18 Titelthema Foto: RAGZ Rastatt/O. Hurst Kinder- und Zahngesundheit in Pandemiezeiten Gruppenprophylaxe startet wieder Wie sehr die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen durch die Coronapandemie Schaden genommen hat, lässt sich noch nicht feststellen. Aber man muss davon ausgehen, dass sich die rudimentäre gruppenprophylaktische Betreuung in den Kindertagesstätten und Schulen in den letzten 18 Monaten bei den zukünftigen Reihenuntersuchungen niederschlagen wird. Es wird Zeit, dass die Gruppenprophylaxe wieder zur Normalität zurückkehrt. Auch wenn die Situation in den regionalen Arbeitsgemeinschaften Zahngesundheit zurzeit noch sehr dynamisch ist, sind die Bedingungen für eine Wiederaufnahme des Außendienstes gut. Die Gruppenprophylaxe läuft in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten reibungslos, wie die Ergebnisse der epidemiologischen Begleituntersuchungen in der Vergangenheit regelmäßig belegten. Die Zahngesundheit der Kinder in Baden- Württemberg lag im europaweiten Vergleich immer ganz vorne. Kein Wunder, denn die 37 regionalen Arbeitsgemeinschaften Zahngesundheit, die unter dem Dach der Landesarbeitsgemeinschaft für Zahngesundheit e. V. (LAGZ) agieren, sorgten bislang zuverlässig für eine flächendeckende Betreuung von Kindern von 0 bis 16 Jahren in Kindertagesstätten, Grund- und Hauptschulen, außerdem in Förderschulen sowie in weiterführenden Schulen. Doch dann kam die Coronapandemie mit ihren Infektionswellen und Lockdowns bzw. Notbetrieben in Schulen und Kitas und brachte die Gruppenprophylaxe zum Erliegen. Unterbrechung. Von heute auf morgen konnten die über 220 Prophylaxefachkräfte und Zahnärztinnen und Zahnärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie die 1350 Patenzahnärztinnen und -zahnärzte ihre tagtägliche Prophylaxearbeit nicht mehr leisten. Und das über einen Zeitraum von 18 Monaten hinweg. Die meisten regionalen Arbeitsgemeinschaften waren in dieser Zeit von Kurzarbeit betroffen. Viele Prophylaxefachkräfte waren zudem an die Gesundheitsämter überlassen, um sie bei wichtigen Pandemietätigkeiten zu unterstützen. Digitale Prophylaxe. Aufgrund der Coronapandemie gerieten die Prophylaxebesuch. Bei der spielerischen Vermittlung der Regeln zur Mund- und Zahngesundheit sind die Kinder mit Freude dabei, hier z. B. mit dem Zubehör der regionalen Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit Rastatt. ZBW 10/2021 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 19 Prophylaxeangebote der regionalen AGs völlig in den Hintergrund. Da teilweise noch nicht mal die Eltern die Kitas betreten durften, waren auch die Prophylaxeteams vielerorts nicht mehr zugelassen. In den Schulen sah die Situation ähnlich aus. Der Fokus lag auf der Vermittlung des Lehrplans, sodass externe Angebote meist nicht zugelassen wurden. Um die Kinder und deren Eltern weiterhin zu erreichen, bot etwa ein Viertel der regionalen AGs bereits im Herbst/ Winter 2020 digitale Prophylaxeprogramme an. Hier war z. B. die AG Rastatt Vorreiter. Ein weiteres Viertel der AGs plante im Frühjahr 2021, mit einem digitalen Angebot an den Start zu gehen. In dieser kreativen Entwicklungsphase bot die Geschäftsstelle der LAGZ unter der kommissarischen Leitung von Carolin Scheib wertvolle Hilfestellung an: Die LAGZ dokumentierte alle digitalen Angebote der AGs sowie ihre Erfahrungswerte, sodass alle regionalen AGs aus diesem Erfahrungspool schöpfen können. Anpassung. Zusätzlich haben sich die regionalen Arbeitsgemeinschaften, die sich nicht in Kurzarbeit befunden haben oder an die Gesundheitsämter ausgeliehen waren, sehr darum bemüht, ihre Prophylaxeprogramme an die Gegebenheiten bzw. Hygieneanforderungen während Corona anzupassen. So wurde die Betreuung auf kleine Gruppengrößen umgestellt und die Besuche auf mehrere Tage verteilt. Nach Möglichkeit werden die Kinder im Freien mittels Fingerübungen und Singspielen mit den Regeln zur richtigen Zahnreinigung vertraut gemacht. Manche Prophylaxeteams machen Fensterbesuche und vermitteln ihre Infos von draußen nach drinnen. In Sachen Schutzausrüstung und Impfschutz sind die Außendienstmitarbeiter der regionalen AGs außerdem vorbildlich aufgestellt. Sie bringen alles Erforderliche mit bzw. halten alle Vorgaben ein, die die Einrichtungen zur Bedingung machen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Kitas den Besuchsangeboten der regionalen Arbeitsgemeinschaften sehr positiv gegenüberstehen. So kommt wieder ein bisschen Alltag zurück in die Einrichtung. Doch nicht jede angefragte Kita kann dem Prophylaxeaußendienst die Türen öffnen. Es liegt meist an der Trägerschaft und den entsprechenden Coronaregelungen, ob externe Besuche zugelassen werden. „Eine regelmäßige und damit wirkungsvollere Kariesprophylaxe könnte beispielsweise dadurch erfolgen, dass das tägliche Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta in Kindergärten, Kitas und Grundschulen verbindlich im Kinderschutzgesetz des Landes Baden- Württemberg verankert wird.“ Dr. Torsten Tomppert, Vorstandsvorsitzender der LAGZ Empfehlungen. In vielen Gemeinschaftseinrichtungen wurde das gemeinschaftliche Zähneputzen aus Sorge vor einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Um den Kitas aufzuzeigen, dass trotz Coronapandemie ein sicheres Zähneputzen möglich und vor allem wichtig ist, hat die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (zusammen mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uniklinik Bonn sowie weiteren Organisationen) entsprechende Empfehlungen mit dem Titel „Mundhygiene in den Zeiten von COVID-19 – jetzt erst recht!“ veröffentlicht. Die LAGZ hat diese Hygiene-Checkliste, die Ende August aktualisiert wurde, den regionalen AGs übermittelt. Zusätzlich konnte die LAGZ im Frühjahr 2021 das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg dafür gewinnen, ein LAGZ-Schreiben an die Trägerverbände der Kindertagesstätten zu übermitteln, in dem für das regelmäßige Zähneputzen in den Kitas geworben wird. Aktuelle Entwicklung. Derzeit befinden sich immer noch einige regionale AGs entweder in Kurzarbeit oder die Prophylaxefachkräfte sind noch für die Gesundheitsämter im Einsatz. Die Entwicklung in Richtung Normalität ist seit Ende der Sommerferien bereits sehr dynamisch, sodass einer umfangreichen Wiederaufnahme der Gruppenprophylaxe im Herbst/Winter 2021 nicht mehr viel im Wege steht. Bei der Konferenz der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der regionalen Arbeitsgemeinschaften, die Mitte September online stattfand, tauschten sich die Beteiligten aus und berichteten über ihre derzeitigen Aktivitäten und Erfahrungen im Rahmen der Gruppenprophylaxe. So sind z. B. die AGs in Stuttgart, Schwäbisch Hall, Heilbronn, Karlsruhe, im Rems-Murr-Kreis, in Ludwigsburg, Tübingen und Heidenheim teilweise schon seit den Pfingstferien 2021 wieder im Außendienst aktiv. Die oben genannten AGs besuchen ausschließlich Kitas (Ludwigsburg, Tübingen, Schwäbisch Hall), manche AGs dürfen aber bereits auch wieder in die Schulen (Rems-Murr-Kreis, Heilbronn) oder stehen kurz davor (Stuttgart). Aus den Erfahrungsberichten geht hervor, dass die Einrichtungen den Prophylaxeangeboten wieder sehr aufgeschlossen gegenüberstehen. Teilweise kommen sogar aktive Anfragen von Kitas und Schulen. Richtiges Zähneputzen findet noch nicht statt, weil hier die Abstände nicht eingehalten werden können. Meist wird mit den Kindern trocken geübt und über Ernährung gesprochen. Fluoridierungsmaßnahmen gibt es noch keine, aber die Reihenuntersuchungen fangen mancherorts wieder an. Ausblick. Der Erfahrungsaustausch der AGs zeigt, dass die Gruppenprophylaxe wieder an Fahrt gewinnt, weil die AGs den Kitas und Schulen entsprechende Angebote machen und sich bei den Besuchen vor Ort an die hygienischen Vorgaben anpassen. Die Motivation, wieder zur Normalität zurückkehren zu können, ist bei allen Beteiligten sehr groß. Claudia Richter www.zahnaerzteblatt.de ZBW 10/2021
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