20 Titelthema Expertenstandard zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege Schnittstellen zwischen Zahnarzt und Unterstützungsumfeld Im Mai 2021 wurde der Expertenstandard zur Förderung der Mundgesundheit in der Pflege der Fachöffentlichkeit vorgestellt und von den über 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Videokonferenz konsentiert. Dabei haben erstmals Zahnmedizinerinnen und -mediziner sowie Pflegeexpertinnen und -experten interprofessionell zusammengearbeitet. Aktuell läuft die Phase der sogenannten modellhaften Implementierung und die finale Veröffentlichung des Standards ist für September 2022 geplant. die notwendigen Kompetenzen und Instrumente. Darüber hinaus sind notwendige Maßnahmen zu planen. Die betroffene Person und ihr Umfeld müssen informiert, geschult bzw. beraten und bei der Durchführung der Mundpflege – soweit notwendig – praktisch unterstützt werden. Im Einzelfall muss die Durchführung der Mundpflegemaßnahmen komplett übernommen werden. Folgende Schnittstellen für die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Zahnärztin und Zahnarzt sowie Pflege sind von Bedeutung: Akute Behandlungsbedürftigkeit. Durch die Sensibilisierung zu Risiken und Problemen der Mundgesundheit werden verstärkt z. B. Schmerzen bzw. Schwellungen, Zahnfleischbluten, Zahnstein, gelockerte Zähne oder Passungenauigkeiten bei Prothesen auffallen. Diese können nur durch zahnärztliche Behandlung und nicht durch pflegerische Maßnahmen bewältigt werden. Der Standard gibt vor, dass für diese Fälle eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt hinzuzuziehen ist. Mundhygienemaßnahmen. Dr. Elmar Ludwig bespricht mit den Fachkräften der Pflege die Möglichkeiten der Mundinspektion bei Unterstützungsbedarf. Für uns Zahnärztinnen und Zahnärzte ist dieser Expertenstandard wichtig, weil er auch konkret die interprofessionellen Schnittstellen zwischen Pflege und Zahnmedizin benennt. Die Pflege wird spätestens ab September 2022 – und vielerorts sicher schon früher – den Kontakt zu den Zahnärztinnen und Zahnärzten vor Ort suchen, um die geforderte zahnmedizinische Betreuung der Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf zu erfüllen. Dies betrifft vor allem die stationäre bzw. ambulante Langzeitpflege, gilt aber auch für die Settings Krankenhaus, Rehabilitationseinrichtung und Hospiz. Zielsetzung. Für jeden Menschen mit pflegerischem Unterstützungsbedarf sind zu Beginn des pflegerischen Auftrags und darüber hinaus zu weiteren definierten Zeitpunkten im Rahmen der pflegerischen Tätigkeit bestehende Risiken bzw. Probleme im Hinblick auf die Mundgesundheit zu identifizieren (Screening und Assessment). Der Expertenstandard beschreibt hierfür Gesetzliche Leistungsansprüche. Kooperationsverträge zwischen stationären Pflegeeinrichtungen und Zahnärztinnen und Zahnärzten nach § 119b SGB V sowie die präventionsorientierten Leistungsansprüche auf Zahnsteinentfernung, Mundgesundheitsstatus, Plan und Aufklärung zweimal jährlich für gesetzliche Versicherte nach § 22a SGB V (Pflegegrad, Eingliederungshilfe) in allen Settings werden im Expertenstandard ebenfalls beschrieben. Ab 2022 ist daher damit zu rechnen, dass der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK) sowie die Heimaufsicht konsequent im Rahmen der Qualitätsprüfungskriterien bzw. der Prüfleitfäden die ZBW 10/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 21 Mundpflege im Bett. Wenn nicht anders möglich, wird die Mundpflege im Bett durchgeführt. Schulung. Die praktische Anleitung der Pflegekräfte ist ein wichtiger Bestandteil der zahnmedizinischen Betreuung. Fotos: Dr. W. Boch Umsetzung und Erfüllung dieser Leistungsansprüche abfragen. Dies wird den Wunsch der Pflege nach kontrollorientierter zahnärztlicher Betreuung deutlich steigern. Schulung und Anleitung. Der Expertenstandard adressiert an die Pflege auch, für die Mundgesundheit Qualifikationen zu entwickeln und entsprechende Angebote in der Fort- und Weiterbildung der Pflegeberufe wahrzunehmen. Die Mundpflege wird im Alltag vor allem von pflegerischen Hilfskräften oder Pflegehelfern unterstützt. Um alle Qualifikationsniveaus zu erreichen, können wir uns zum Beispiel im Rahmen hausinterner Schulungen einbringen. Natürlich sind auch in der Ausbildung der Pflegeberufe die Weichen entsprechend zu stellen. Dazu hat die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg bereits vor vielen Jahren ein umfassendes Konzept zur Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege für die Aus- und Fortbildung entwickelt und zuletzt auch an die Anforderungen der generalistischen Pflegeausbildung angepasst. Eine weitere wichtige Schnittstelle für die Schulung und Anleitung ist die Mundgesundheitsaufklärung nach § 22a SGB V (BEMA-Nr. 174b). Hier sind in erster Linie Tipps und bewährte Maßnahmen bei abwehrendem Verhalten, bei demenziell erkrankten Menschen, bei Mundpflegemaßnahmen im Sitzen am Waschbecken oder im Liegen am Bett gefragt. Wichtige Stichworte sind hier ergonomisches Arbeiten und Berücksichtigung der Aspirationsgefahr (siehe Infokasten mit QR-Codes). Es geht nur gemeinsam! Der Expertenstandard schafft endlich in der Pflege die notwendige Aufmerksamkeit für das Thema Mundgesundheit. Weniger Schmerzen im Mund, weniger Mundgeruch, weniger Lungenentzündungen, bessere Diabeteskontrolle, unbeschwert Kauen und Lachen und damit mehr am Leben teilhaben können – das sind die Ziele, die der Standard verfolgt. Nicht zuletzt werden so auch unsere jahrzehntelangen Bemühungen der Prävention und Behandlung nachhaltig gesichert. Die bedarfsgerechte Mundpflege kann die Pflege aufgrund der sehr individuellen und zum Teil komplexen Ausgangssituation – mehr eigene Zähne bzw. Implantate und technisch aufwändiger Zahnersatz – allein nicht leisten. Packen wir es an, nutzen die Chance und bringen uns aktiv ein – die Schnittstellen dazu sind jetzt auch in der Pflege prominent beschrieben. Dr. Elmar Ludwig, Referent für Alterszahnheilkunde der LZK BW Info www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2021
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