24 Titelthema Plastische Parodontalchirurgie Rezessionsbehandlung Unter plastischer PA-Chirurgie versteht man die Durchführung operativer Maßnahmen zur Korrektur von Defekten bezüglich der Position, Morphologie oder des Volumens der Gingiva in der Umgebung von Zähnen und Implantaten [1]. Sie dient damit sowohl dem Erhalt von Zähnen und Zahnhalteapparat als auch der Optimierung der roten Ästhetik. Eine der wichtigsten Indikationen zur plastischen PA-Chirurgie stellte die Deckung der freiliegenden Wurzeloberfläche (Rezessionsbehandlung) dar. In einer Übersicht sollen die verschiedenen Verfahren und deren Voraussagbarkeit beschrieben werden [2]. Definition, Prävalenz und Entstehung. Exponierte Wurzeloberflächen stellen ein klinisches Problem mit hoher Prävalenz in der Population dar [3]. Sie werden häufig bei Patienten mit guter Mundhygiene angetroffen [3]. Rezessionen sind definiert als entwicklungsbedingte oder erworbene Deformationen der Gingiva, bei denen der Margo gingivae apikal der Schmelz-Zement-Grenze zu liegen kommt [1]. Ihre Prävalenz wird mit 58 bis 76 Prozent angegeben. Eckzähne und Prämolaren im Ober- und Unterkiefer sind am häufigsten betroffen [4]. Rein bukkal lokalisierte Rezessionen sind meist durch die anatomisch-morphologischen Gegebenheiten von Wurzeloberfläche, Gingiva und Alveolarknochen bedingt. Hierbei spielen eine dünne bukkale Gingiva (Biotyp A), Knochenfenestrationen, tief einstrahlende Bänder- und Muskelansätze sowie das Fehlen keratinisierter Gingiva eine ursächliche Rolle [5]. Darüber hinaus können Rezessionen durch traumatisierende iatrogene Faktoren wie überstehende Restaurationsränder, traumatisches Zähneputzen oder kieferorthopädische Behandlung verursacht werden [6]. Auch Lippen- und Zungenpiercings können Rezessionen verursachen. So wurden in einer Studie an 68 Prozent der korrespondierenden Zähne Rezessionen festgestellt [7]. Rezessionen auf dem Boden einer chronischen Parodontitis treten meist generalisiert neben bukkal auch oral und approximal auf. Rezessionseinteilung. Schematische Darstellung der Rezessionseinteilung nach Miller. Klassen I – IV (Abb. 1). Klassifikation. Der Erfolg einer Rezessionsdeckung hängt wesentlich von der Ausdehnung und Konfiguration der Rezession ab. Präoperativ ist daher eine genaue Befundaufnahme und Dokumentation erforderlich. Rezessionen werden üblicherweise nach Miller in vier Klassen eingeteilt (Abb. 1) [8]. Bei der Miller-Klasse I erreicht die Rezession die mukogingivale Grenze nicht. Es liegt kein interdentaler Weichgewebs- bzw. Knochenverlust vor. Eine Miller-Klasse II liegt vor, wenn die Rezession die mukogingivale Grenze erreicht oder überschreitet. Auch hier findet sich interdental kein Gewebeabbau. Eine Rezession der Miller-Klasse III erreicht oder überschreitet ebenfalls die mukogingivale Grenze. Darüber hinaus ist ein approximaler Gewebeabbau mit partiellem Papillenverlust zu erkennen. Bei Rezessionen der Miller-Klasse IV liegt zusätzlich ein deutlicher Verlust von interdentalem Knochen oder eine Zahnfehlstellung vor. ZBW 7/2017 www.zahnaerzteblatt.de
Titelthema 25 Eine vollständige Rezessiondeckung ist nur bei den Miller-Klassen I und II zu erwarten. Bei Rezessionen der Miller-Klasse III kann nur eine partielle Deckung angestrebt werden, während die Rekonstruktion der verlorenen Papille unwahrscheinlich ist. Eine Deckung von Rezessionen der Miller-Klasse IV ist nicht erfolgversprechend. Neben der Miller-Klasse sollten präoperativ die Tiefe und Breite der Rezessionen sowie Sondierungstiefen und Breite der keratinisierten Gingiva im OP-Gebiet bestimmt und dokumentiert werden. Indikationen zur Rezessionsdeckung. Obwohl Rezessionen definitionsgemäß einen Attachmentverlust darstellen, führen sie nicht zwangsläufig zum Zahnverlust und sind nicht in jedem Fall therapiebedürftig. Jedoch kann der freiliegende Zahnhals als Locus minoris resistentiae angesehen werden. Es kann zu Zahnhalsüberempfindlichkeiten, nicht-kariösen zervikalen Läsionen und Wurzelkaries kommen. Darüber hinaus können schlechte Hygienemöglichkeiten durch das Fehlen keratinisierter Gingiva im Bereich der Rezession zu einer chronischen Entzündung am Zahnfleischsaum führen. Die so entstehenden mukogingivalen Probleme können meist nur mit Hilfe der plastischen PA-Chirurgie therapiert werden. In vielen Fällen stellt auch die ästhetische Beeinträchtigung eine Indikation zur Wurzeldeckung dar. Bei der Rezessionsdeckung existieren zwei wesentliche Behandlungsziele: 1. Die Progredienz der Rezession zu stoppen und damit den Zahn langfristig zu erhalten und 2. einen möglichst großen Anteil der bereits freiliegenden Wurzeloberfläche wieder zu decken. Chirurgische Verfahren. Vor einer chirurgischen Intervention ist die Ausschaltung aller ätiologischer Faktoren erforderlich. Hierzu gehört zunächst eine effektive Plaquekontrolle. Patienten mit traumatisierender Putztechnik sollten in eine schonendere Mundhygiene eingewiesen werden. Kariöse Läsionen, Füllungen sowie überstehende Kronenränder werden vor dem operativen Eingriff entfernt. Vor Deckung der Rezession sollte außerdem eine Glättung der freiliegenden Wurzeloberfläche stattfinden. Zur Rezessionsbehandlung stehen verschiedene chirurgische Verfahren zur Verfügung. Die Auswahl der Methode richtet sich nach der Rezessionsmorphologie sowie dem vorhanden Weichgewebe in der direkten Umgebung der Rezession bzw. der potenziellen Spenderregion. Ist genügend keratinisierte Gingiva in der Nachbarregion der Rezession vorhanden, kann das Gewebe in Form von gestielten Verschiebelappen zur Wurzeldeckung herangezogen werden. Bei sehr schmaler Gingiva können diese Verfahren nicht angewendet werden. Die Rezessionsbehandlung muss hier durch freie Transplantation von Bindegewebe oder Gingiva erfolgen. Auch Verfahren der gesteuerten Geweberegeneration werden zur Rezessionsbehandlung herangezogen. Neben resorbierbaren und nicht-resorbierbaren Membranen kommen hierbei Schmelz-Matrix-Proteine zum Einsatz. In zahlreichen Fällen werden außerdem freie Gewebetransplantate bzw. regenerative Verfahren mit Verschiebelappen kombiniert. Abb. 2a Abb. 2b Abb. 2c Koronaler Verschiebelappen. Präparation eines koronalen Verschiebelappens mit Applikation von Schmelz-Matrix-Proteinen (mit freundlicher Genehmigung des Thieme Verlags). Gestielte Verschiebelappen Koronaler Verschiebelappen. Der koronale Verschiebelappen ist eine gute Methode zur Behandlung einzelner freiliegender Wurzeloberflächen. Er ist technisch relativ einfach durchzuführen und wird wegen des limitierten Operationsgebiets gut vom Patienten toleriert. Bei diesem Verfahren erfolgt zunächst eine sulkuläre Inzision entlang der Rezession. Davon ausgehend wird ein trapezförmiger Lappen bis über die mukogingivale Grenze präpariert. Um den Knochen nicht vollständig zu denudieren wird meist ein Spaltlappen präpariert. Nur bei sehr dünner Gingiva kann aus technischen Gründen ein Volllappen indiziert sein. Der Lappen wird nun im apikalen Anteil aktiviert (Periostschlitzung), www.zahnaerzteblatt.de ZBW 7/2017
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