulative Therapie. Im Falle von beispielsweise ASS, Clopidogrel und anderen Thrombozytenaggregationshemmern soll ein Schlaganfall, eine Thrombosierung bei bestehender relevanter Gefäßstenosierung oder nach Stentimplantation verhindert werden. Diese Medikamente sollten somit nicht im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung abgesetzt werden. Jede*r Patient*in nach beispielsweise einer interventionellen Herzkatheterbehandlung ist als Hochrisikopatient einzuschätzen. Bridging. Vor einigen Jahren wurden noch die Mehrzahl der Patient*innen mit einer Marcumar ® - Dauertherapie im Rahmen zahnärztlicher Eingriffe „gebridged“. Unter Bridging versteht man in diesem Kontext das zeitweise Ersetzen der Marcumar ® - Therapie mit einem Heparin. Durch die wesentlich kürzere Halbwertszeit von Heparinen verspricht man sich eine bessere Steuerbarkeit – im Falle einer Blutung könnte man das Heparin einfach absetzen, wohingegen Marcumar ® mit seiner langen Halbwertszeit nur schwieriger medikamentös antagonisiert werden kann. Dieses Vorgehen hat in den letzten Jahren einen Wandel erfahren. Aktuell lässt sich sagen, dass bei dem größten Teil zahnärztlicher Behandlungen und bei kleinen zahnchirurgischen Eingriffen (im komprimierbaren Bereich) die weitere Einnahme von Marcumar vertretbar bzw. sinnvoll ist. Das liegt darin begründet, dass diverse Studien, die ein Bridging im Rahmen chirurgischer Eingriffe untersucht haben, nicht nur teilweise eine erhöhte Gefahr von Blutungen gebridgter Patient*innen 1, 2 im Rahmen kleiner zahnärztlicher Eingriffe zeigen konnten, sondern auch, dass Bridging-Patient*innen eine erhöhte Mortalität aufweisen können 3 . Das Bridging kann nichtsdestotrotz im Rahmen größerer oder großer Operationen, beispielsweise bei Tumorresektionen, Weiterführende Maßnahmen: - Fibrinkleber Ergänzende Maßnahmen: - Lokale Gabe von Tranexamsäure - Miniplast-Schienen Abbildungen: Dr. Schappacher Basismaßnahmen: - Atraumatisches Vorgehen - Kürettage der Alveole - Einlage eines Kollagenkegels / Gelatineschwamms - Wundverschluss Blutungen. Maßnahmen zur Verhinderung von (Nach-)Blutungen antikoagulierter Patienten. ZBW 5-6/2021 www.zahnaerzteblatt.de

Fortbildung 37 Kein wesentliches Blutungsrisiko Geringes Blutungsrisiko erhöhtes Blutungsrisiko Lokalanästhesie Extraktion von bis zu 3 einwurzeligen Zähnen, kleine, umschriebene Weichgewebseingriffe Extraktionen von mehr als 3 Zähnen, mehrwurzelige Zähne Parodontale Untersuchung, supragingivales Scaling Kleine Abszessinzision von intraoral Lappenbildende OPs Endodontie Subgingivales Scaling Parodontalchirurgie Präparation und Abformung Implantation von bis zu 3 Implantaten Augmentation und Implantation von mehr als 3 Implantaten Zahnärztliche Eingriffe. Risikoeinschätzung diverser zahnärztlicher Eingriffe (Tabelle 1). Kieferteilresektionen oder Speicheldrüsenchirurgie indiziert sein und wird anhand diverser internistischer Scores (beispielsweise der CHA2DS2–VASc score) genauestens abgewogen. Das individuelle Blutungs- und Thromboserisiko der/des Patient*in sollte in diesen Fällen mit dem behandelnden Hausarzt oder Internisten abgewogen werden. In der Literatur hat sich etabliert, die meisten zahnärztlichen und zahnärztlich-chirurgischen Eingriffe mit einem geringen Blutungsrisiko anzugeben 4 . Hier gilt bezüglich des Ausmaßes von zahnärztlichen Eingriffen, dass alles in einer Größenordnung von bis zu drei einwurzeligen Zähnen, die extrahiert werden sollen, als „kleine Eingriffe“ zählen. Eine genauere Auflistung zeigt Tabelle 1. Im Rahmen der zahnärztlichen und zahnärztlich-chirurgischen Eingriffe existiert zudem der Begriff des komprimierbaren Bereichs. Dies beschreibt all jene Wundgebiete, in denen eine mechanische Kompression der Wunde z. B. im Kiefer- bzw. kiefernahen Bereich möglich ist. Das Risiko einer Blutung bzw. Nachblutung wird durch lokale Faktoren (wie z. B. Parodontitis, oder akute Entzündungen) und systemischen Faktoren (Patientenverhalten, Allgemeinerkrankungen, antikoagulative Therapie) erhöht. Im Bereich der lokalen und systemischen Faktoren ergeben sich Möglichkeiten, um das patientenspezifische Blutungs- bzw. Nachblutungsrisiko zu reduzieren. Lokal beeinflussbare Faktoren. • Eine bestehende Entzündung des parodontalen Gewebes ist ein relevanter Faktor für Nachblutungen im dentoalveolären Bereich. Die präventive Spülung mit CHX bei Parodontitis-Patient*innen präoperativ in Vorbereitung auf den Eingriff wurde von Scully et al. bereits 2002 als wirksam beschrieben. • Bei der Wahl des anästhetischen Verfahrens ist darauf zu achten, dass eine Leitungsanästhesie die Gefahr einer akzidentiellen Gefäßverletzung in sich birgt. Es sollte, um einer unkontrollierten Blutung im Bereich des N. alveolaris inferior bzw. im oropharyngealen Weichgewebe vorzubeugen, ein lokales Verfahren wie beispielsweise die Infiltration oder eine intraligamentäre Anästhesie der Leitungsanästhesie vorgezogen werden. • Ein operativ atraumatisches Vorgehen, eine schonende Zahnentfernung. • Die sorgfältige Kürettage der Alveole zur Entfernung von Granulationsgewebe nach einer Extraktion ist eine wichtige Maßnahme. Verbliebenes Granulationsgewebe führt zu deutlich häufigeren Nachblutungen. • Ein in die Alveole eingebrachter Kollagenkegel oder Gelatineschwamm trägt sowohl zur Stabilisierung des Koagulums in der initialen Wundversorgungsphase als auch in der späteren Phase des Koagulumumbaus zu einer Reduktion der Blutungsereignisse bei. • Nach Möglichkeit sollte in der Behandlung ein Wundverschluss durchgeführt werden. Ein Wundverschluss senkt das Risiko relevanter Nachblutungen erheblich. • Zusätzlich können medikamentöse Maßnahmen, wie beispielsweise die lokale Applikation von Tranexamsäure (Cyclokapron ® ) initial postoperativ in einem getränkten Aufbisstupfer oder auch als Mundspülung für weitere drei Tage ergriffen werden. Tranexamsäure ist mittlerweile in Tablettenform verfügbar, jedoch ist zu beachten, dass die dentoalveoläre Blutung/Nachblutung nicht im Indikationsbereich der oralen Tablettenapplikation von Tranexamsäure liegt. • Nach diesen Maßnahmen bleibt uns als weitere lokal hämostyptische Option die Miniplastschiene zum Schutz der Wunde vor mechanischen Reizen. • In einer Ausnahmesituation stehen Fibrinkleber (z. B. Beriplast P ® ) oder Tabotamp ® zur Verfügung. Systemisch beeinflussbare Faktoren. Postoperativ sollte man der/dem Patient*in genaue Verhaltensregeln (auf Sport, Kaffee und Alkohol verzichten, weiche Kost) empfehlen, um einen ungewollten Blutdruckanstieg, eine Gefäßdilatation oder eine mechanische Belastung der Wunde zu vermeiden. Trotz aller Maßnahmen kann man eine Nachblutung nicht immer verhindern. Es empfiehlt sich, Risikopatient*innen eher zu Beginn der Woche einzubestellen, um einen www.zahnaerzteblatt.de ZBW 5-6/2021

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