8 Titelthema Systematische Behandlung von Parodontopathien Vorläufige Nutzenbewertung des IQWiG Die Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hatten im Juli 2013 den Antrag gestellt, die Richtlinien für die systematische Behandlung von Parodontopathien (Abb. 1-3) (G-BA 2006) zu überprüfen. Im G-BA wurden Fragestellungen formuliert, die in einer Nutzenbewertung vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bearbeitet werden sollten: 1 geschlossene mechanische Therapie (GMT) (Abb. 4): Vergleich GMT zu keiner Behandlung 2a Laser: Vergleich der alleinigen oder ergänzenden Lasertherapie im Vergleich zur GMT 2b photodynamische Therapie (PDT): Vergleich der alleinigen oder ergänzenden PDT im Vergleich zur GMT 2c chirurgische Maßnahmen: Vergleich alleiniger oder ergänzender chirurgischer Maßnahmen (modifizierter Widmanlappen, chirurgische Taschenelimination, Osteoplastik) im Vergleich zur GMT 2d andere Maßnahmen: ein individuell angepasstes Mundhygiene-Schulungsprogramm, ergänzende Behandlung mit Schmelzmatrixderivat oder mit Chlorhexidin (CHX)-Gel und CHX-Mundspülung, die ergänzende Taschenirrigation mit Antiseptikum und das subgingivale Air-Polishing mit CHX-Erythritolpulver zusätzlich zur GMT 3a antibiotische Maßnahmen: alleinige oder ergänzende systemische Antibiotikabehandlung sowie ergänzende lokale Antibiotikabehandlung im Vergleich zur GMT Abb. 1 Sondierungstiefe und Attachmentlevel von 6 mm distobukkal von Zahn 32 (männlicher Patient, 51 Jahre alt, generalisiert moderate, lokalisiert schwere chronische Parodontitis). 3b ergänzende systemische Antibiotikabehandlung versus ergänzende lokale Antibiotikabehandlung: GMT mit ergänzender systemischer Antibiotikabehandlung im Vergleich zur GMT mit ergänzender lokaler Antibiotikabehandlung 3c mikrobielle Diagnostik: Vergleich systemische Antibiotikabehandlung mit vorheriger mikrobiologischer Diagnostik versus systemische Antibiotikabehandlung ohne vorherige mikrobiologische Diagnostik 4 strukturierte Nachsorge: GMT mit ergänzender strukturierter Nachsorge im Vergleich zur GMT ohne strukturierte Nachsorge. Diese Fragestellungen sollten unter Verwendung der folgenden patientenrelevanten Endpunkte bewertet werden: • Morbidität: Zahnverlust, Zahnlockerung, Schmerz, symptomatische Gingivitis • unerwünschte Wirkungen oder Ereignisse • (mund-)gesundheitsbezogene Lebensqualität. Berichtsplan. Das IQWiG veröffentlichte am 14.09.2015 einen vorläufigen Berichtsplan (IQWiG 2015), zu dem unter anderen die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DG PARO) Stellung nahm und der im November 2015 in Köln beim IQWiG erörtert wurde. Anfang dieses Jahres, am 24.01.2017 hat das IQWiG die Ergebnisse seiner Arbeit in Form eines Vorberichts veröffentlicht (IQWiG 2017b). Dieser Vorbericht ergab einen Anhaltspunkt für einen Nutzen der GMT im Vergleich zu keiner Behandlung (Fragestellung 1) sowie eines individuell angepassten Mundhygiene-Schulungsprogramms zusätzlich zur GMT (Fragestellung 2d) für den Endpunkt symptomatische Gingivitis. Das IQWiG sieht für die Beweislage eines Nutzens bzw. Schadens vier Abstufungen bezüglich der jeweiligen Aussagesicherheit vor: Beleg (höchste Aussagesicherheit), Hinweis (mittlere Aussagesicherheit), Anhaltspunkt (schwächste Aussagesicherheit) oder keine dieser Kategorien (keine Aussagesicherheit). Für alle anderen Fragestellungen wurden im Vorbericht weder Nutzen noch Schaden aufgezeigt. Die Ergebnisse des Vorberichts stehen in weiten Teilen in krassem Widerspruch zum internationalen wissenschaftlichen Kenntnisstand und den daraus abgeleiteten Therapieempfehlungen (z. B. Slots et al. 2004, Mombelli et al. 2014, Sanz et al. 2015, Tonetti et al. 2015, Trombelli et al. 2015). Deshalb lohnt es sich, einzelne Punkte des IQWiG-Vorberichts näher zu betrachten. ZBW 7/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 9 Abb. 2 Parodontalstatus. Kompletter parodontaler Status des Patienten aus Abbildung 1. Beobachtungszeitraum. Wie lang sollte der Beobachtungszeitraum randomisierter klinischer Studien (RCTs) sein? Das IQWiG definiert eine Mindestlaufzeit von zwölf Monaten als Einschlusskriterium für seine Nutzenbewertung. In seinem vorläufigen Berichtsplan hatte es sogar einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren als Einschlusskriterium definiert. In der Erörterung des vorläufigen Berichtsplanes war es gelungen, diese Schwelle auf zwölf Monate zu reduzieren (IQWiG 2016). Hätte das IQWiG aber nicht diesen Schwellenwert anpassen müssen, nachdem es bei der Auswertung der Daten bemerkte, dass die wenigsten RCTs über zwölf Monate oder mehr verlaufen sind? Die meisten randomisierten Interventionsstudien in der parodontologischen Forschung haben, insbesondere wenn es um den zusätzlichen Nutzen von Antibiotika geht, kürzere Beobachtungszeiträume. Das bedeutet, dass ein großer Teil der vorhandenen wissenschaftlichen Information (die RCTs mit Beobachtungszeiten unter zwölf Monaten) bei der Nutzenbewertung unberücksichtigt bleibt. Die letzte Suche der systematischen Literaturrecherche in den bibliografischen Datenbanken durch das IQWiG fand am 16.07.2015 statt (IQWiG 2017b; Seite 7), also zwei Monate vor der Veröffentlichung des vorläufigen Berichtsplanes (IQWiG 2015). Das heißt, dass sich das IQWiG vor der Veröffentlichung des vorläufigen Berichtsplanes bereits darüber im Klaren war, welche Fülle an RCTs zu den Fragestellungen 1 bis 3 verfügbar war. Könnte es sein, dass Überlegungen zur Praktikabilität der Erfassung dieser Datenmengen die Entscheidung für 24 bzw. zwölf Monate Laufzeit als Einschlusskriterium beeinflusst haben? Natürlich möchten wir, dass die Ergebnisse unserer Therapie möglichst lange erhalten bleiben. Allerdings was bezweckt GMT mit oder ohne Antibiotika? Eine Infektion (subgingivale Plaque) soll entfernt (antiinfektiöse Therapie) und damit die Ursache für die Entzündung des parodontalen Gewebes beseitigt werden. Der Erfolg dieser Therapie kann nach drei, sechs und zwölf Monaten festgestellt werden. Unmittelbar nach Abschluss der antiinfektiösen Therapie besteht aber das Risiko einer Reinfektion, dem in den Studiendesigns durch eine sehr engmaschige unterstützende Parodontitistherapie (UPT, strukturierte Nachsorge) entgegengewirkt wird (z. B. Harks et al. 2015). Die Therapieergebnisse nach drei und sechs Monaten drücken den unmittelbaren Erfolg der antiinfektiösen Therapie aus, die Ergebnisse nach zwölf Monaten oder zwei Jahren eher den Effekt der UPT. In den Studien, die über Zeiträume von zwölf Monaten oder mehr nach antiinfektiöser Therapie berichten und eine engmaschige UPT in Test- und Kontrollgruppen implementieren, bleiben die klinischen Ergebnisse, die nach drei bzw. sechs Monaten beobachtet wurden, über zwölf und 24 Monate stabil (Badersten et al. 1981, Harks et al. 2015). Ein gutes Argument dafür auch RCTs mit kürzerer Laufzeit für die Nutzenbewertung zu berücksichtigen. Nachdem eine Infektion erfolgreich durch chirurgische Intervention und/oder Antibiotika behandelt wurde, würde niemand eine Reinfektion nach ein oder zwei Jahren als Scheitern der Ersttherapie bewerten, sondern als Versagen der Vorbeugung einer erneuten Infektion, was eine andere Fragestellung ist. Im Falle der Parodontitistherapie ist dies Fragestellung 4 – strukturierte Nachsorge (UPT) (Eickholz & Dannewitz 2017). www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2017
58 Fortbildung Abb. 5a Abb. 5b 3D-M
60 Kommunikation Koordinierungskonf
Herbstkonferenz und Master´s Day 2
Konferenzorganisation Teilnahmegeb
66 Regionen Reihen-Untersuchungen b
68 Soziales Engagement Krebskranke
70 Praxis Auf der sicheren Seite! R
72 Kultur Kunstmuseum Basel - vom S
74 Namen und Nachrichten Unabhängi
Zu guter Letzt 79 Karikatur: Beck I
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