38 Fortbildung Zusammenstellung: Dr. Schmoeckel Hall-Technik Kariesinaktivierung/NRCC Bemerkung Keine Lokalanästhesie - Lokalanästhesie bei Kindern ist nicht immer leicht - Verkürzte Behandlungsdauer Keine Präparation des Zahnes Minimale Präparation des Zahnes - Reduzierte Gefahr der Reizung der Pulpa - Verkürzte Behandlungsdauer Keine Kariesentfernung Hohe Erfolgsrate Nur Entfernung von überhängendem Zahnschmelz Vergleichbare Erfolgsraten zu Füllungen - Geringeres Risiko der Pulpaeröffnung - Keine/weniger Beschwerden bei der Behandlung - Geringere Kooperation des Kindes notwendig - HT= 90%-100 vs. ca. 50%-80 % bei Füllungen - NRCC= 72% vs. 67% bei Füllungen Vermeidung von Sekundärkaries Management der Kariesaktivität - HT: keine Sekundärkaries möglich; v.a. bei Kindern mit hohem Kariesrisiko sehr wichtig - NRCC: Kariesmanagement auf Patientenebene (nicht nur Zahnebene) Einfache und schnelle Handhabung Hohe Akzeptanz und Beliebtheit - Jeweilige Prozedur mit wenig Übung innerhalb weniger Minuten durchführbar - Patienten, Eltern und Zahnärzte bevorzugen die HT und NRCC gegenüber der konventionellen Füllung. Kosteneffektiv Kostenintensiver - HT: kostengünstiger als konv. Füllungen oder NRCC - NRCC: kostenintensiver wg. häufigen Kontrolluntersuchungen Übersicht zu wesentlichen Aspekten der Hall-Technik (CHT) und der nicht-restaurativen Karieskontrolle (NRCC) (Tabelle 2). zahnärztliche Untersuchungen und Präventionsempfehlungen schon ab dem Alter von sechs Monaten vorgesehen (Abb. 8a/b). Dies soll hauptsächlich dazu beitragen, mehr Kinder frühzeitig in der Zahnarztpraxis von Anfang (präventiv) zu betreuen. 2) Verbesserte Leistungen in der zahnärztlichen Individualprophylaxe (neue Frühuntersuchungen und Fluoridierungsmaßnahmen ab 6 Monaten: FU1a-c, FUPr, FLA) sind bereits seit Juli 2019 verfügbar; somit ist diese frühzeitige individuelle Betreuung auch für Zahnärzte endlich abrechenbar (Abb. 9). Dazu ist auch ein praktischer Ratgeber zur Vermeidung frühkindlicher Karies online verfügbar, welcher von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) herausgegeben wurde (https://www. kzbv.de/fruehkindliche-karies-vermeiden.1030.de.html). Zudem soll dies mit der Neuauflage des Kinderpasses in Baden-Württemberg unterstützt werden (s. diese Ausgabe Seite 15). 3) Bemühungen und gesetzliche Bestimmungen für mehr wirksame Maßnahmen in der Gruppenprophylaxe in Einrichtungen (z. B. tägliches Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta in der Kita); 4) Neue Empfehlungen (Tab. 3) zu einem wirksameren Fluoridgehalt in der Kinderzahnpasta (1000 ppm), und entsprechende auf dem Markt erhältliche Zahnpasta, was als Kollektivprophylaxe wohl eine essentielle Stellschraube zur Kariesreduktion im Milchgebiss darstellt. Diese gemeinsam erzielten strukturellen Fortschritte sind ein Meilenstein in der zahnmedizinischen Pro- Alter des Kindes Konzentration Häufigkeit Menge Abbildungen: Gemeinsamer Bundesausschuss Abb. 8a Abb. 8b Kinderuntersuchungsheft. Das aktuelle gelbe U-Heft (a) enthält Verweise durch den Kinderarzt zur vertragszahnärztlichen Untersuchung beim Zahnarzt für Kinder vom 6. bis zum 64. Lebensmonat in Form von Ankreuzfeldern und in zeitlichem Zusammenhang der U5 bis U9 (b). So soll die Rate der Erstvorstellungen beim Zahnarzt mit Durchbruch des ersten Milchzahns (ca. 6. Lebensmonat, U5) erhöht und so frühkindliche Karies vermieden werden. Ab Durchbruch des 1. Milchzahnes bis zum 2. Geburtstag 2. bis 6. Geburtstag 1000 ppm 2x tägl. reiskorngroß Oder 500 ppm 2x tägl. erbsengroß 1000 ppm 2x tägl. erbsengroß Zusätzlich fluoridiertes Speieselsalz ab Teilnahme des Kindes an der Familienverpflegung Kinderzahnpasten mit Fluorid. Die aktuellen deutschen Empfehlungen* zur Kariesprävention favorisieren vom ersten Zahn an die Nutzung von fluoridhaltiger Kinderzahnpaste. [Quelle: DGPZM]* DGZ, DGPZM, DGKiZ, BZÖG, BZÖK; Stand 27.09.2018 (https://www. dgpzm.de/neue-empfehlungen-fuer-kinderzahnpastenmit-fluorid) (Tabelle 3). ZBW 10/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Fortbildung 39 Foto 9a: ©BZÄK/KZBV/Dr. Schmoeckel Abb. 9a Abb. 9b Abb. 9c Abb. 9a-c: Für die zahnärztliche Frühuntersuchung (FU1-a-c) kann das kleine Kind in den Schoß des Zahnarztes gekippt werden (a). Dabei kann es die Erziehungsperson gut sehen. Diese liegende Position eignet sich sehr gut für die Inspektion. Nach dem abrechenbaren praktischen Putztraining (FUPr) erfolgt die Fluoridlackapplikation (FLA) zur Vermeidung frühkindlicher Karies (b), aber auch bei vorhandener Karies zur Kariesinaktivierung (c). Die FLA kann seit Juli 2019 zweimal pro Halbjahr bei Kindern unabhängig vom Kariesrisiko bis zum 6. Geburtstag eingesetzt werden. Fotos 9b/c: Dr. Schmoeckel phylaxe und ein gutes Beispiel für die Innovationsfähigkeit der Zahnmedizin bei einer modernen Versorgung in Deutschland. Sie lassen das Ziel insbesondere die schweren Formen von Frühkindlicher Karies bzw. Milchgebisskaries und folglich auch Narkosebehandlungen zu reduzieren greifbar erscheinen. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel, denn es ist bekanntlich ein langer Weg von der Einführung neuer Maßnahmen bis zur flächendeckenden Umsetzung. Fazit. (Zahn-)medizinische Behandlungen dürfen rechtlich nicht wie eine Menüwahl im Restaurant à la carte erfolgen. Sie bedürfen einer strikten Indikationsstellung, die der Behandler (NICHT der Patient/Eltern und auch NICHT der Überweiser) feststellen und mit seiner Approbation verantworten muss. Die Entscheidungsfindung erfolgt trotzdem mittels informierter Zustimmung, da keine Behandlung ohne Zustimmung durchgeführt wird. Als Zahnarzt sollte man seine eigenen Grenzen gut kennen und auch individuelle organisatorische Rahmenbedingung berücksichtigen. Eine Überweisung zu einem Spezialisten kann sinnvoll sein, doch ist dann eine Überweisung zur Behandlungsübernahme angenehmer (z. B. „Erbitte Weiterbehandlung aufgrund von geringer Kooperation“) als eine explizite Überweisung zur Narkose. So ist für den spezialisierten Weiterbehandler ein adäquates Abwägen mit den Patienten einfacher möglich. Überweisungsbegehren wie „Narkose“, „Lachgasbehandlung“ oder „Extraktion von 75 & 85“ sind dagegen nicht unbedingt zielführend, da die häufig nur vom Spezialisten in Erwägung gezogenen Alternativtherapien nicht offengehalten werden. Mit den vorgestellten Optionen zur Reduktion von Narkosen zur Zahnbehandlung bei Kindern mittels Patientenführung (Teil 1; u. a. Verhaltensformung und Lachgassedierung) und verschiedene Optionen im Rahmen des aktuellen Kariesmanagements (Teil 2: u. a. Prävention, Kariesinaktivierung und Hall-Technik) rückt das Ziel für alle Kinder eine hohe orale Lebensqualität über ein entspanntes, fröhliches Verhältnis zum Zahnarztbesuch und eine langfristig gute Mundgesundheit deutlich näher – und dies langfristiger und verbunden mit weniger Risiken und Kosten als bei einer Narkosebehandlung. Das Literaturverzeichnis kann beim IZZ bestellt werden unter Tel: 0711/222966-14 oder E-Mail: info@ zahnaerzteblatt.de. OA Dr. Julian Schmoeckel, Mhd Said Mourad, OA PD Dr. Mohammad Alkilzy, OÄ Dr. Ruth M. Santamaría, Prof. Dr. Christian. H. Splieth Dr. Julian Schmoeckel Mhd Said Mourad Oberarzt Abt. für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald Zahnarzt Abt. für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald Oberarzt Abt. für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald Dr. Mohammad Alkilzy Dr. Ruth M. Santamaría Prof. Dr. Christian H. Splieth Oberärztin Abt. für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde Universitätsmedizin Greifswald Leiter der Abt. für Präventive Zahnmedizin & Kinderzahnheilkunde Universität Greifswald www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2021
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